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Natürlich waren es mehr als zwei; etwa 60 oder gar 80 waren es, Winzerinnen und Winzer, die ihre Weine in Zürich vorgestellt haben, allen voran ihre Rieslinge. Da dürfen sie stolz sein und sie wissen auch, dass es in der Schweiz Vergleichbares nicht gibt, zumindest nicht Rieslinge in dieser Vielfalt und Qualität. Hier dominiert der Chasselas (aus der Westschweiz). Er bestimmt weitgehend die Vorstellung, wie ein Weißer zu sein hat. Rieslinge sind hier Fremde, zumal in der Ostschweiz bei den weißen Rebsorten der Müller-Thurgau dominiert.

Einladung des Deutschen Weininstituts (Quelle: P. Züllig)

Allerdings ist diese Feststellung stark vereinfacht. Es gibt inzwischen ein paar Weinhändler, die auch auf deutsche Rieslinge setzen, und sie sagen: Das Geschäft läuft immer besser. Vielleicht ist es so, dass die Schweizer (besonders in der Deutschschweiz) die Rieslinge, von trocken über lieblich bis süß, allmählich entdecken und gern bekommen. Wäre gar nicht schlecht, nicht nur für die deutschen Winzer, die hier – in der Nachbarschaft – ein neues Absatzgebiet finden, auch für die Schweizer, die beim Weißwein noch immer eine Heimat suchen. So kommt es mir jedenfalls vor. Nebst Chasselas und Müller-Thurgau wird so ziemlich alles angepflanzt und vinifiziert, vom Weiß- und Grauburgunder über den Chardonnay und den Gewürztraminer bis zu den vielen autochthonen und interspezifischen Rebsorten.

Lese weißer Trauben in der Ostschweiz – eigentlich ein Pinot-Noir-Gebiet (Quelle: P. Züllig)

Inzwischen habe auch ich mich an einige der „Namen“ des deutschen Weins gewöhnt – nämlich so, wie sie von „meinem“ Weinhändler (einem der besten für deutsche Weine in der Schweiz) angeboten werden: Brennfleck, Christmann, Christoffel, Diel, Dr. Loosen, Dönnhoff, Grans-Fassian, Haag, Jung, Keller, Kühn, Maximin Grünhäuser, Müller, Prüm, Schäfer, Schloss Lieser, Schloss Saarstein, Vollenweider, von Winning, Weil, Weiser-Künstler, Wittmann, Zilliken (Reihenfolge alphabetisch!). Auf der deutschen Weinmesse in Zürich suche ich den einen oder andern dieser Namen: Sollte doch vertreten sein – denke ich, und mit mir denken dies wohl noch viele der Weinfreunde, die sich für deutsche Weine interessieren. Fehlanzeige! Nicht einer dieser Winzerbetriebe ist hier anzutreffen. Leicht frustriert und etwas hilflos irre ich durch die Reihen der Degustationstische und begegne einem Weinfreund, der eigentlich auf französische Weine steht. Er kommt aus dem Burgund, lebt aber schon lange in der Schweiz. „Du bist hier?“ Auf einer deutschen Weinpräsentation hätte ich ihn zuletzt erwartet. Nach den blaugefärbten Lippen zu schließen, hat er sich vor allem mit den Rotweinen befasst, besonders mit den Spätburgundern. Er erkennt meine missmutige Stimmung. „Frustriert?“ – „Eher ratlos!“ Den einen oder anderen Winzer (vor allem aus dem Badischen) habe ich zwar schon besucht – ihre Weine kenne ich. „Und was jetzt?“

Mehr als 60 Winzer präsentieren ihre Weine in Zürich (Quelle: P. Züllig)

Da zeigt er auf zwei Tische mit zwei jungen Winzern auf der anderen Seite des Saals, fast schon am Rande. „Da musst Du hin!“ Und er verschwindet mit seinem Degustierglas in der Hand, Pinot Noir ist wohl drin. Die beiden jungen Winzer habe ich sofort aufgesucht, ihre Weine ausgiebig verkostet, natürlich zuerst die Roten, bei den Spätburgundern kenne ich mich aus, Rieslinge sind immer noch ab und zu ein „Buch mit sieben Siegeln“. Meine Laune wird spürbar besser, endlich habe ich bei deutschen Weinen einen Anker ausgeworfen. Fast zufällig, oder eben aufgrund des Tipps eines Franzosen. Noch jung sind die Weine, zum Teil noch Fassproben. Doch sie gefallen mir. Ich bin mir bewusst, es könnten auch andere Weine sein, an einem anderen Tisch. Ein direkter Vergleich ist nur schwer möglich. Wo soll ich beginnen, wo aufhören, was probieren? Das, was ich bereits kenne, oder etwas Neues? Wo aber ist das Neue, bei Weinpräsentationen von achtzig Winzern?

Wo ist das Neue% das Unbekannte? Weinliebhaber suchen im angebotenen Seminar Orientierung (Quelle: P. Züllig)

Ich weiß, ich bin ungerecht gegenüber all jenen Produzenten, die ich in dieser kurzen Zeit nicht aufsuchen konnte. Vielleicht ist es sogar falsch, wenn sich für mich die deutsche Weinwelt für eine Stunde (oder mehr) verengt hat auf zwei Winzer. Beide kommen aus der Pfalz. Zufall, natürlich. Beide präsentieren – nebst sehr guten, ja ausgezeichneten Spätburgundern – interessante Cuvées, zwei Weine mit einem hohen Anteil einer Rebsorte, die in der Schweiz so gut wie unbekannt ist: St. Laurent. Meine erste Reaktion: gewöhnungsbedürftig; dann: interessant; etwas später (nach wiederholtem Probieren): großes Potenzial; und schließlich: ausgezeichnet. Diese Winzer muss ich mir merken, denn inzwischen habe ich auch ihre anderen Weine verkostet, sogar die Rieslinge, die mir plötzlich viel, viel besser als alle vorher verkosteten Rieslinge vorgekommen sind. Wo ist da meine Objektivität, wo mein analytisches Urteil, auf das ich so stolz bin? Zweifellos: Es sind ausgezeichnete Weine aus Deutschland, vielleicht nicht ganz typisch, vielleicht etwas eigenbrötlerisch, ein paar entscheidende Nuancen anders. Gerade dies hat mir gefallen, hat mich versöhnt mit allen anderen Winzern, bei denen ich nicht am Tisch war oder es nicht so lange ausgehalten habe.

Auf der verzweifelten Suche nach dem typisch deutschen Wein (Quelle: P. Züllig)

Der Nachmittag ist „gerettet“, die Wein-Welt (auch die deutsche) wieder in Ordnung. Vielleicht ein Zufallstreffer, für mich aber wichtig, damit ich fortan deutsche Weine nicht einfach auf Namen und Rebsorten reduziere, sondern mir immer bewusst bin, dass selbst bei einem Aufmarsch von 60 und mehr Anbietern die Weine immer vielfältig, eigenständig und eigentlich etwas ganz Persönliches sind. Die Qualitätsbeurteilung ist nur eine Seite, der persönliche Geschmack die andere, vielleicht sogar die wichtigere.

Herzlich
Ihr/Euer

Peter (Züllig)

PS: Es wäre unfair, die beiden Weingüter, die meine Begegnung mit deutschen Weinen „gerettet“ haben, nicht zu nennen. Es sind dies: Ralf Kirchner in Freinsheim und Thorsten Langenwalter in Weisenheim am Sand.

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