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„Zuputzen, mit Salz und Pfeffer würzen und anbraten. Zwiebeln, Karotten, Sellerie, Knoblauch kurz mitrösten. Mit Wein, Orangen- und Zitronensaft ablöschen…” Dies also ist das Rezept für „Rindsbacken” oder „Rindsbackerl”, wie die Österreicher schon fast liebevoll sagen. Ich bin mit dem köstlich zubereiteten Essen der Gastgeberin voll beschäftigt und bekunde kaum Interesse am aufgetischten Wein. Mit spitzbübischem Lächeln schenkt der Hausherr einen tiefdunklen Roten ein, für einmal aus einer Karaffe, was hier eher eine Ausnahme ist. Ich erahne es: ein Test, eine Prüfung, ein Angriff auf mein Weinwissen. Tatsächlich folgt auch sofort die sanfte Aufforderung: „Na und?”

 

 

Rindsbacken - eine kulinarische Exklusivität


Eigentlich verspüre ich im Augenblick größere Lust auf die fein duftenden, „anmächeligen Bäckli” als auf einen geheimnisvollen Wein. Doch der Anstand gebietet: Auge, Nase, Gaumen…”Natürlich, dunkles Granat-Rubin..,” da liege ich wenigstens nicht falsch. Die Nase ist schon viel schwieriger: „Kirschen, reife Frucht, heller Kaffee, Leder, Tabak, Rauch, Unterholz….”, ich suche verzweifelt nach passenden Aromen. Das „Bäckli” sticht mir immer mehr in die Nase. Ich rate: „südliche Rhone, nein, eher nördlich - Hermitage - keine Ahnung!” Dann der erste Schluck: eindrucksvolles, korsettiertes Bouquet, sehr konzentriert - geradezu wuchtig”, zumindest im ersten Augenblick. Deshalb tippe ich auf Châteauxneuf-du-Pape. Doch sofort formiert sich ein eigenwilliges Erleben im Gaumen: „Wärme, Körper, Frucht, Schokolade, Würze…”.Mir kommt Spanien in den Sinn, Priorat. Aber welche Rebsorte? Nein, kein Garnacha, kann es nicht sein, auch nicht Tempranillo, Mazuelo oder Graciano. Schon eher südfranzöisch, vielleicht Syrah, aber viel konzentrierter, anders gekeltert, anders vinifiziert als im Languedoc oder an der Rhone. Im Stil von….

 

 

 

 

Endlich steht die geheimnisvolle Flasche auf dem Tisch


Mein Gastgeber erbarmt sich. Südafrika! Zum allerersten Mal habe ich diesen Kultwein vom „Kap der Guten Hoffnung” im Glas. Da wird mir meine Unkenntnis in bezug auf die Neue Weinwelt erst so richtig bewusst. Meine eigene Weintradition hat Europa noch kaum verlassen. Kalifornien ist zwar schon oft in meinem Glas gewesen, noch nie aber in meinen Keller gelangt. Immerhin fahre ich im Herbst erstmals ins Napa Valley. Annäherung? Bekehrungsversuch? Wir werden sehen! Wie aber habe ich es mit Südamerika: Chile, Argentinien; mit Lateinamerika: von Mexiko bis Uruguay; mit Australien: vom Westen über Süden bis Osten; mit dem Südpazifik: Neuseeland, den Nord- und Südinseln und eben - mit Südafrika: Stellenbosch, Paarl, Worcester….???

Meine Weinfreunde haben immer wieder über diese Welten und ihre Weine berichtet, meist mit „glänzenden Äuglein”. In den Weinzeitschriften lese ich Reiseberichte, im Internet stosse ich auf begeisterte Schilderungen. Als unsere Tochter, kaum das Abitur in der Tasche, fast ein Jahr mutterseelenallein quer durch Australien trampte, da hatte ich alles andere im Kopf als australische Weine. Und Südafrika, das wurde von mir lange aus „edlen politischen” Motiven boykottiert: Menschenrechte!

 

 

 

 

Weinland Südafrika


So schrammte eben die „neue Welt des Weins” immer wieder knapp an mir vorbei. Ich habe sie wohl zur Kenntnis genommen, aber sie ist nicht wirklich eingedrungen, weder in mein Weinwissen, noch in meine -Vorlieben. Jetzt aber steht plötzlich, ganz unvorbereitet ein Grosser aus der „neuen Weinwelt” vor mir: „Columella” von Eben Sadie, Jahrgang 2002 aus Swartland, Südafrika. Ein junges Weingebiet, so viel entlocke ich noch meinem Wissen, wo vor allem Steen (Chenin Blanc), aber auch Pinotage, Cabernet Sauvignon und die Portweinrebe Tinta Barocca angebaut wird.

Ein Blick in den Weinführer belehrt mich: Columella ist ein Syrah-Wein (90%) ergänzt, verfeinert mit etwas Mourvèdre. Die Beeren stammen aus sieben ganz unterschiedlichen Lagen, mit unterschiedlichen Böden. Das Geheimnis der präzisen Zusammensetzung verrät der Weinmacher nicht. Sein Credo: „Was mich interessiert, ist das Fantastische”. Irgendwie muss ich ihm recht geben, um so mehr ich mein Glas genüsslich leere. Nicht auf Anhieb, erst allmählich registriere ich die Harmonie dieses Weins, seine Nachhaltigkeit, sein Rückgrat: extraktreich, fruchtig mit gut eingebundener Säure, wirkt trotz der Schwere extrem leichtfüssig, ausgewogen und voll, präsentiert sich aber gar nicht aufdringlich.

Zugegeben, der Wein fasziniert mich. Er hat viel Anklänge an Bekanntes und bleibt doch - für mich - ein grosser Unbekannter. Im Augenblick mag ich nicht weiter darüber sinnieren, ich will geniessen. Leider bin ich mit dem Auto unterwegs - von der zweiten Flasche, die geöffnet wird, darf ich nichts mehr trinken. Schade! Also bleibt es bei den ersten zwei Gläsern, doch ich merke mir den Namen: Eben Sadie.

 

 

 

 

Eben Sadie% berühmter südafrikanischer Weinmacher% der auch im spanischen Priorat zuhause ist

Weit besser komme ich mit dem Namen des Weins zurecht: Columella. Lucius Lunius Moderatus Columella, der antike Autor, der zur Zeit um Christi Geburt ein berühmtes Werk über römische Landwirtschaft verfasst hat. Darin postuliert er einen lagerfähigen Wein ohne Zusätze und sieht darin das größte Qualitätskriterium. Er war auch der Ansicht, dass Wein das einzige Agrarprodukt ist, das durch Alterung an Qualität gewinnt. Bordeaux beruft sich heute noch auf diese antike Erkenntnis. Deshalb ist mir der historische Columella (übrigens ein Spanier aus Cadiz, der aber in Italien lebte) durchaus ein Begriff. Jedenfalls weiss ich über ihn viel mehr als über den „Columella” von Eben Sadie.

 

 

 

 

Lucius Lunius Moderatus Columella. Denkmal in seiner Geburtsstadt Cadiz

Nach dieser ersten Begegnung mit dem Wein „Columella” habe ich mich etwas genauer informiert. Ich weiß jetzt: „Eben Sadie ist ein ebenso genialer wie qualitätsfanatischer Winzer und Önologe, den der renommierte südafrikanische Weinführer "John Platter" sofort in die Liga der 5-Stern-Produzenten hievte.” Oder, eine andere Quelle: „Sadie studierte Landwirtschaft und arbeitete anschließend 14 Jahre lang in Weinkellereien überall auf der Welt. Heute sind seine sieben Spitzenlagen in Südafrika jeweils nur einen Hektar groß. In Spanien, in der Nähe von Barcelona, hat er weitere dreieinhalb Hektar. Im September, wenn die Ernte in Swartland eingebracht ist und der Wein in Ruhe reift, reist er mit seiner Familie für ein Vierteljahr nach Spanien.”

Dies alles kann man in Fachbüchern nachschlagen oder im Internet ergoogeln. Was man aber nicht ergoogeln kann, das ist die persönliche Bekanntschaft mit dem Wein, die eigene Erfahrung mit Weinfantasien, in der so viel Bekanntes auftaucht: nördliche Rhone, Spanien, Südfrankreich, auch etwas Bordeaux (bezüglich der Vinifizierung) und doch eine ganz neue Welt, eine neue Weinwelt verkörpert.

Beschämt stelle ich fest: darüber weiss ich - im Vergleich zu der „traditionellen Weinwelt” - herzlich wenig; darin habe ich kaum Erfahrung; dazu habe ich bis jetzt nicht ein einziges Mal eine Kolumne verfasst.

 

 

 

 

Columella 2002 aus Südafrika

Ich muss ja nicht gleich meinen Weinkeller neu einrichten, nur weil es anderswo (als im Bordelais) auch gute Weine gibt, in andern Ländern, auf andern Kontinenten. Es genügt, davon Kenntnis zu nehmen und Erfahrungen zu sammeln. Vielleicht werde ich wieder einmal eingeladen zum kulinarischen Schmaus: Rindsbacken mit Kartoffelstock und aparten Gemüsen. Dann aber lasse ich mich nicht mehr abhalten und gebe auch dem Wein das, was er verdient. Anerkennung und Hochachtung. Auch wenn es nicht mehr der Kultwein Columella ist, sondern irgendein guter, interessanter Wein aus Weingebieten, die ich bisher kaum beachtet habe und deshalb auch kaum kenne.

Herzlich
Ihr/Euer
Peter (Züllig)

 

 

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