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Ségolène Royal verliert die Wahl zur ersten Präsidentin der Republique Française, Nicolas Sarkozy zieht als Sieger und großer Hoffnungsträger in das Palais Elysée ein. Diesen Augenblick erlebte ich auf dem Canal du Midi, auf einer Fahrt im Hausboot durchs Languedoc. Genau fünf Jahre sind seither vergangen. Wieder bin ich auf einem Hausboot, wieder auf dem Canal du Midi, und wieder wird der Präsident gewählt. Diesmal kämpft Nicolas Sarkozy gegen einen neuen Hoffnungsträger, François Hollande, den Exgatten von Ségolène Royal. Wenig hat sich verändert in den fünf Jahren. Zu wenig, in einem Land, das in der Tradition königlicher Allmacht und Revolution einen Weg sucht in der globalisierten Welt. Nur die Hoffnung, die ist geblieben.

 

Der Wahlkampf ist vorbei (Foto: Peter Züllig)

Während das Schiff auf dem vor mehr als 300 Jahren gebauten Kanal langsam durch riesige Rebgebiete gleitet (Höchstgeschwindigkeit acht Stundenkilometer), vorbei an unterspülten Ufern und kränkelnden Platanen, wird mir bewusst, wie wenig sich hier in fünf Jahren verändert hat. Die Zeit scheint wirklich still gestanden zu sein. Nur die Schleusenwärter sind jetzt mit einem elektronischen Steuersystem ausgerüstet. Ab und zu präsentieren sich inmitten der Reben kahle, braungraue Felder. Hier sind Rebstöcke ausgerissen worden, zu klein war ihr Ertrag, zu groß der Anreiz, die Ausreißprämien der EU zu kassieren. Man lebt weiterhin von der Hoffnung und der Überzeugung, dass schon die Katharer einst den Mächten getrotzt haben. Dass sie dabei untergegangen sind, hat man zwar nicht vergessen, doch man schiebt es weg, weit weg.

Immer wieder taucht die Frage auf: Wer trinkt all den Wein, der hier Jahr für Jahr produziert wird, noch immer in riesigen Mengen? Was kann den Weinbauern – ganze Dörfer leben vom Weinbau – ein sicheres Einkommen garantieren? Die Ausreißprämien sind rasch einmal aufgebraucht, was kommt dann?

 

Kahle Felder – hier standen einst Reben (Foto: Peter Züllig)

Am Kanal, der einstigen „Hauptstraße“ durchs Languedoc, tummeln sich die Bootstouristen. Das „einfache Leben“ auf den Pénichettes (so heißen die langen, schmalen Kähne) wird immer komfortabler: warmes Wasser, Kühlschrank, Heizung, Fernsehen, Geranien… Sonst aber – unmittelbar rechts und links vom Kanal – hat sich nur wenig verändert. Überall alte, oft vergammelte Häuser, Wohnungen und Parzellen – „à vendre“, zu verkaufen. Nur wenn man eine der kleinen Weinhandlungen entlang des Kanals betritt oder in einem der Restaurants, die auf Touristen warten, einen Wein bestellt, zeigt sich eine kleine Veränderung, die eigentlich nur der Weinliebhaber registriert. Der einfache „vin de pays“, der Billig- oder Massenwein, hat sich zurückgezogen, wohl in die traditionellen Bistros der Einheimischen.

 

Präsentation der einheimischen Weine am Canal du Midi in Homps (Foto: Peter Züllig)

Am Kanal ist das Weinangebot eindeutig besser geworden. Man präsentiert fast ausschließlich Weine aus der Region. Auf jeder Weinkarte findet man gute Weine, zu vernünftigen Preisen, und zwar nicht nur jene, die Rang und Namen haben und die Weinkarte chic aussehen lassen. Man ist sichtlich stolz auf das, was im Dorf in der Gegend produziert wird, und hofft, endlich auch als anspruchsvolle Weingegend wahrgenommen zu werden. Das alte Image, nur Lieferant von Massenprodukten und Billigangeboten zu sein, hält sich zwar hartnäckig. Es lässt sich aber nicht mehr aufrecht erhalten. Selbst einfache Landweine zeigen sich nicht nur mit schönen, meist modernen Etiketten. Sie sind erstaunlich gut und noch immer preiswert. Man will eigenständige Weine machen und nicht mehr konkurrieren mit den Billigweinen aus dem Ausland, die seit Jahren nicht nur die Küste, nein, das ganze Land „überschwemmen“. Man hat erkannt, dass auch aus den traditionellen Rebsorten Syrah, Carignan, Mourvèdre und Cinsault gute und vor allem eigenständige Weine entstehen können.

Natürlich gibt es noch immer die Tendenz, die alte Weintradition des Languedoc abzustreifen und weltweit verbreitete Rebsorten einzuführen. Es sind vor allem Globalisten aus anderen französischen Weingebieten, welche das hervorragende Terroir des Südens nutzen möchten und – zum Teil mit großen Investitionen – den Mainstream, vor allem Cabernet, Merlot, sogar Pinot Noir in die Gegend bringen. Doch ihre Weine – meist ordentlich teuer – sind zu hochpreisig für die Region und deshalb eigentlich nur für die Touristen und den Export bestimmt.

 

Eine der vielen Werbetafeln am Canal (Foto: Peter Züllig)

Unmittelbar am Kanal versuchen Weingüter und kleine Vinotheken, die vorbeigleitenden Schiffe anzulocken. Das ist nicht ganz einfach, erfordert das Anlegen und Festmachen doch meist Zeit und oft auch Geschick. In Ventenac d’Aude lassen wir uns „verführen“, legen unmittelbar vor der imposanten Fassade der Genossenschaft Ventenac-Minervois an. Es ist kurz vor zwölf – die Türen schließen sich für zwei Stunden: Mittagszeit. Drei Schiffe haben angelegt. Sie haben gefälligst zu warten, bis sich die Tore wieder öffnen. Wir warten, das Angebot ist dann aber eine Enttäuschung. Im Rotwein-Bereich drei traditionelle Weine, nur einer davon nicht im Barrique ausgebaut. Das übrige Angebot bei den Rotweinen: Merlot, Cabernet, Bordeaux-Assemblagen… Dies alles zum Preis um sieben Euro. Man glaubt noch immer den Auguren, die vom „großen Geschäft“ flunkern und aus dem Languedoc ein zweites (südlicheres) Bordeaux machen möchten. Quasi ein Bordelais zweiter Klasse. Mondavi hat es schon vor Jahren versucht, und viele Bordeaux-Player haben bereits ein Spielbein in im Languedoc.

Manche Winzer, auch Genossenschaften, haben inzwischen erkannt: Es gibt einen Markt zwischen den Einfachweinen und den meist überholzten Modeweinen – es gibt den Markt des guten Terroir-Weins: eigenständiger Rebsortenspiegel, sorgfältige Arbeit im Rebberg, traditionelle und saubere Vinifikation und kein Schielen auf das, was gerade Mode ist.

 

Das Schiff gleitet stundenlang durch riesige Rebfelder (Foto: Peter Züllig)

Ich bin überzeugt: Cabernet, Merlot und Konsorten sind nicht der richtige Weg. Die Winzerphilosophie und -tradition ist hier im Languedoc seit vielen Generationen eine andere: auf der einen Seite der genossenschaftliche Weinbau, bei dem lange Zeit (zu) viel Verantwortung an ein Kollektiv delegiert wurde; auf der anderen Seite eine ausgeprägte Eigenwilligkeit, Persönlichkeiten, die durchaus in der Lage sind, unverwechselbare eigene Weine zu machen und darauf auch stolz sind. Nur – auf diese letzteren Eigenschaften baute die Weinvermarktung bisher kaum. Man sucht zu oft das Glück im attraktiveren Preis für etwas, das andere oft besser können und für das dort weit mehr Mittel für Investitionen (im Rebberg und im Keller) zur Verfügung stehen. An diesem inneren Zwiespalt ist das Languedoc bisher fast erstickt.

 

Das Château von Ventenac lockt mit seinem Weinkeller die Bootstouristen an (Foto: Peter Züllig)

Es beginnt sich – ähnlich wie in Bordeaux – eine Klassengesellschaft zu etablieren. Die „braven“ namenlosen Winzer (und Genossenschaften), bei denen die Zeit wirklich still gestanden ist, und die Stars, die ihre Weine weltweit vermarkten können. Und dazwischen? Dieses Zwischenfeld wird immer größer und selbstbewusster, immer eigenständiger und dadurch immer besser. Dieses „Mittelfeld“ verkörpert das, was ein Überleben des Weinbaus im Languedoc möglich machen könnte, wahrscheinlich sogar möglich macht.

Vom langsam dahingleitenden Schiff aus gesehen, scheint die Zeit wirklich stillgestanden zu sein. Die Sicht auf die riesigen Rebfelder – die sich kaum verändert haben – verstärkt diesen Eindruck. Doch wer offen ist für weniger bekannte, traditionelle, aber sauber, ja, sogar liebevoll gemachte Weine, der ist – wie ich es bin – überzeugt: Die Zeit ist doch nicht stillgestanden im Languedoc.

Herzlich
Ihr/Euer

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