An den „Découvertes en Vallée du Rhône“ – einer Veranstaltung, die sechs Tage dauert und nur alle zwei Jahre stattfindet - präsentieren sich 750
Winzer und Weinhäuser. Vorgestellt werden Weingebiete und ihre
Weine zwischen Lion und Nîmes, von der
Côte Rôtie bis zur Costiéres de Nîmes. Da gibt es berühmte Namen, gesuchte Gewächse und bekannte Appellationen wie
Hermitage,
Gigondas,
Vacqueyras, Châteauneuf-du-Pape.... Doch wer kennt schon
Luberon,
Rasteau oder gar
Cairanne? Namen, die zwar ab und zu auftauchen. Doch es sind Namen, mit denen nur versessene Liebhaber von Rhône-Weinen wirklich etwas anfangen können.
Auch im langgezogenen Rhonetal kann man – wie in fast allen Weingegenden – lohnende Entdeckungen machen. Dazu ist eine Wein-Präsentation wie die „Découvertes“ eigentlich geschaffen worden. Doch die kleineren Orte, die bescheideneren Namen, die unbekannteren Güter gehen im riesigen Angebot meist unter und werden kaum beachtet. So auch die beiden historischen Weingebiete in der
Appellation „Côtes du
Rhône Village“:
Rasteau und Cairanne. Das eine Dorf,
Rasteau, im Norden des Departements
Vaucluse, mag durch seine
Süßweine – „Vin
doux naturel“ – einen gewissen Bekanntheitsgrad haben, doch wer kennt die andern 15
Gemeinden, die ihren Ortsnamen, gleichsam als Qualitätsgaranten, auf den AOC-Etiketten tragen dürfen,
Séguret,
Sablet,
Laudun, Cairenne und wie sie alle heissen? Eine kleine unscheinbare Notiz im umfassenden Programm der „Découvertes“ hat Freund Max-Georg entdeckt und sofort reagiert, uns
kurz entschlossen angemeldet für eine „Croisière nocturne sur le Rhône», eine nächtliche Kreuzfahrt auf der Rhone, rund um Avignon. Organisiert wurde diese von den
Winzern in
Cairanne und Rasteau.
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Eine stimmungsvolle Nacht an den Ufern der Rhône |
Ich hätte die Einladung glatt übersehen. Sogar im
Weinlexikon musste ich zuerst nachschlagen, um zu wissen, wo diese
Winzer mit ihrer freundlichen Einladung zuhause sind. Ich erfahre, dass da der
Wein schon immer im Mittelpunkt stand, seit 4000 Jahren. Doch begonnen hat der
Weinbau hier eigentlich erst im Jahre 300 vor Christus, als die Stämme der „Voconces“ das Land besetzten und
Reben kultivierten.
Weinbau, eine uralte Tradition in dieser Region. Doch wie sind die
Weine heute, die aus
Cairanne oder
Rasteau kommen? Wie arbeiten, wie leben, was denken die
Winzer, die heute eher abseits des weltweiten Weingeschäfts liegen? Die Einladung zur nächtlichen Schiffahrt soll uns – und etwa 200 weiteren Mitreisenden – einen Einblick vermitteln. Erwartet haben wir Werbung, Informationen, eine Flut von Anpreisungen und (wie meist bei solchen Veranstaltungen) grosse Worte. Nichts davon ist eingetroffen. Ganz bescheiden liegen auf einem Tisch zwei Prospekte: „Rasteau – le
Vignoble aux 3 Appellations“ und „Les marchés en Provence“. Mehr nicht! Auf einem grossen Plakat bedanken sich die
Winzer von
Rasteau und
Cairanne in schlichten Worten für das Interesse an ihren Produkten und wünschen uns allen einen genussvollen Abend. Es stehen alle
Weine der beiden
Gemeinden bereit. Für den Unkundigen sind sie kaum einzuordnen, man muss sie einfach
einschenken und probieren.
Dazu werden Speisen aufgefahren, kleine Häppchen, größere Köstlichkeiten, Spezialitäten der Gegend, Produkte einer Region. Immer wieder, bis auch die Hungrigsten genug gegessen haben. Und dies alles geschieht unaufdringlich, ohne Werbung, so ganz auf lustvolle drei Stunden konzentriert. Keine Preislisten, keine langen Reden, keine Informationsblätter mit Zahlen und Fakten, keine
Weinbeschreibungen mit den uns geläufigen Begriffen: „kirschrote
Farbe,
blumiger Duft, schlanke
Tannine,
Fett und
Öligkeit des Geschmacks, rote Früchte und schwarze Johannisbeeren......“ Nein, jeder Teilnehmer kann ganz einfach nur
verkosten, rote, weiße, trockene oder
süße Weine.
Rasch einmal habe ich mich mit einem Glas auf das Oberdeck verzogen, um Avignon, die Stadt der Päpste, einmal anders zu sehen. Vom
Fluss aus, eingebettet in das Dunkel der Nacht, leicht touchiert vom matten Schein des Mondes. Zuerst bin ich fast allein, später in Gesellschaft so mancher fröhlich gestimmter Gäste. Sie alle haben ein Glas in der Hand und diskutieren in vielen Sprachen: englisch, deutsch, dänisch, tschechisch, französisch..... Die Diskussion kreist weniger um den
Wein – kaum zwei haben ja den gleichen
Wein im Glas – als vielmehr um die Stimmung, die Situation
der Winzer, die Landschaft, den
Fluss, die historische Stadt, die vielen Zeugen der Geschichte – und natürlich um die Liebe zum Wein.
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Avignon% die Stadt der Päpste% in der Nacht beim Mondschein |
Nein, fast nichts ist so, wie bei anderen Präsentationen. Natürlich spürt man auch hier den Stolz
der Winzer, trifft man die Repräsentanten der Wein-Syndikate, die für ihre Anliegen werben. Natürlich stellen die
Winzer im Gespräch ihre
Weine vor, wenn sie gefragt werden. Auch hier treffen sich alle, die mit diesen Weinen verbunden sind:
Händler, Wirte, Freunde, Konsumenten,.... Doch es geht vor allem um ein paar Stunden des Genusses. Kaum zurückgekehrt, legt das Schiff vor den Toren Avignons wieder an, die eher zufällige Schiffsgemeinschaft geht auseinander, verliert sich in alle
Winde, in alle Gegenden, ja sogar in verschiedene Länder. Und – kennen sie jetzt
Rasteau oder
Cairanne? Nein, sicher nicht. Dafür waren die Informationen zu knapp, zu beliebig, zu wenig systematisch. Nicht einmal die beiden Dörfer hat man gesehen, denn sie liegen gut 30 Kilometer von Avignon entfernt. Vielleicht hat man den einen oder andern „besonders guten Wein“ getrunken, vielleicht auch
Weine angetroffen, die nicht oder gar nicht geschmeckt haben. Jede Teilnehmerin und jeder Teilnehmer hat den Abend wohl anders erlebt.
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Erlebnis in der Provence. Beim Schreiben dieser Kolumne ein Rasteau (Tradition) im Glas |
Hat sich die Einladung gelohnt, für die
Winzer, die Teilnehmer? Ich jedenfalls verbinde fortan
Cairanne und
Rasteau mit einer Mondscheinfahrt, links und rechts gesäumt von den Ufern der Rhone. Für mich sind die
Weine nicht das geworden, dem ich fortan „nachrennen“ werde, sondern Produkte einer Landschaft, einer Gegend, einer
Kultur,
kurz von Menschen, denen ich begegnet bin. Und jetzt, wo ich diese Kolumne schreibe, habe ich das Bedürfnis, eine der mitgenommenen
Flaschen zu öffnen und in der Ruhe der provenzalischen Landschaft zu trinken. Und ich
weiss, ich werde wieder kommen; ich werde die beiden Dörfer nicht mehr einfach links liegen lassen, sondern irgendwann einmal aufsuchen, ich werde ihre
Weine wieder trinken, von ihnen sprechen und sie mit andern Gefühlen erleben, als die Tausend andern
Weine, die mir an der Rhone vorgestellt wurden.
Herzlich
Ihr/Euer
Peter (Züllig)