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Weinstraßen sind Pilgerwege der Weinliebhaber. Anders als die Sankt-Jakobswege führen sie nicht zu einem bestimmten Ziel und nur selten zu einem genau definierten Pilgerort. Das Lebensmotto so vieler orientierungsloser Zeitgenossen – „der Weg ist das Ziel“ – wird hier für einmal konkret formuliert, nicht spirituell ausgedeutet, wie es (spätestens) seit Konfuzius bei so vielen Heilsbringern üblich ist. Der Weg, das sind hier die Rebberge, Landschaften, Weingüter, die historischen Zeugen, Reben, der Boden, der Wein. Der „Pilgerweg“, den ich „ohne Erbsen in den Schuhen“ kürzlich gegangen bin, führt durchs Périgord.

 

An der Weinstraße im Périgord (Foto: P. Züllig)

Bergerac, die zweitgrößte Stadt im Département, ist der Ausgangspunkt für jede Wein-Entdeckungsfahrt an der Dordogne, denn die Weingebiete liegen in diesem westlichen Teil des Verwaltungsbezirks rund um Bergerac. Es ist ein historisches, aber auch junges Anbaugebiet. Historisch, weil hier die englische Krone (1154-1353) während 300 Jahren ihre Handels- und Weinbau-Interessen durchgesetzt hat und weil nach dem 100-jährigen Krieg (und später durch die Hugenottenvertreibung) ein reger Weinhandel mit Holland entstand, so dass vor allem der Süßwein (Monbazillac) große Bedeutung erlangte. Dies illustriert eine Anekdote, die man sich heute noch im Périgord erzählt: Einst wurde ein Pilger aus Bergerac in einer Audienz dem Papst vorgestellt. Der Papst soll zu ihm gesagt haben: "Ah! Aus Bergerac, in der Nähe von Monbazillac!"

Jung ist das Weingebiet, weil die Reblaus auch hier den Weinbau fast ganz erlahmen ließ und eine Neuorientierung erst im letzten Jahrhundert, beim Rotwein sogar erst in den letzten Jahrzehnten stattgefunden hat und er wohl nie mehr die Größe und Bedeutung von einst erlangen wir wird.

 

Rebberge in Monbazillac (Foto: P. Züllig)

Monbazillac, südlich von Bergerac, präsentiert sich noch als großes, geschlossenes Anbaugebiet. Hier liegen die Rebberge dicht gedrängt beieinander, man hat den Eindruck einer großen Weinregion, wie wir sie aus dem Bordelais oder gar aus dem südlichen Languedoc kennen. Die Gänseleber – im Périgord überall präsent – verlangt geradezu nach einem qualitativ guten, eigenständigen Süßwein. Warum in Bordeaux suchen, dem Erzrivalen von Bergerac? Einen Wein à la Sauternes kann man an der Dordogne auch machen, er ist zwar nicht ganz so berühmt wie der Sauternes, aber in vielen Fällen genauso gut, mitunter sogar besser. Denn hier muss noch um Qualität gerungen werden, damit man im harten Konkurrenzkampf unter den französischen Botrytis-Weinen bestehen kann. Sich zurechtzufinden unter den vielen Süßweinen, die hier angeboten werden, ist nicht ganz einfach, sind doch die Namen – außerhalb Frankreichs – so gut wie unbekannt.

 

Das große Angebot an Süßweinen in Monbazillac (Foto: P. Züllig)

So mache ich es eben wie fast jeder Tourist:
Ich kaufe einen mir vertraut klingenden Namen:
„Ainsi soit-il“, was so viel heißt wie „So sei es“ oder das kirchliche „Amen“ (2005 Château Montdoyen, Monbazillac). Da ich, wie die meisten Wein-Pilger, mit dem Auto unterwegs bin, findet eine kritische Verkostung erst später, zu Hause statt (ich werde im Forum natürlich ein „Getrunken“ dazu schreiben).

Nun aber muss ich mich lösen von der Vorstellung, an der Weinstraße ein kompaktes Weingebiet anzutreffen. Eigentlich sind es eher historische Relikte, die mich umgeben. Zum Beispiel – nur ein paar Kilometer von Bergerac entfernt – das Dörfchen Sainte-Foy des Vignes, die heilige Fides also, die hier mitten in den Rebbergen weiterlebt, zumindest in der kirchlichen Erinnerung. Obwohl es hier auch Weingüter gibt, taucht der Ort eher in den Annoncen der Liegenschaftsmakler auf als bei Weinhändlern. Doch die kurvenreiche Fahrt – auf Nebenwegen – bis hinauf zum kleinen Kirchlein lohnt sich. Hier ist das „alte Wein-Périgord“ noch immer zu Hause.

 

Das Kirchlein von Sainte-Foy des Vignes (Foto: P. Züllig)

Weintechnisch betrachtet sind wir da bereits im „neueren“ Weingebiet, dort, wo die besten Rotweine der Region unter der Bezeichnung Pécharmant gemacht werden. Wunderschöne, fruchtige, kräftige Weine, die vielen Bordeaux durchaus ebenbürtig sind. Was ich daran schätze, ist nicht nur der Preis für die gute Qualität, sondern vor allem die Eigenständigkeit. Der Boden (Mergel, Kalkstein, eisenhaltiges Gestein) gibt dem Wein einen besonderen, fast schon rustikalen Charakter, der aber bei gepflegter Vinifikation – nicht durch Holz oder Hoch-Technik – zu einem geschmeidigen, eleganten aromenreichen und reintönigen Wein wird.

 

Erinnerung an einen schönen Sommerabend in den Gassen von Bergerac (Foto: P. Züllig)

Ich gebe zu, bisher habe ich diese Weinregion – als Rotweingebiet – kaum wahrgenommen. Auf einem Château-Besuch erinnere ich mich wieder an einen wunderschönen Abend in der Altstadt von Bergerac, mit ausgezeichnetem Essen und hervorragendem Wein. Zuhause krame ich in den Erinnerungsbildern, und siehe da, auf dem Tisch steht ein Pécharmant, den ich damals so gut und zum Essen passend fand.

Pilgerstraßen haben es in sich, zum Verweilen bleibt da wenig Zeit. Auch wenn es auf den Weinstraßen kein bestimmtes Ziel gibt – keinen Heiligenschrein jedenfalls – so gibt es doch Pilgerorte. So bin schließlich auch ich an einem Ort der Geschichte vorbeigekommen, dem Château Michel de Montaigne. Es ist ein veritables Schloss, nicht nur die Bezeichnung für ein französisches Weingut. Ein Schloss, auf dem einst ein berühmter Mann gelebt hat. Michel Eyquem de Montaigne (1533-1592) war Politiker, Philosoph und Schriftsteller. Seine geistigen Höhenflüge in seinen Essays mögen den Schülern im Französisch-Unterricht ein Gräuel sein, seine Leistung als Politiker und Berater von Königen ist historisch anerkannt. Also doch ein Heilgenschrein auf dem Weg? Die „Magie“ des Ortes – wo einst Weltgeschichte geschrieben wurde – finden wir auch auf Weinstraßen, nicht nur im Périgord.

Das Château de Montaigne – nur noch der Turm, in dem Montaigne gearbeitet hat – ist original erhalten. Das Schloss gehört heute – in Erbschaftsfolge – Cécil Mähler-Besse, und damit geraten wir unversehens in das weitere Umfeld der grossen Bordeaux-Weine, wie sie vom berühmten Handelshaus Mähler-Besse mitgeprägt wurden und werden. Es bleibt keine Zeit, den Stammbaum genauer zu erforschen, es bleibt nicht einmal genügend Zeit, den Wein zu verkosten. Ein weiteres Souvenir – diesmal ein echtes Château-Souvenir, denn das Schloss ist auch Weingut – wandert in mein Gepäck.

 

Ein Blick aus dem Zimmer% das Montaigne einst bewohnt hat (Foto: P. Züllig)

Jetzt steht die Flasche vor mir. Jahrgang 1996, also in Bordeaux-würdigem Alter. Unbedingt dekantieren, hat man uns eingeschärft, im Shop, wo heute eher geschichtsinteressierte Touristen als Weinpilger vorbeikommen. Auf Weinstraßen kann man alles finden: geschichtliche Zeugen, hervorragende Weine, sogar „heilige“ Orte. Und es ist wie auf jeder Pilgerreise: Man ist nur Wanderer auf Zeit. Und die Zeit geht vorbei und der Weg bleibt das Ziel. Auch auf meiner nächsten Wein-Pilger-Reise, wohl in einem ganz anderen Gebiet.

Herzlich
Ihr/Euer

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