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Ab und zu fahre ich für ein, zwei oder mehr Tage in ein Weingebiet, einzig und allein um dort zu sein, wo Weine entstehen. Weine, die ich oft trinke oder auch nur selten im Glas habe. Die „Pensionistenreise“ ist so ein Unternehmen, das jedes Jahr stattfindet. Zwei Freunde, die nicht begreifen können, dass ich zum Riesling, dem Wein der Deutschen, kaum Zugang habe und auch recht wenig darüber weiß, haben mich eingeladen, deutsche Weine kennenzulernen.

 

Unterwegs im Weinberg am Hügel der alten Ruine in Staufen (Foto: P. Züllig)

Vor gut zehn Jahren ging es los: Drei weinverliebte Männer, zwar noch nicht ganz, aber bald im Rentenalter, machten am ersten Ziel halt: Rheinhessen. Da staunte ich, was Deutschland in Sachen Wein – vor allem beim Weißen – zu bieten hat. Im folgenden Jahr ging es nach Franken. Da waren wir schon vier, die die Weingegend heimsuchten, später fünf, einmal sogar sechs. Pfalz, Mosel-Saar-Ruwer, Württemberg, Nahe und jetzt – vor ein paar Tagen – Baden. Ein- oder zweimal fiel die Reise aus: Rentner haben ja nie Zeit! Doch keine Angst, es folgen nun nicht Reiseberichte, Listen von besuchten Winzern, Bemerkungen zu getrunkenen Weinen. Ich möchte vielmehr etwas über die „Magie des Ortes“ erzählen, über die Landschaft, die Menschen, die Kultur, den Alltag, die Besonderheiten, das Brauchtum, die Begegnungen an Orten, wo Reben wachsen und wo Wein gemacht und getrunken wird.

 

Magie des Ortes – am Kaiserstuhl (Foto: P. Züllig)

Ähnliche Reisen mache ich ab und zu auch allein oder mit meiner Frau: in ein Weingebiet fahren; dort sein; den Alltag spüren; sehen, wie und wo Winzer leben, wie sich die Rebberge und die Reben präsentieren; essen und trinken in Restaurants, in denen es Weine aus der Region gibt; Wein-Mythen entdecken; vereinzelt auch Winzer besuchen. Was unterscheidet solche Reisen vom üblichen Weintouristen-Tramp? Vielleicht dies: Man muss nicht die renommiertesten Winzer ausfindig machen, die allerbesten Weine verkosten, nur Große Gewächse trinken und miteinander vergleichen, Punkte verteilen, Urteile abwägen und begründen, drei oder vier Weingüter pro Tag besuchen (nach einem minutiösen Plan), von Termin zu Termin hetzen. Wie habe ich doch geschrieben? Die „Magie des Ortes“ genießen.

 

Ausruhen nach dem Stadtrundgang auf dem Münsterplatz in Freiburg (Foto: P. Züllig)

Das sieht dann etwa so aus: Stadt- oder Ortsrundgang, wenn möglich mit Führung. So beschnuppert man zuerst den Ort, an dem man sich für ein paar Tage aufhält, kann Prioritäten setzen, Besonderheiten erspüren, den Besuch von Sehenswürdigkeiten planen, Einkehrmöglichkeiten erkunden. Rebberge und Winzer stehen noch nicht im Vordergrund, es interessiert vielmehr das, was eine Region alles zu bieten hat. Wir waren diesmal also in Freiburg (im Breisgau), in der grünen Stadt im Badischen, die uns das Lebensgefühl einer Innenstadt nach menschlichem Maß vermittelt hat. In dieser Atmosphäre kann sogar ein badischer Gutedel dem Riesling-Fan schmecken. Jedenfalls stelle ich immer wieder fest, wie sehr die Stimmung an einem Ort, in einer Stadt, in einer Landschaft mit dem Ess- und Trinkgenuss verknüpft sein kann. Das Schäufele mit Kartoffelsalat, ein Gutedel-Weinsüppchen, Ochsenbrust mit Meerrettichsauce, ein Apfelküchle, Zibärtle (ein Edelbrand aus Wildpflaumen) zum Verdauen, all das schmeckt besonders gut dort, wo es eben hingehört, in der Küchentradition einer Region.

 

Culinara (Foto: P. Züllig)

Noch vor den Winzern kommen die Reben, die Weinberge. Etwas, das beim Wein-Tourismus oft sträflich vernachlässigt wird: der Ort, wo die Reben wachsen. Meist verschwindet man nur allzu rasch im Degustationsraum eines Weinguts, wagt sich vielleicht bis in die Fasskeller vor und verabschiedet sich nach der Verkostung und dem Beladen des Autos mit ein paar gekauften Flaschen. Weingut abgehakt, war interessant, war nett, war aufschlussreich. Man hat vielleicht sogar die Winzerin, den Winzer, die Tochter oder den Sohn des Winzers kennengelernt. Die üblichen Fragen: Spontangärung, Zuchthefe, Flaschenverschluss, Barriqueausbau, großes Fass, Rebsorten, Lagenbezeichnung und, und, und. Nicht nur der Winzer, auch die Fragenden verfallen rasch in Routine. Und schon ist man bei den kleinen Unterschieden: Ist jene Lage nun besser oder diese, ist jene Cuvée überzeugender als diese, hat der Wein kein, zu viel oder wenig Holz? Da verlasse ich jeweils gern den Raum (mein Fotoapparat ist ja ein guter Vorwand) und verschwinde im nächstliegenden Rebberg, hoffend, dass meine Freunde Ausdauer bei der Weindegustation haben.

 

Rebberg in Weil am Rhein (Foto: P. Züllig)

Auch diesmal war es wie fast immer: Was ich vor Ort erlebe, ist ganz anders als das, was ich mir – aufgrund meiner geografischen Kenntnisse, der Touristikbilder und der Weinerfahrung – ausgemalt habe. Achkarren ist nicht einfach nur eine deutsche Spitzenweinlage, sondern tatsächlich ein Höhenzug am Kaiserstuhl, mit Löss- und verwitterten Vulkanböden; der Kaiserstuhl ist nicht einfach nur ein Mittelgebirge, das sich vom Michaelsberg bis zum Fohrenberg hinzieht, sondern auch ein Anbaugebiet für die Rebsorten Riesling, Silvaner, Spätburgunder, Grauburgunder, Weißburgunder, Gewürztraminer… meist auf Hängen, die von Wäldern gekrönt sind. Was man so leichthin als badische Weine bezeichnet, stammt nicht einfach nur vom Kaiserstuhl, das Rebgebiet zieht sich dahin, von Baden-Baden bis an die Schweizer Grenze bei Weil, mit recht unterschiedlichem Terroir.

 

Gutedel im badischen Weinberg (Foto: P. Züllig)

Der Badener Gutedel ist etwas ganz anderes als der Schweizer Chasselas, der auf Deutsch ebenfalls Gutedel heißt. Und zwar liegt das nicht nur am biologischen Säureabbau und an den Klonen. Ich glaube fast, es liegt am Weinverständnis, das an fast jedem Ort ein anderes ist. Als Rotweintrinker – so hat eben jeder seine Vorlieben – haben mich die Spätburgunder besonders interessiert: Pinot Noir ist die wichtigste Rebsorte, nicht nur im Burgund oder in der Deutschschweiz, auch in Baden. Während ich auf unseren ersten Pensionistenreisen – allerdings in den etwas nördlicheren Anbaugebieten – noch durchgehend vom Spätburgunder enttäuscht war, habe ich im Badischen herrliche Pinots gefunden, die sich mit dem Blauburgunder aus der Bündner Herrschaft messen lassen. Ich habe da noch eine Wette auf den Schweizer Pinot laufen, und ich fürchte, ich könnte sie sogar verlieren. Ausgerechnet in Weil, an der Schweizer Grenze, habe ich den besten jungen Pinot der letzten Zeit verkostet. Und an einem der Abende – auch dies gehört zu einer typischen Pensionistenreise – habe ich einen ausgezeichneten Spätburgunder aus der Pfalz getrunken – allerdings war der schon acht Jahre alt und hat das sonst meist dominierende Holz jetzt bestens integriert.

 

Ein badischer Spätburgunder vom Weingut Dr. Heger in Ihringen (Foto: P. Züllig)

Ich weiß, jetzt vermissen Sie Namen: Huber, Johner, Salwey, Schneider, Heger, Stigler… Nein, wir haben sie nicht alle besucht. Es wären noch ein paar mehr, die als Spitzenwinzer bezeichnet werden, wenn man von Badischen Weinen spricht, die auch regelmäßig höchste Noten der Weinkritiker ernten. Wir sind zwar da und dort eingekehrt in den Verkostungsräumen, wir haben den einen oder andern Winzer getroffen. Dies gehört (auch) zu einer Weinreise nach Pensionistenart. Doch wir haben auch Zeit genutzt für das Kunstmuseum, für einen Spaziergang auf dem Hausberg von Freiburg, den Schauinsland, der allerdings gerade mit dem Nebel kämpfte. „Wein trinken an schönen Orten“, nennt sich eine frei zugängliche Seite auf Facebook:  „nicht verkosten, einfach trinken, nippen, probieren, bereden, genießen und darüber schreiben!“ Anders ausgedrückt: sich in Weingebieten von der Magie des Ortes leiten lassen.

Herzlich
Ihr/Euer

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