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Der Begriff Indochina darf kaum mehr verwendet werden. Gemeint ist das einstige Kolonialreich Frankreichs: Laos, Vietnam und Kambodscha. Das sind heute drei selbständige Staaten, jedes Jahr bereist von Millionen Touristen. Auch ich war dort – bin soeben zurückgekehrt, den Jetlag noch in den Knochen. Und schon werde ich gefragt: Wie ist es denn mit dem Wein? Da kommt mir ein Witz in den Sinn, der seit Jahren zirkuliert, der sich aber auf ein ganz anderes Land bezieht: „Reisen Sie ruhig nach Polen, Ihr Auto ist schon dort!“ So habe ich – weinmäßig – Vietnam und Kambodscha erlebt. Weine aus Weinländern sind längst schon da, in jedem Restaurant, auf allen Getränkekarten, in allen Regalen, wo Lebensmittel verkauft werden. Die drei Länder haben weinmäßig aufgerüstet, sie sind es den Touristen schuldig. Auf unserem Schiff – sieben Tage auf dem Mekong – wurde bei jedem Essen Wein ausgeschenkt, à la discrétion, im Preis inbegriffen, ein roter und ein weißer, aus der Karaffe. Es sei ein einheimischer Wein, sagte man mir. Doch ich glaubte das nicht. Die Etiketten durfte ich nie sehen. Bei meinen Recherchen drang ich nicht bis zur beschrifteten Quelle vor. Doch ich bin überzeugt, es musste irgendein Händlerwein (aus einem Stahlfass oder einer Box) sein, importiert aus Australien oder Chile.

Gutes Essen auf dem Schiff – belangloser Wein (Foto: P. Züllig)

Präsentiert werden – zumindest dort, wo Touristen hinkommen – ausschließlich Weine aus den Ländern Chile (weitaus am häufigsten), Argentinien, Australien, Südafrika, dazu meist noch ein Wein aus Frankreich (Bordeaux oder Rhône). Lange habe ich Ausschau gehalten nach dem einheimischen Wein, den es zumindest in Vietnam gibt, angebaut nur in einem einzigen kleinen Gebiet um Dalat, dem noch heute französisch anmutenden Erholungsort, wohin einst die hitzegeplagten Colons, wie die Franzosen genannt wurden, geflüchtet sind. Dalat liegt im südlichen Teil des zentralen Berglands an einem Stausee, gut 200 Kilometer nördlich von Saigon, in einem milden Klima, in dem in Südostasien auch eher selten anzutreffende Früchte wie Kaffee, Erdbeeren und Trauben wachsen. Leider – es war ja auch keine Weinreise – haben wir diesen Ort, „wo Milch und Honig fließen“, nicht besucht. Unser Reiseweg führte – vor allem auf dem Mekong – Richtung Süden nach Kambodscha bis zu den Tempeln von Ankor. In dieser Gegend können – schon rein klimatisch, aber auch in Bezug auf den Boden – kaum Reben gedeihen, nicht einmal für Tafeltrauben, geschweige denn für guten Wein. Die Trauben auf dem lokalen Markt stammen alle aus Australien, sagte man mir.

Trauben aus Australien auf dem Markt (Foto: P. Züllig)

Am vierten Tag unserer Reise war es dann doch so weit: In einem Restaurant gab es endlich den ersehnten vietnamesischen Wein, natürlich aus Dalat, ausgerechnet am Geburtstag meiner Frau. Um ehrlich zu sein, ich hätte ihr einen besseren Geburtstagswein gegönnt. Der zweite Wein des Abends war ebenfalls kein echter Aufsteller: Ein argentinischer Wein, Malbec Trivento aus Mendoza. Eher ein Dutzendwein, mit Holz, kräftiger Struktur und all den Eigenschaften, die den Wein auch für Weinbliebhaber zwar trinkbar machen, den man aber sicher nicht an einem Geburtstag auf den Tisch stellt. Nun, wir waren ja auch nicht irgendwo in Europa, sondern in einem Land, das – wie man uns gegenüber immer wieder beteuert hat – kein Weinland ist, trotz der französischen Kolonialzeit, die mit Bestimmtheit einst auch Weinsitten ins Land gebracht hat. Davon ist heute kaum mehr etwas zu spüren. Die Weinkarten in den Restaurants sind ausschließlich auf Touristen ausgerichtet, der einheimische Wein – obwohl es ihn gibt – wird eher versteckt (zumindest in Hanoi und Saigon) und den fremden Gästen kaum zugemutet. Eine typische Weinkarte enthält mindestens einen französischen Wein, sehr oft Mouton Cadet oder Baron Philippe de Rothschild – mitunter ein mir völlig unbekanntes Weingut aus dem Bordelais oder von der Rhône.

Weinkarte in einem 5-Sterne-Hotel (Foto: P. Züllig)

Mein erster Eindruck vom einheimischen Wein: interessant, aber für unser Aromen-Spektrum eher ungewohnt und nur sehr schwer einzuordnen. Ich versuche die Rebsorte zu erahnen, lese (schon fast verzweifelt) das Etikett. Ein Jahrgang ist nicht aufgedruckt, der Alkoholgehalt: 12% vol. Zur Rebsorte: „Blended from Cardinal and Syrah varieties“. Aus der Traube Cardinal – bei uns so gut wie unbekannt – wird vor allem in Vietnam und Thailand Wein gemacht. Liegt darin die für uns etwas ungewohnte Aromatik? Ich vermute viel eher, dass der Begriff „varieties“ (Sorten) etwas allzu großzügig interpretiert wird. Das heißt, dass auch andere Früchte – wie zum Beispiel Maulbeeren – dem Aroma Schützenhilfe geben. Wenn nicht „Export“ auf der Flasche stehe, so sagte man mir, seien auch Maulbeer- und/oder Obstsäfte drin.Ich habe zwei Flaschen aus Vietnam mitgebracht und ich werde – wohl in der nächsten Kolumne –, sobald ich die Weine nachverkostet habe, etwas ausführlicher darüber schreiben. Ob Maulbeeren, Obstsäfte oder gar Palmsaft darin verarbeitet werden – oder nicht –, stört wohl eher die Reinheitsfanatiker, nicht aber den Weintrinker, der offen ist für neue Erfahrungen. Jedenfalls habe ich auch einen reinen (Original-) Palmwein aus Kambodscha mitgebracht und freue mich schon jetzt auf die Degustation.

Wein aus Vietnam (Foto: P. Züllig)

Sonst aber ist die Weinerfahrung in Vietnam (und Kambodscha) eher eintönig, langweilig und dem eher gehobenen Massentourismus angepasst. Internationale Hotels mit internationalen Weinen, zumeist Händlerabfüllung und ab und zu – im internationalen Weingeschäft – eher bizarre Rebsorten und Weine. Mehrmals stieß ich auf einen Pinotage aus Südafrika, einen Wein, den ich zwar (wegen seiner Eigenwilligkeit) schätze, aber nicht unbedingt in Vietnam erwarte, allein schon wegen seiner eingeschränkten Mehrheitsfähigkeit.

Immer wieder habe ich den einen Satz gehört und wohl auch verstanden: Vietnam ist kein Weinland, weder in Bezug auf die Produktion, noch bei der Nachfrage der Konsumenten. Es sind die Touristen, die hier Wein erwarten und trinken. Anders als in China ist der Wein auch kein Prestige-Objekt und damit nicht Ausdruck von Wohlstand, Ansehen und Macht. Wein wird – anders als in China – auch nicht aufgrund des Flaschenpreises beurteilt, aber auch nicht über seine Qualität definiert. Er ist und bleibt einfach ein wichtiges Segment im touristischen Angebot, pragmatisch aufgestellt (etwa fünf Rotweine und fünf Weißweine), überall dort, wo Touristen ein- und ausgehen und konsumieren.

Hotel in Hanoi aus der Kolonialzeit (Foto: P. Züllig)

In einem Punkt unterscheidet sich weinmäßig Vietnam von Kambodscha. Vietnam produziert eigenen WeinKambodscha (meines Wissens) nicht. Doch Vietnam ist nicht stolz auf seinen eigenen Wein. Die Euphorie – die auch im Weinbau nach der Verabschiedung von der Planwirtschaft in den späten 1980er Jahren aufkam – hat sich längst gelegt. Werberestriktionen in Bezug auf alkoholische Getränke haben mögliche Investoren abgehalten. Etwa drei oder vier Weingüter oder Weinproduzenten (auch Abfüller) sind auszumachen, doch ohne gegenseitige Konkurrenz und schon fast „hinter den Kulissen“ agierend, wie man mir immer wieder bestätigt. Die Weinproduktion in Vietnam gibt es, aber sie scheint sich noch kaum von der einstigen Planwirtschaft gelöst zu haben.

In Kambodscha hingegen versucht man, auch beim Wein eine gewisse Eigenständigkeit (die gehört zum Nationalstolz, der hier ausgeprägt ist) zu erreichen. Am letzten Tag unserer Reise bin ich bei meiner Suche nach kambodschanischem Wein (fast) fündig geworden. Im gekühlten Weinschrank eines Restaurants entdeckten meine Reisegefährten – sie halfen mir bei meiner Jagd nach einheimischen Weinen – je einen Roten und einen Weißen, beschriftet in Englisch und Khmer, also kambodschanischen Wein. Doch dann – ich wollte die Flaschen schon kaufen – entdeckte ich in winzig kleiner Schrift: „Wine from Australia“. Eine herbe Enttäuschung! Es tröstete mich nur die Aussicht, dass ich nun doch kein Übergewicht für das Gepäck beim Rückflug bezahlen muss. Zu spärlich sind die Weintrophäen, die mit mir zurückreisen konnten (oder mussten).

Herzlich
Euer/Ihr

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