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Es gibt viele Gründe, sich ernsthaft mit österreichischen Weinen zu befassen: ihr wiedererlangter guter Ruf, die hohe Qualität, die verlockenden Preise. Für mich ist es nicht zuletzt auch der Umstand, dass meine Frau den Blauen Zweigelt liebt, und der ist nun mal ein Österreicher. Einige Versuche der Annäherung liegen hinter mir, doch immer wieder habe ich sie abgebrochen, bin auf halbem Weg stehen geblieben und „weiß (jetzt), dass ich (noch) nichts weiß“.

Ein Geständnis, dass mir zwar schwer fällt, denn in der Welt der Weine darf man – so meine Erfahrung – nicht „nichtwissen“, sofern man seine eigene Weinkompetenz nicht aufs Spiel setzen will. So ganz total ist mein Nichtwissen allerdings auch wieder nicht. Koal, ein österreichisches Urgestein in Sachen Weinkompetenz, hat mich während gut vier Stunden auf der ProWein durch die Wunderwelt der österreichischen Weine geführt, mit Halt nur bei den Besten der Besten. Nach gut zehn Weingütern und dreißig Weinen war ich vom österreichischen Wein überzeugt, aber gleichzeitig auch so müde, dass die Überzeugung in mir keine Wurzeln schlagen konnte. Doch seither weiß ich, dass der geballte Marktauftritt der österreichischen Weinwirtschaft bewundernswert ist. Davon können wir Schweizer nur träumen. Viel mehr als diese Erkenntnis und ein paar klingende Namen sind bei mir (in Sachen österreichische Weine) nicht hängen geblieben.

 

Beeindruckender Marktauftritt der Österreicher auf der ProWein in Düsseldorf (Foto: P. Züllig)

Zurück im Alltag erfahre ich fast täglich, was ich eigentlich lange weiß: Österreichische Weine werden von den überpräsenten Franzosen und Italienern – ja, sogar von den immer selbstbewusster auftretenden Deutschen –  ins Abseits gedrängt. Man hat zwar schon lange zur Kenntnis genommen: Sie machen gute Weine, die Österreicher. Weingebiete wie das Burgenland, der Neusiedlersee, die Steiermark sind sicher eine Reise wert. Und doch ist diese – bei mir – noch nicht zustande gekommen. Warum nicht? Eigentlich weiß ich auch das nicht: Bequemlichkeit, Gleichgültigkeit, Trägheit, andere Prioritäten in Sachen Wein? Zwar habe ich kürzlich an einer Verkostung teilgenommen: österreichische Veltliner. Ich bin extra hingefahren, habe bezahlt für die Verkostung und mich über die guten Weine gefreut, die – in diesem Fall – mit dem Spargel wunderbar harmonierten. Doch was ist geblieben? Ein paar Fotos, eine Liste der verkosteten Weine, eine Bewertung durch etwa 15 Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Viel mehr nicht. Es waren alles Weine aus dem Kremstal, und die „Sieger“ trugen Namen, die sogar mir nicht ganz fremd sind: Martin Nigl, Alwin Jurtschitsch, Schloss Gobelsburg. Doch all das muss ich jetzt den spärlichen Unterlagen entnehmen, nur dort ist das Erlebnis festgehalten, in meinem Gedächtnis, in meiner sensorischen Erinnerung hat es sich längst verflüchtigt.

 

Weinprobe „Grüner Veltliner“ bei Vinifera-mundi in Zürich (Foto: P. Züliig)

Was tun, um die Situation zu verändern? Ich mache das, was wohl jeder Weinliebhaber tut, wenn er ein ihm noch wenig bekanntes Weingebiet kennen lernen möchte. Flüchtige Recherchen im Internet, dann aber Aufbruch in die reale Welt, ein Gang zu Weinhändlern des Vertrauens, möglichst in der Nähe. Wenn nicht rasch ein paar österreichische Weine ins Glas kommen, ist der nächste (wievielte?) Versuch der Annäherung bereits wieder gescheitert. Doch auch das verläuft nicht ganz so reibungslos. Ob im Coop, im Supermarkt, bei Aldi, ja selbst in guten Weinhandlungen ist das Sortiment an Kaliforniern, Australiern, Italienern, Spaniern und natürlich Franzosen groß und eindrucksvoll. Aber Österreicher? In unserem Coop-Markt habe ich keinen einzigen Wein aus Österreich gefunden, bei Aldi deren zwei. Bei meinen bevorzugten Weinhandlungen in der Nähe steht bei einem überhaupt kein Österreicher im Regal, der zweite führt deren zwei, einen weissen und einen roten, beide vom Schloss Gobelsburg. Die dritte Weinhandlung hat immerhin ein kleines österreichisches Sortiment, Weine von Johann Böheim, Paul Kerschbaum, K + K Kirschbauer, Morandus Wieder, Josef Pöckl, Johann Schwarz und Johann und Maria Scheiblhofer. Wenn das kein Angebot ist! Wie konnte ich nur so lange an so klingenden Namen vorbeigehen? Schnurstracks mache ich mich also auf Weg, go on to Austria in Switzerland.

 

Vinothek in der Schweiz (Rapperswil) mit einem Angebot an österreichischen Weinen (Foto: P. Züllig)

Es ist Samstagmorgen, ich bin wohl der erste, der das Geschäft betritt. Doch ich bin wild entschlossen, an diesem Wochenende ein paar österreichische Weine ins Glas zu zwingen. Ich frage nach Rotweinen aus Österreich (weil ich die Roten bevorzuge). Der Händler schaut mich leicht zweifelnd oder erstaunt an. Österreicher? Mir scheint, als habe er nicht recht verstanden. Österreicher! Ich wusste ja bereits (aus dem Internet), dass der Händler zwar nicht viel, aber doch ein paar prominente Namen führt. Drei Weine möchte ich kaufen, zum Probieren, zum Verkosten, zum Vergleichen. „Was empfehlen Sie mir, aus jeder Preisklasse?“ Nun – das mit der Preisklasse ist so eine Sache: Die meisten Weine kosten um 25 Schweizer Franken, nur ein Wein unter 20 und drei Weine zwischen 50 und 150 Franken. Da machte ich aber – erstmals – große Augen. Ein österreichischer Wein, der 145 Franken kostet? Die Cuvée Kerschbaum war bisher mit 65 Franken der teuerste österreichische Wein, den ich je getrunken habe (Blaufränkisch, Zweigelt und Cabernet Sauvignon). Natürlich wollte ich sofort wissen, was es mit der teuren Cuvée Batonnage auf sich hat: „Mit einer Auflage von 570 Flaschen ist sie eine absolute Rarität. Erich Scheiblhofer, Gerhard Kracher, Christian Tschida und zwei weitere Freunde gründeten eines Nachts den Club Batonnage, um besondere Weine zu verkosten. In dieser Nacht wurde beschlossen, einen noch nie da gewesenen Wein zu kreieren. Dieser Wein, der eigentlich nur provozieren sollte, gewann auf Anhieb Gold auf der International Wine Challenge in London.“ Meine erste Erkenntnis: Auch die Österreicher können also Legenden schaffen.

 

Architektonische Visitenkarte des Weinguts Scheiblhofer in Andau% Österreich (Foto: Artemide)

Doch mir geht es nicht um Legenden. „Herkunft“ nennt es der deutsche Winzerblogger Dirk Würtz, was ich suche, österreichische Herkunft: „Die Herkunft ist quasi die Erbanlage, das gute Gen, das ein Wein mitbekommt. Grundsätzlich ist dieses gute Gen für mich die Voraussetzung aller potenziellen Größe, Einzigartigkeit und Ausdruck eines Weines. All das natürlich nur dann, wenn derjenige, der diesen Wein macht, auch auf alle Dinge Wert legt“. Gut gesagt! Es beginnt schon mit den Rebsorten: Sind Cabernet Sauvignon, Cabernet Franc und Merlot wirklich Österreicher? Sind die nicht viel mehr in Bordeaux, inzwischen ja auch in allen Weinwelten zuhause? Es wäre ja gelacht, wenn die Österreicher den Bordeaux-Blend nicht auch entdeckt hätten!

Etwas schüchtern frage ich nach einem Zweigelt. Doch, den gibt es auch, er muss aus dem Keller geholt werden, denn er ist im Laden kaum gefragt und geht hauptsächlich an Restaurants. Wer fragt hier schon nach einem Zweigelt. Wir kommen ins Gespräch, der Händler und ich. Tatsächlich liege ich nicht falsch mit meiner Beobachtung: Österreichische Weine lassen sich hier (in der Schweiz) kaum vermarkten. Es sind Weinliebhaber, die so etwas suchen, und diese haben ihre eigene Quelle (meist im Internet), es sind Restaurants, die österreichische Gerichte anbieten, es sind Verrückte (damit meinte er wohl mich!), die mal etwas Neues suchen. Ja, ich habe gesucht (wenn auch nur vor meiner Haustür) und gefunden, damit zum ersten Mal eine österreichische Annäherung geschafft. Und?

 

Österreichische Weine auf dem Prüftisch (Foto: P. Züllig)

Nach fünf Weinen (bei Aldi kaufte ich noch einen fünften für 5 Franken dazu) ziehe ich ein erstes Fazit: Es hat sich gelohnt. Selbst der 5-Franken-Wein (ein Zweigelt) war etwas Eigenständiges, gut Trinkbares, auf die Größe verzichte ich in diesem Fall. Warum nicht immer wieder etwas wagen, weg von dem Bekannten, das man seit Jahren trinkt? Warum nicht Weingebiete für den eigenen Konsum erschließen, die nicht immer wieder ähnliche Aromen in unzähligen Varianten anbieten, die man dann (natürlich als Kenner) in meist beckmesserischer Art beurteilen, vergleichen und bewerten kann? Neue Geschmackserlebnisse, neue Erfahrungen bringen viel mehr Genuss.

Dies ist vielleicht der wichtigste Grund, warum ich mich mit österreichischen Weinen befasse, befassen will. Immer wieder das andere suchen. Ob es gelingt? Ich bin nicht anders als die meisten Weinliebhaber. Im Zweifelsfall setze ich auf das Bekannte. Deshalb habe ich meine Zweifel – allein schon aufgrund meiner bisherigen Erfahrungen. Bin ich doch immer wieder – früher oder später – zurückgekehrt in meine Weinheimat, dorthin, wo ich einst weinsozialisiert worden bin. Und das ist halt – man verzeihe mir – bei den Franzosen.

Herzlich
Ihr/Euer

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