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Anlass: zwei Reisen ins Périgord. Wir waren im Sommer dort, unsere Freunde jetzt, und sie sind soeben zurückgekehrt. Gelockt hat uns alle Bruno, Chef de Police, die Romanfigur des schottischen Schriftstellers Martin Walker, der seit Jahren im Tal der Vézère zu Hause ist. Seine vier Kriminalromane – im Diogenes-Verlag erschienen – kreisen immer wieder um die Lustbarkeiten des Essens und Trinkens: Trüffel, Foie gras, Monbazillac, Pécharmant... Delikatessen eben. Wenn uns schon Bruno Courrèges – oder Martin Walker – verführt hat, seine Romanwelt zu suchen, dann muss das, was wir gefunden haben, auch zu Hause ausgebreitet werden. Es sind nicht nur Erinnerungen, Eindrücke, Erlebnisse – es sind auch Delikatessen. So entwickelt  sich ein Abend von angeregten Gesprächen über das Essen zum Wein, von Saint-Denis (Fantasieort des Autors) bis Saint-Émilion. Alles war da, was Bruno charakterisiert und den Büchern von Walker die Titel gab: „Grand Cru“, „Schwarze Diamanten“, „Delikatessen“, ja, selbst „Bruno, Chef de Police“, war dabei – zumindest die gefundenen Spuren.

Périgord-Abend zu Hause – begleitet von den Brunos Delikatessen (Foto: P. Züllig)

Barbara hat alles – ganz im Sinn von Bruno – zubereitet. Foie Gras – natürlich mit frischen Feigen, begleitet von „Ainsi-soit-il“, einem Süßwein vom Château Montdoyen in Monbazillac. Es muss ja nicht immer Sauternes sein, schon gar nicht in der Gegend von Bergerac. Der süße Monbazillac – so mein Eindruck – hat mehr Finessen und Frische als so mancher „dicke“ Sauternes. Orangenblüten, Zitrusfrüchte, Aprikosen, Litschi – Aromen, die sich im Wein entfalten, spielerisch den Gaumen durchziehen und nicht in Süße erstickt werden. Was ich in Süßweinen nur selten finde, hier präsentiert es sich auf eindrückliche Art: die Landschaft, das Terroir, die Weite, Anklänge an „l‘art de vivre“, einen Lebensstil, der sich auch im Wein und im Essen niederschlägt. Vielleicht müsste man des Öfteren eine Weingegend nicht nur erkunden, sondern als Tafelfreuden mit nach Hause bringen.

Foie gras – begleitet von Monbazillac (Foto: P. Züllig)

Dann der zweite Gang: Nudeln mit Trüffeln, mit ganz wenig Sahne und ein bisschen Pfeffer. Göttlich! Weinmäßig sind wir da fremd gegangen: hinüber ins Bordelais. Liegt ja auch nicht so weit weg. Ein junger Wein, der dritte Jahrgang des Weinguts Aurage von Caroline und Louis Mitjavile.

Aurage von Caroline und Louis Mitjavile (Foto: P. Züllig)
Mitjavile? Ja, der Sohn des eigenwilligen François Mitjavile (Tertre-Rôtebœuf) führt ein eigenes Weingut in Castillon, im Hinterland von Saint-Émilion. Und? Ein junger, aber typischer Mitjavile-Wein, ich bin versucht zu sagen: „ganz de Pape“ (zu Deutsch: ganz der Vater). Zwar eigenständig, aber genau so eigenwillig, persönlich, schon fast unverwechselbar, wie die Weine von Tertre-Rôtebœuf, jedenfalls weit weg von dem imagebildenden Geschmacksduo Parker-Rolland. Der Wein hat genügend Kraft und Persönlichkeit, um neben den feinen Trüffel-Aromen zu bestehen, diese aber nicht zu erdrücken.

Nun – der Mitjavile-Reigen ist eröffnet, die Verbindung vom Périgord ins nahe Bordeaux hergestellt. Beim Wild – es war Reh und nicht Wildschwein (in der Schweiz kaum zu bekommen!) – nicht minder delikat zubereitet, nach Art von Périgord – kam der zweite Mitjavile auf den Tisch: Roc de Cambes, 1999, Côtes de Bourg, der ewige „Geheimtipp“. Eine ähnliche Persönlichkeit, etwas reifer, Barbara meinte, ein leicht bitterer Abgang. Wir ließen diese Meinung gelten, sie hat ja so wunderbar gekocht. Eine Sauce, auf die sie zu Recht stolz sein kann. Nicht aufdringlich, einfach fein, wie die berühmte Sauce von Bruno, dem Chef de Police. Man sollte halt des Öfteren Bücher lesen, nicht Kochbücher, Bücher, in denen Menschen beschrieben sind, die auch genießen können.

Hauptgang Hirsch% fast wie Wildschwein (Foto: P. Züllig)

Natürlich – jetzt ist es Zeit für den Käse. Und der Wein dazu? Nochmals zurück nach Monbazillac oder weitergehen nach Saint-Émilion? Wir machen lieber eine Esspause und genießen das Original, den Tertre-Rôtebœuf, 1996. Ein ähnliches Geschmacksbild, nur noch etwas tiefer, reifer, verspielter, im Abgang deutlich länger. Ich weiß, Tertre-Rôtebœuf ist umstritten, vor allem, weil er nicht in Richtung hochentwickelter, schon fast genormter Genussqualität geht, sondern eigene Wege einschlägt und sich erst noch erlaubt, teuer zu sein. Eine andere Art von Qualität: ein ausladendes Bouquet aus verschiedenen Aromen wie Kirsche, Minze, rotem Fleisch, Cassis, Pflaume... Man kann darüber diskutieren, hat er zu viel, zu wenig Extrakt und Druck am Gaumen; hat er zu viel Eigenwilligkeit und Eigenständigkeit; dominiert zu sehr Merlot (in der Regel um 80 Prozent) und fehlen die klassischen Cassisnoten; sind es die samtenen Tannine oder die Fruchttiefe, die den Wein unverkennbar machen? Sicher sind da die Meinungen geteilt. Wir haben beim Wein da das Périgord verlassen, das auch mit seinen besten Rotweinen, den Pécharmants, nicht mithalten kann. Den überlegenen Essfreuden aus dem Land von Bruno ist eigentlich nur Bordeaux gewachsen, auch wenn der Chef de Police das nie zugeben würde.

Die Reben von Tertre-Rotebœuf% Saint-Émilion (Foto: P. Züllig)

Nach dem Käse – natürlich Blauschimmel – möchten wir es doch noch genau erforschen, dieses Anderssein von Mitjavile-Weinen. Wir öffnen Le Bon Pasteur, 2005, vom Familiengut von Michel Rolland. Ein Rolland-Wein par excellence. Wer nun glaubt, wir hätten jetzt gewettert und geschimpft, enttäuscht die Nase gerümpft und zum Hohn gegriffen, den muss ich enttäuschen. Der Wein ist elegant – hat nichts oder wenig von dem ihm immer wieder angelasteten Űberextrakt, nichts von der Vanilleprägung durch allzu viel Holz, die man in vielen Rolland-Weinen feststellen kann. Nein – der „Gute Hirte“ kann als Wein bestehen – auch neben Tertre-Rôtebœuf, aber er ist anders. Mainstreamiger, könnte man sagen, gefälliger, gewohnter, vielleicht sogar runder, eben ein anderer – ein Rolland-Wein.

Reben in Monbazillac im Périgord (Foto: P. Züllig)

Diese Erkenntnis bringt uns zurück ins Périgord, wo an diesem Abend die Essenslust zu Hause war. Die Erkenntnis: Es gibt keine Normen, wenn es um Genuss geht. Es gibt nicht einmal Normen für eine bestimmte Region, weder beim Wein, noch beim Essen. Natürlich prägt die lokale Kultur auch das Essen und das Trinken. Ess- und Trinkkultur ist übertragbar, fast überall hin, auch nach Hause. So kann man an einem einzigen Abend mehr Périgord und mehr Bordeaux erfassen, als dies mit noch so langen Weinbeschreibungen und Rezepten möglich ist. Ein paar Trüffel-Krumen, zwei, drei kleine Gänseleberschnitten, drei, vier ausgesuchte Weine bringen andere Welten, andere Kulturen ins Haus. Man muss sich ihnen nur widmen, man muss sie nur den eigenen Wünschen und Bedürfnissen anpassen. So hat ein Trüffel den Weg über Bordeaux bis in die Schweiz gefunden. Jetzt ist er – in der Erinnerung – auch hier zu Hause.

Herzlich
Ihr/Euer

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