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Vielleicht war es wirklich eine Weltpremiere, als kürzlich der Drache (englisch: Dragon) gegen das Schaf (französisch Mouton) angetreten ist, bei einer privaten Degustation mit Weinen aus China und Bordeaux. „Dragon“ steht für Chinas Weinproduktion, denn „Noble Dragon“ aus Schandong gehört zu den bekanntesten chinesischen Weinen und „Dragon Seal“ in Peking zu den Pionieren unter den Weingütern Chinas. Mouton hingegen, das Schaf, repräsentiert das Multiunternehmen der Rothschilds, das in Bordeaux seinen Stammsitz hat.

 

Weltpremiere einer Weindegustation: China gegen Bordeaux

Wer über Chinas Weine etwas weiß, der assoziiert diese rasch einmal mit Massenproduktionen im Stile von „Mouton Cadet“ aus dem Hause Rothschild, sind doch gewisse Rahmenbedingungen verblüffend ähnlich: mehr als 300 Zulieferer aus einem großen, definierten Weingebiet, modernste Technik in der Verarbeitung, riesige Mengen als Output, streng kontrollierte, immer gleichwertige Qualität, weltweite Vermarktung… Da will und kann China bereits heute mithalten. Allein schon „Dragon Seal“ – eines von etwa 10 großen Weingütern – produziert über 4 Millionen Flaschen pro Jahr. Ein anderes Unternehmen, „Changyu“ in Yantai, die älteste Weinkellerei Chinas, verfügt heute über eine Rebfläche von 4600 Hektar, und die Hua Xia Winery mit dem wohl populärsten chinesischen Wein „Great Wall“ hat die jährliche Produktion in acht Jahren von 8000 auf 46000 Tonnen gesteigert. Wie aber steht es mit der Qualität?

 

Produktionsentwicklung bei Great Wall

Genau dies wollten wir also nun genau wissen. Lässt sich „Mouton Cadet“ mit den chinesischen Weinen (aus der gleichen Preisklasse (um 10 Euro) vergleichen? Können die Dragons und Great Wall mithalten. Sie können! Blindverkostung: Mouton Cadet, Great Wall (Huaxia Selection) und Golden Dragon aus der Gegend von Qinhuangdao. Spontane Rangordnung: an die Spitze setzte sich der „Golden Dragon“ (Weinproduzent nicht deklariert) vor „Great Wall“ und – abgeschlagen - Mouton Cadet. Die Differenzierung der einzelnen Weine war nicht ganz einfach. Alle drei bewegten sich im Bereich sauber, fruchtig, vollmundig, frisch, knackig und was man eben so schreibt, wenn man einen recht durchschnittlichen Weincharakter charakterisieren muss.

Hoppla, das war bereits ein Schuss vor den Bug. Die Drachen können bestehen, sie sind sogar dem Schaf überlegen. Das muss am Jahrgang von Mouton Cadet (2007) liegen oder an der Lagerung im Superdiscount. Dachten wir!

 

Produktionsanlage: Weintanks auf Dynasty (verkleinert)

Deshalb sofort zur nächsten Runde. Diesmal aus dem weit höheren Segment: Dynasty aus Tianjin und Huadong-Parry (Founder’s Reserve) aus Qingdao verglichen mit Pavie (St-Emilion) und Grand-Puy-Lacoste (Pauillac). Die beiden chinesischen Weine haben wir im Handgepäck von unserer Weinreise durch China mitgenommen, die beiden Bordeaux stammen aus meinem Keller. Pavie ließ sich vor allem mit Dynasty vergleichen, beide sind merlotbetont. Der Dynasty-Wein entspricht dem chinesischen Luxus-Segment – Preisklasse um 200 Euro – und ist für den chinesischen Markt (für Prestigeanlässe) bestimmt. Wir haben den Wein (als Ehrengäste) auf dem Weingut verkostet, konnten ihn aber dort nicht kaufen. Eine Flasche ohne Etikette wurde uns hingegen mitgegeben. Jahrgang nicht ganz klar: wohl 2000.

 

Schweizer Wein-Expedition in China. Hier auf Vineyard Dynasty in Quingdao

Und wieder hat er die Konkurrenz geschlagen. Obwohl der chinesische Wein noch deutlich zu jung war (der Pavie hingegen war ein 1994er), zeigte er doch Ausgewogenheit, Kraft, Frucht und Präsenz, dass wir nur so staunten. Nur ein Bordeaux – der hervorragende 2000er Lacoste – konnte in dieser Runde mithalten. Ihm folgte dicht der Dynasty, dann der Huadong-Parry doch schon mit einigem Abstand. Der Pavie hingegen fiel deutlich ab. Jetzt wurde es uns schon etwas unheimlich. So starke Chinesen! Nicht vergleichbar mit dem, was wir hier in Europa als „chinesische Weine“ ab und zu als Exoten ins Glas bekommen. Dieses Top-Segment in der chinesischen Weinproduktion ist darauf angelegt, die teuren Weine aus dem Bordelais zu konkurrenzieren. Man sagte uns in China immer wieder. „Wir möchten uns im Spitzenbereich bald einmal mit den besten Bordeaux messen! Daneben produzieren wir möglichst gute Massenweine, einerseits um den Weinkonsum in China anzukurbeln, anderseits für den Export. Das Potential für chinesischen Wein ist vorhanden.“

 

Einladung auf Vineyard Dynasty. Das Essen wird begleitet vom Spitzenwein des Weinguts

Die weiteren drei Runden (mit je vier Weinen) verliefen ähnlich. Zwar haben sich die Bordeaux-Weine (unter anderem Cos d’Estournel 2002, Lafite Rothschild 1979, Sociando-Mallet 2003, Lagrange, 1961!) in der Regel an die Spitze gesetzt, doch die Chinesen konnten immer wieder mithalten. Die größte Schwierigkeit beim Vergleich war das Alter der Weine. China hat zwar eine Tradition im Weinbau, doch diese wurde während vielen Jahren und Jahrzehnten unterbrochen und erst Ende der 80er Jahre wieder aufgenommen. Die ältesten zwei Weine aus China waren die Jahrgänge 1992 und 1995, vom Weingut Changyu Castel (Yantai). Diese degustierten wir dann blind zusammen mit Lafite und Lagrange. Ein etwas ungerechter Vergleich, zugegeben. Umso erstaunlicher dann das Resultat. Die „ältesten“ Chinesen waren noch jugendlich, frisch und so präsent im Gaumen, als wären sie erst vor fünf Jahren in die Flasche gekommen.

 

Modernste Produktions- und Abfüllanlagen auf Great Wall

Über das wirkliche Alterungspotential lässt sich nur mutmassen. Doch eines ist nach dieser Blindverkostung für mich gewiss: da rollt aus China etwas auf uns zu! Es wird zwar noch einige Jahre oder Jahrzehnte dauern, bis der Rückstand auf die „alte Weinwelt“ aufgeholt ist. Das Schaf muss den Drachen noch nicht fürchten, aber zumindest ihn erst nehmen. Denn das Reich des Drachen ist grösser, weit zielorientierter, zudem strebsam und mit dem besten Know-how und der modernsten Technik aus der „alten Weinwelt“ ausgerüstet. Davon bin ich jetzt – nach unserer Reise durch Wein-China und unserer Degustations-„Weltpremiere“ – restlos überzeugt.

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