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Die Vorgänge im Domänenweingut Schloss Schönborn in Hattenheim (Rheingau) werden die Staatsanwaltschaft Wiesbaden in den kommenden Monaten weiter beschäftigen. Im Oktober 2012 hatten Ermittler den Rheingauer Betrieb von Paul Graf von Schönborn sowie sein Gut in Hallburg (Franken) wegen Verstößen gegen das Weingesetz durchsucht. Am 28. August 2013 erklärte Graf Schönborn in einer Pressekonferenz, nach Einsicht in den Prüfungsbericht der Weinkontrolle verzichte er freiwillig auf die AP-Nummern von 22 Weinen aus der Rheingauer Domäne und dreien aus seinem fränkischen Gut. Damit wurde es still um den spektakulären Fall, über den auch überregionale Medien berichteten. Doch auf Anfrage von Wein-Plus erklärte nun Hartmut Ferse, der Sprecher der verantwortlichen Staatsanwaltschaft Wiesbaden: „Wir haben neue Erkenntnisse gewonnen. Die Ermittlungen können sich ausweiten.“ Wann das Verfahren zum Abschluss komme, sei „nach dem aktuellen Sachstand völlig offen“. Weitere Details könne er aufgrund des laufenden Verfahrens nicht nennen. Er bestätigte lediglich, dass der ehemalige Rheingauer Betriebsleiter „bislang der einzige Beschuldigte“ sei.

Anonymer Hinweis löst Ermittlungen aus

Obwohl der Abschlussbericht der Weinkontrolle seit Ende August vorliegt% ermittelt die Staatswaltschaft weiter. (Symbolfoto: Wein-Plus)
Bei der Durchsuchung der Staatsanwaltschaft, die fast acht Stunden dauerte, beschlagnahmten 13 Polizisten auch Computer und Akten. Kurz darauf wurde auch das fränkische Schönborn-Weingut Schloss Hallburg durchsucht, im April 2013 kamen die Ermittler ein zweites Mal. Ausgelöst wurde die Ermittlungen durch einen anonymen Hinweis, der 2012 bei den Weinkontrolleuren des Hessischen Landeslabors in Wiesbaden einging. Das bestätigte Oberstaatsanwalt Ferse. Der Landesbetrieb ist für die Lebensmittelüberwachung in Hessen verantwortlich. Üblicherweise untersuchen die Weinkontrolleure solche sehr seltenen Hinweise mit einer Betriebsbegehung und schreiben einen Untersuchungsbericht an ihre Ahndungsstelle beim zuständigen Regierungspräsidium in Darmstadt. Dort veranlassen die Verantwortlichen bei Ordnungswidrigkeiten das Verschicken von Bußgeldbescheiden – oder sie übergeben die Berichte bei Verdacht auf Straftaten an die Staatsanwaltschaft. Das ist im Fall Schönborn offenbar geschehen. Doch zu dem Hinweis und den Untersuchungsergebnissen bei Schloss Schönborn wollte Landeslabor-Pressesprecher Dr. Robert Wohlfarth „aufgrund des laufenden Ermittlungsverfahrens“ keine Angaben machen – obwohl die Kontrolleure des Labors bereits Ende August ihren Abschlussbericht abgeliefert haben.

Mostkonzentrierung, Zusatz von Weindestillat, unzulässiger Weinverschnitt

In der Pressekonferenz auf Schloß Hallburg machte Paul Graf Schönborn einige Feststellungen der Weinkontrolle öffentlich – und die sind beträchtlich: Zwei fränkische Müller-Thurgau-Weine seien unzulässig verschnitten worden, ebenso ein dritter Wein, eine Sonderfüllung für einen Kunden. Dazu kommen die viel schwereren Vergehen aus dem Rheingau: Der Verschnitt von Rheingauer Weinen mit Wein aus einem anderen Anbaugebiet, der unzulässige Zusatz von Weindestillat zur Alkoholerhöhung von Trockenbeerenauslesen, der Verschnitt von Lagenweinen mit Weinen aus anderen Rheingauer Lagen, unzulässige Mostkonzentration bei einem QbA-Wein aus der Hochheimer Domdechaney sowie die unzulässige Reduktion des Schwefelgehalts eines Sektgrundweins. Die betroffenen Weine tragen teils Etiketten mit den allerbesten Lagen des Rheingaus, wie dem Erbacher Marcobrunn, dem Rüdesheimer Berg Schlossberg oder der Hochheimer Hölle. Auch zwei Erste Gewächse sind mit anderen Rheingau-Lagen verschnitten worden.

Rheingauer Rotwein aus Franken

Rheingauer Rotweine des Gutes sind den Erkenntnissen der Weinkontrolleure zufolge mit Rotwein aus einem anderen Anbaugebiet verschnitten worden. Dies ist bereits bei einem Wein des Jahrgangs 2008 geschehen. Das hat auch der Gutsleiter des fränkischen Betriebs, Georg Hünnerkopf, eingeräumt. Er hatte die Rosé- und Rotweine geliefert, die mit einem Rheingauer Etikett in Hattenheim verkauft wurden. Bayerische Weinkontrolleure stießen zufällig darauf: Sie hatten bei Überprüfungen im Rheingauer Domänenweingut 1.000 Liter Wein aus Franken entdeckt, die ohne die nötigen Begleitpapiere dorthin gekommen waren. Hünnerkopf hat den Grafen dafür um Entschuldigung gebeten, er bleibt Gutsleiter auf Schloss Hallburg. „Das war ein echter Blödsinn von mir, ich hätte mich nie darauf einlassen dürfen“, sagte er den Journalisten bei der Pressekonferenz.

Auch Weine aus Rüdesheimer Lagen sollen manipuliert worden sein. (Foto: DWI)

Arbeitsvertrag des Gutsleiters wurde im Einvernehmen aufgelöst

Der für die Vergehen offenbar verantwortliche Rheingauer Betriebsleiter, der für seine Arbeit bei Schönborn vom Gault Millau 2009 als „Gutsverwalter des Jahres“ ausgezeichnet wurde, löste noch Ende Oktober 2012 seinen Arbeitsvertrag im gegenseitigen Einvernehmen mit Paul Graf von Schönborn auf. Das bestätigte der Anwalt des ehemaligen Gutsleiters, der renommierte Weinrechtler Dr. Hans Eichele aus Mainz. Kurz darauf wurde bekannt, dass der Ex-Gutsverwalter nun beim pfälzischen VDP-Weingut Fitz-Ritter als Kellermeister arbeitet.

VDP-Mitgliedschaft ruht

Der VDP ließ sich Zeit für eine Stellungnahme zu den Ermittlungen. Erst im August 2013 erklärte Präsident Steffen Christmann, dass die Mitgliedschaft der Schönborn-Domänen bis zum Abschluss des Verfahrens ruhen werde. Paul Graf von Schönborn hatte das beim VDP beantragt, bevor er die Rückgabe der 25 AP-Nummern in einer Pressekonferenz öffentlich machte.„Dieser Fall ist alles andere als eine Bagatelle für uns, und wir werden alles tun, um Schaden vom Verband und der deutschen Weinkultur abzuwenden“, sagte Christmann. Auf Anfrage von Wein-Plus erklärte die VDP-Geschäftsführerin Eva Raps: „Eine weinrechtliche Verurteilung ist für uns ein klarer Ausschlussgrund.“ Satzungsgemäß könnten Sanktionen bis hin zu einem Ausschluss aber erst beschlossen werden, wenn eine rechtskräftige Verurteilung wegen eines erheblichen Verstoßes gegen weinrechtliche Bestimmungen erfolgt sei. Hier komme es auf die Urteilsbegründung an: „Der Betriebsleiter ist nicht der Inhaber, und der Betriebsleiter arbeitet nicht mehr für das Weingut“. Der VDP kenne aber die Schwachstellen des Betriebes – und da sei einiges im Argen.

Schlecht gepflegte Weinberge

Für Kenner der Rheingauer Güter ist das nichts Neues. Schon lange gelten die Schönbornschen Parzellen in den renommierten Rheingauer Weinbergen als schlecht gepflegt. „Da ist oft nicht mal das Nötigste gemacht worden, das konnte man schon von Weitem sehen“, sagt ein Rheingauer Winzer, der anonym bleiben will. Paul Graf von Schönborn hat bei seiner Pressekonferenz im August die „Neuausrichtung des Weingutes“ angekündigt. Der junge, von den Vorgängen unbelastete Steffen Röll übernahm die freie Stelle als Betriebsleiter und produzierte den Jahrgang 2012. Auch sollen neue Mitarbeiter für den Außenbetrieb eingestellt worden sein.

Die Weinbergspflege ist entscheidend für die Weinqualität. (Foto: Wein-Plus)

Wer trägt die Verantwortung?

Doch was die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Wiesbaden ergeben werden, ist derzeit völlig offen. Auch Paul Graf von Schönborn, der im Verfahren als Zeuge geführt wird und den Ex-Gutsleiter als alleinigen Schuldigen bezeichnet, lässt sich inzwischen von einem Anwalt vertreten. Er hatte offenbar – wie die meisten Beobachter – mit einem Ende der Ermittlungen im Herbst gerechnet: „Vor dem Abschluss der Ermittlungen“ habe er die AP-Nummern zurück gegeben, schrieb er etwa Ende August in einer Pressemitteilung. So ist es nicht gekommen. Auch war mehrfach in den vergangenen Monaten zu lesen, der ehemalige Betriebsleiter habe einige der Vorwürfe eingeräumt. Sein Anwalt Dr. Hans Eichele will nun dazu auf Anfrage von Wein-Plus keine Stellung nehmen. Denn für den früheren Gutsleiter kann die Sache teuer werden. Zwar sind die Strafen bei Verstößen gegen das Weingesetz moderat: In Fällen, in denen keine Gesundheitsgefahr für Menschen drohte, liegt die Höchststrafe bei drei Jahren Gefängnis – und die verhängen die Gerichte nur sehr selten. Dem einstigen Verwalter drohen bei einer Verurteilung eher eine kurze Bewährungsstrafe oder eine Geldstrafe. Sehr viel teurer kann ihn aber eine Schadenersatzklage des Grafen Schönborn kommen wegen der Umsatzeinbußen und der Rufschädigung des Gutes. Daher ist Eicheles Strategie zur Verteidigung seines Mandanten klar – der ehemalige Betriebsleiter ist nicht der alleinige Verantwortliche. „Anders als bisher vonseiten des Hauses Graf Schönborn dargestellt, sollen die Direktiven für die Manipulationen der Unternehmensleitung bekannt oder zumindest toleriert worden sein“, schreibt die Zeitschrift Weinwirtschaft über Eicheles Argumentation. Demnach sollen die Fälle bis zurück ins Jahr 2005 reichen. Das bedeutet viel Arbeit für die Ermittler. Es wird also noch lange dauern, bis die Vorgänge im Domänenweingut Schloss Schönborn in Hattenheim aufgeklärt sind.

Das Weingut Schloss Schönborn im Weinführer
(Weine des Betriebs wurden zuletzt 2011 verkostet)

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