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Echte Weingenießer rümpfen die Nase: Rosé! Dies ist doch kein Wein. Tatsächlich genießt der Rosé in der „wahren” Weinwelt kein allzu großes Ansehen.

Der funkelnde Rosé in unserem Strandkaffee
Es ist noch nicht allzu lange her, da mokierte ich mich über den Rosé eines angesehenen Winzers am Zürichsee: eine unnötige Konzession an den schlechten Weingeschmack!

In Neuenburg, wo es den echten „Oeil de Perdrix” ( „Auge des Feldhuhns”) gibt, wurde ich ob meiner abfälligen Bemerkungen beinahe aus dem Keller geworfen. Schließlich klatschte ich in die Hände, als ein Winzer in Chur den "Schiller" aus seinem Programm verbannt hat: „nicht mehr verkäuflich!” „Schiller” ist nämlich ein spezieller Rosé, den es nur in der Region von Chur gibt.

Schon gar nicht begreifen konnte ich, dass ein Winzer, der sonst einen hervorragenden Geschmack hat und Jahr für Jahr ausgezeichnete Weine keltert, seinen Verzicht auf den „Schiller” tief bedauert. Ich habe sein betrübtes Gesicht und die Welt nicht mehr verstanden.

„Menthe à l’eau”% nur ein Sirup% auch er gehört zum Süden
Jetzt aber bin auch ich unter die Rosé-Fans gegangen. Zwar wage ich noch nicht, meinen weinverliebten Gästen einen Rosé vorzusetzen, auch im Sommer nicht. Es muss zumindest ein echter Schweizer, ein Languedoc oder gar ein Bordeaux sein, vielleicht ein Weißer, sicher aber kein Rosé. Zuviel an Glaubwürdigkeit in Sachen Wein hätte ich da zu verlieren.

Es gibt aber den Roséwein - in recht unterschiedlicher Prägung - sozusagen in allen Weinländern, zumindest in Europa. In Deutschland den „Weißherbst”, in Österreich den „Gleichgepressten”, in Italien den „Bardolino Chiaretto”, in Portugal den „Mateus”, in Frankreich eben den „Rosé”... Im Süden Frankreichs, wo man die Hitze im Sommer nicht suchen muss, da kann Rosé auch ein „Qualitätswein” sein.

„Mein” Rosé ist aber kein Qualitätswein, er wird, „en vrac” angeboten, also offen, in großen Behältern, hat keinen Namen, nicht einmal der Winzer ist bekannt.

Aufgetaucht aus den Strandstühlen% bereit zum Genuss
Mittag für Mittag kommt er - sobald wir aus unseren Liegestühlen auftauchen - unaufgefordert auf den Tisch im kleinen Strandrestaurant. „Eine unverschämt schöne Farbe”, so der tägliche Kommentar, und wir stoßen an, auf einen herrlichen, aromatischen, durststillenden Schluck. Ich erlaube mir sogar - welch Frevel! - ab und zu einen Eiswürfel in den Wein zu geben, damit er auch wirklich kühl ist und noch schöner im Sonnenlicht funkelt.

Nicht einen Augenblick komme ich auf den Gedanken, nach Nase, Gaumen und Abgang zu fragen. Alle Punkte, ob 10er, 20er oder 100er System, sind in eine andere Welt verbannt. Ab und zu kann ich es dann doch nicht lassen: „une belle composition de pulpe de framboise et de fraise, un palais au fruit juteux doté d’une matière pleine et fraîche” (frei übersetzt:  schöne Frucht von Himbeeren und Erdbeeren, am Gaumen fruchtig, saftig, voll und frisch”.

Solche Anflüge hoher Weinkultur verflüchtigen sich rasch, sind sie trotzdem allzu beharrlich, dann vertreibe ich sie mit dem zweiten südländischen Sommergetränk, dem unverschämt grellgrün leuchtenden „Menthe à l’eau”. Da fügt sich der Gaumen dem Auge, der Sommer ist perfekt!

Auch qualitätsbewusste Winzer machen einen Rosé% zum Beispiel Ollier Taillefer aus Faugère
Ich gebe es zu, ich bin verliebt in diesen Rosé, seine Schönheit hat es mir angetan. Plötzlich finde ich ihn auch nicht mehr so belanglos. Verunsichert blättere ich im Weinmagazin des Südens: „Cave des Lirac, Rosé, cuvée „vieilles vignes”, médaille d’Or, 85 Punkte”. Oder «Château Mas Neuf, Costières de Nîmes, Compostelle, 17 Punkte». Die meisten Winzer, deren Rotwein ich schätze, keltern auch einen Rosé. Den habe ich bisher links liegen, im Weinkeller stehen gelassen. In den Bewertungen der „Weinpäpste” taucht er kaum auf, wenn er schon einmal erwähnt wird, erreicht er kaum 15 Punkte. Noch nie hat mir ein Winzer den Rosé besonders empfohlen, eher verschämt in der Ecke stehen gelassen.

Seit diesem Sommer ist bei mir alles anders geworden: Ich bin froh, einen Wein entdeckt zu haben, den ich nicht beschreiben, benoten, bepunkten muss, den ich einfach trinken kann, unbeschwert. Er muss nicht eingelagert, nicht registriert und im richtigen Augenblick aus dem Keller geholt werden. Der Rosé aus der Languedoc, ob mit schillerndem Namen oder namenlos, ist „l’ art de vivre de l’été” - die Kunst, den Sommer zu leben, zu genießen.

 

Herzlich 

Ihr/Euer

Peter (Züllig)

NB. Es ist zu befürchten, dass der nächste Besucher, auch wenn er ein Weinfreund und -kenner ist, einen „Rosé du Languedoc” vorgesetzt bekommt.

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