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Das ist nicht etwa Chinesisch, vielmehr ein mundartliches Idiom im schweizerischen Walliser-Deutsch, das etwa für „Unheimlich gut!“ steht. In Zusammenhang mit Wein hat es der Begriff sogar bis in die Schlagzeilen der Boulevardpresse gebracht. „Hüeru güet – Walliser Tropfen schaffts in die Weinbibel“. Tatsächlich wurde zum ersten Mal ein Wein aus dem Kanton Wallis in Parkers “The Wine Advocate” aufgenommen. Also höchste Zeit, diese Kolumne, die ich längst geschrieben, aber nie weggeschickt habe, zu veröffentlichen. Doch ich schicke sie auch heute nicht so weg, wie ich sie vor gut sieben Jahren in meinem Archiv – mit der futuristischen Nummer 201 – begraben habe. Damals war ich gerade bei Kolumne Nummer drei angelangt, heute ist es die 179ste. Jetzt muss es aber sein: Die Kolumne zum Schweizer Wein. Anlass sind auch mehrere Anfragen aus deutschen Landen, in denen etwa steht: „Leider habe ich keine Ahnung von Schweizer Weinen und würde Sie bitten, mir einen oder ein paar Tipps zu geben.“

Ein ausgezeichneter Tipp: Gilbert Devayes in Leytron (Wallis). Doch seine Weine sind im Ausland kaum erhältlich. (Foto: P. Züllig)

Das mit den „guten Tipps“ ist eine heikle Sache, werden sie doch immer unterschiedlich interpretiert. Ich bleibe bei der Behauptung: „Das „Weinland Schweiz existiert!“ Auf 15.000 Hektar Land finden wir in der Schweiz mehr als 50 verschiedene Rebsorten. Am meisten wohl im zweisprachigen Bergkanton Wallis.

So einfach ist es aber nicht. Nicht nur die schweizerische Körnchenpickerpolitik ist schlecht durchschaubar, auch die schweizerische Weinszene ist es. Nach ausführlichen Erklärungsversuchen habe ich längst resigniert, doch dann kam die beruhigende Rückmeldung: „Wir sind Ihnen für die Recherchen und Ausführungen sehr dankbar, weil keiner von uns wirklich Ahnung von Weinen aus der CH hat.“ Und so mutiert meine Kolumne – für einmal – zu einem Elementar-Seminar in Sachen „Schweizer Wein“. Vielleicht vergisst man allzu rasch – oder ist sich dessen nicht bewusst – , dass die „kleine“ Schweiz mit knapp acht Millionen Einwohnern und einer Fläche von 41.000 Quadratkilometern (etwa zweimal so groß wie das Bundesland Hessen) alles andere als eine kulturelle, sprachliche, politische, geographische, klimatische Einheit ist. Allein schon die drei Sprachregionen – mit ihren Randgebieten der Zweisprachigkeit – und den (nicht weniger als) 26 Kantonen (darunter „Halbkantone“) mit eigener Steuerhoheit und (in vielen Belangen) eigener Gesetzgebung machen es selbst Schweizern oft schwer, Schweizer zu sein.

Am Bielersee% Sprachgrenze mit Blick auf die Petersinsel (Jean-Jacques Rousseau). (Foto: P. Züllig)

In diese kulturelle, wirtschaftliche und soziale Landschaft bettet sich die schweizerische Weinszene ein. Wann immer man von Schweizer Weinen spricht – und dabei nicht selten die Nase rümpft –, geht es auch um den „Fendant“ und den „Dôle“, zwei Walliser Weine, hinter denen sich ein CChasselas Gutedel) und eine Cuvée von Pinot Noir und Gamay verstecken. Selbst beim durchschnittlichen Weintrinker in der Schweiz nehmen die beiden Weine einen zentralen Platz ein, stehen sie doch in jedem noch so kleinen Restaurant auf der Weinkarte. Doch Schweizer Wein, das ist mehr als CChasselas Fendant und Dôle, mehr als besonnte Hänge am Genfersee und Weinberge in einer Höhe von 1.000 Metern über Meer (Heida-Wein).

Beginnen wir mit einer „Grobeinteilung“, die natürlich alle Ausnahmen (auch die verrücktesten) in sich birgt. In der deutschsprachigen Schweiz (Nord-, Zentral- und Ostschweiz) gibt der Pinot Noir (Blau- oder Spätburgunder) den Ton an. Hier ist der Burgunder das Maß für Weinqualität. Anders im Westen, in der meist französischsprachigen Schweiz. Da beherrscht der weiße Chasselas (der je nach Region auch Fendant, Gutedel oder Dorin heisst) die Rebfelder. Er gilt als der weiße „Schweizer Wein“ schlechthin, mit der größten Rebfläche und vielleicht sogar mit dem schlechtesten Ruf.

Anders wiederum im Tessin. Da – sagt man – kommen die besten Schweizer Weine her, der rote Merlot, vielleicht mit dem besten Ruf, vielleicht sogar in der höchsten Qualität. Es ist die Gegend, auf der anderen Seite der Alpenkette, wo vor etwa 30 Jahren das „Weinwunder des Tessins“ stattgefunden hat; aus dem einfachen nichtssagenden Tessiner Wein im Boccalino wurde ein Spitzenprodukt von internationalem Ruf.

Das Wallis – größtes Rebgebiet der Schweiz – mitten in den Bergen. (Foto: P. Züllig

Bleibt noch das Wallis – ein Bergkanton –, in dem die Rhône ihre Fahrt zum Mittelmeer antritt. Der größte Weinanbaukanton der Schweiz (Rebfläche 5.100 ha), mit den schwierigsten klimatischen und geografischen Verhältnissen, machte lange Zeit auf Massenproduktion. Die Trauben-, Aprikosen- und Tomaten-Schwemme waren während vieler Jahre eine Realität, nicht nur Legende. Heute besinnen sich auch die Walliser auf das, was ihren Ruf als Weinproduzenten wieder gefestigt hat, auf ihre autochthonen Rebsorten wie Cornalin, Humagne Rrouge, Lafnetscha, Himbertscha, Heida, Humagne Blanche, Petite Arvine... Sie belegen heute erst etwa fünf Prozent der Rebfläche, sind aber das, was das Wallis als Weinbaukanton einmalig (und grandios) macht. Der erste „Parker-Wein“ ist übrigens eine Petite Arvine von Robert Taramarcaz in Siders.

Was das Verständnis des Weinbaus in der Schweiz nicht einfacher macht, das ist die Tatsache, dass in der Ostschweiz (deutschsprachigen Schweiz) beim Weißwein der Müller-Thurgau dominiert, hier noch standhaft als Riesling-Silvaner bezeichnet. Dabei wird – bitte nicht erschrecken – der Wein vom einfachen Weintrinker (und auch in den meisten Restaurants) kurz und bündig Riesling genannt. Wer da einen Riesling bestellt, bekommt mit höchster Wahrscheinlichkeit und Selbstverständlichkeit einen Müller-Thurgau vorgesetzt.
Verstehen Sie jetzt, warum ich diese Kolumne sieben Jahre lang in der Schublade ließ, denn dies ist erst der Anfang einer komplizierten Weingeschichte. So spielen zum Beispiel die Kleinstregionen und -lagen eine wichtige Rolle. Jedes Dorf hat so quasi seinen eigenen Wein, der nicht selten den Namen des Orts trägt und fast ausnahmslos lokal vermarktet wird. Man ist stolz, als Krönung eines Festes oder einer Ehrung einen „Bubikoner“, „Rapperswiler“, „Grüniger“, „Walenstadter“, „Zürcher“ usw. zu trinken, gleichsam den Petrus des Ortes.

Wohnlage mitten in den Reben oder Reben mitten in der Wohnlage. (Foto: P. Züllig)

Ein anderer, nicht minder entscheidender Umstand ist die Größe, respektive die Kleinheit der Rebberge. Es sind meist nur wenige Hektar, die ein Winzer besitzt, zwei Hektar, vier, vielleicht einmal acht. Die Schweiz ist längst – siedlungsmäßig – überwuchert. Rebberge sind oft nur noch Folklore und werden im „Nebengewerbe“ geführt. Allein im Kanton Wallis (314.000 Einwohner) sind es 22.000 Winzer und 115.000 im Rebkataster registrierte Flächen (die kleinste mit nur drei Rebstöcken), die den Schweizer Wein so unglaublich vielfältig machen. Großzügige, ja, sogar kühne Raumplanung war noch nie die Stärke der Schweizer. Das neuste Raumplanungsgesetz ist – partikuläre Interessen, Interessen, Interessen – schon wieder (via Volksabstimmung) in Gefahr, gestürzt zu werden, bevor es in Kraft getreten ist.
So kommt es eben, dass auch die Verbände, Interessensgemeinschaften, regionalen Wirtschafts- und Toursismusgremien hoffnungslos zerstritten sind. Dass es einen einheitlichen Marktauftritt der Schweizer Weine nicht gibt. Und wenn es ihn (für kurze Zeit) doch einmal gibt, dann wird er – postwendend – ad acta gelegt, weil die Interessen der einen oder anderen Sprach-, Kultur- oder geografischen Region – angeblich – zu wenig berücksichtigt werden. Deshalb werden noch heute kaum mehr als zwei Prozent der schweizerischen Weinproduktion exportiert. Die Weinschweiz bleibt also weiterhin unbekannt.

Ein Chasselas im Glas – mit einem Egli (Barsch) auf dem Teller. Prost! (Foto: P. Züllig)

Ein Deutscher – Wolfgang Fassbender (auch Autor bei Wein-Plus) – hat den ersten brauchbaren Weinführer für Schweizer Weine geschrieben, mit Bewertungen und Beurteilungen (auch von einzelnen Weinen), erschienen im Orell Füssli Verlag in Zürich. Doch das ist auch schon wieder drei Jahre her, eine aktualisierte Auflage gibt es nicht. Die meisten der beschriebenen Weine sind längst getrunken. Eine Liste der wenigen Bezugsquellen im Ausland – vor allem in Deutschland und Österreich – fehlt. So wartet man eben auf den – meist missglückten – nächsten Marktauftritt auf der ProWein, wo die Schweiz im Verhältnis zum Gesamtangebot noch kleiner wirkt als das Land selber, im Herzen Europas.

„Meine Vorstöße, in hiesigen Ladengeschäften Schweizer Weine zu finden, endeten beinahe immer mit einem Verweis auf Mövenpick. Aber das kann doch sicher nicht alles gewesen sein, was in der Schweiz so wächst, nicht wahr“, werde ich gefragt. Was soll ich tun? Doch eine Kolumne schreiben zum Schweizer Wein, doch gute Ratschläge geben, doch im „Getrunken“ mehr über Weine aus der Schweiz schreiben? So versuche ich es mit einer direkten Empfehlung, zum Beispiel für eine Degustation „Schweizer Wein“. Bleiben wir zuerst beim Rotwein: Drei Flaschen Pinot Noir (vielleicht aus der Bündner Herrschaft) – ein paar Namen, die auch in Deutschland anzutreffen sind: Daniel Gantenbein (Kult und deshalb leider sehr teuer), Irène Grünenfelder, Thomas Studach, Thomas Mattmann (Nachfolge: Marco Casanova), Annatina Pelizzatti und ein paar andere. Drei Flaschen aus dem Tessin: Werner Stucky, Adriano Kaufmann, Daniel Huber, Eric Klausener, Christian Zündel. Drei Flaschen aus dem Wallis, vorwiegend autochthone Rebsorten. Auch sie sind in Deutschland erhältlich: Humagne Rouge und Cornalin, eventuell Diolinoir – eine Neuzüchtung –, dazu einen guten Dôle (da ist das Angebot beachtlich).

Bei den Weißweinen kann man sich auf drei Chasselas beschränken. Da gibt es leider (viele) langweilige Vertreter. Das Weindorf Dézaley ist ein gute Adresse: Vincent und Eric Bovy, der populäre „Eidechsenwein“ von Henri Badoux, Raymond Pacoot (Domaine de la Colombe, bereits wieder Kult), Louis Bovard (Féchy); vielleicht auch ein Wein aus Genf: Jean-Pierre Pellegrin, Jean Hutin oder Claude Dupraz. Vier Walliser Weine schließen die Runde ab. Es ist sinnvoll, sich auf die autochthonen Rebsorten zu beschränken. Sie alle haben die Schweizer Grenze längst überschritten (wenn auch nicht immer in der allerbesten Ausführung): Heida (auch Paien genannt), Petite Avine, Amigne Blanche, vielleicht sogar ein Chasselas von Zufferey. Da wird man auch im Ausland fündig.

Vielleicht wiederholt sich bei Ihnen sogar meine eigene Erfahrung. Ich „musste“ kürzlich – trotz höflicher Abwehr – wieder einmal einen beliebigen (belanglosen) Fendant trinken. Doch – der war unerwartet anders: fruchtig, feingliedrig, gleichzeitig aber auch opulent, und er verriet in vielen Nuancen die Typizität des Walliser Klimas und Bodens. Es gibt also den guten, edlen Fendant durchaus. Durch bessere Produktionsmethoden, mehr Aufwand und einen sorgfältigeren Umgang mit den Reben sind auch Weine mit weniger gutem Ruf plötzlich ganz anders geworden. Aus dem von mir meist verschmähten Fendant kann ein herrlicher Festtagswein werden.

Herzlich
Euer/Ihr

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