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Zugegeben, man fährt nicht wegen des Weins in die Auvergne. Da locken schon eher kulinarisch die ganz speziellen Käse, die feinen Schinken, die frischen Gemüse und natürlich all die Spezialitäten wie Truffade, Aligot, Lentilles aux saucisses fumées oder die Clafoutis und süßen Piquenchagnes. Aber Weine? Bisher habe ich noch nie einen Wein aus der Auvergne getrunken, kenne weder Weingüter noch ihre Namen. Dabei wurden die Weine einst am königlichen Hof serviert, von Päpsten hoch geschätzt, ja, sie gehörten zu den angesehensten Weinen Frankreichs. Auch hier beginnt die Wein-Historie – wie in fast allen Weingebieten Europas – mit den alten Römern, die einst den Wein in die Auvergne brachten, begünstigt durch die schiffbaren Flüsse und die Hanglagen der längst erloschenen Vulkane. Noch vor hundert Jahren standen hier drei-, fünf-, ja, zehnmal so viele Reben wie heute. Heute muss man sie schon fast suchen.
Man muss sie schon fast suchen% die Rebberge in der Auvergne (Foto: P. Züllig)

Doch es gibt zwei Weinregionen in der Auvergne, die zusammen kaum noch mehr als 1.500 Hektar umfassen: die Côtes d’Auvergne und die Appellation St-Pourçain. St-Pourçain – so hat man mir gesagt – sei heute das Zentrum des guten Weins. Es führt sogar eine Weinstraße durch die umliegenden Weingemeinden, die – so das Reisetaschenbuch – „kunsthistorische Ziele mit dem Besuch von Kellereien verbindet“. Wer Weinstraßen an der Loire, im Bordelais, im Languedoc oder an der Rhône kennt, der wundert sich. Weder Schilder noch Reben kann ich über lange Strecken entdecken. Dafür lande ich in Chareil-Cintrat, bei einem Schloss aus dem 16. Jahrhundert, das mitten in geernteten Kornfeldern steht. In Deneuille – oder war es Fleuriel? – entdecke ich ein ehemaliges Kloster und schöpfe neue Hoffnung. Wo Mönche lebten, da muss es auch Wein geben. Auch da viel Grün, aber weit und breit keine Reben, selbst die im Reiseführer versprochenen Kellereien kann ich – trotz der Enge der Dörfer – nicht finden. Erst nach längerer Fahrt auf schmalen Straßen – in Montord und vor allem in Saulcet – treffe ich größere Rebberge an, nicht nur ein paar kleine Rebflächen. Ein Trost: Die Hügel, die sich aneinander reihten, der Wechsel von braunen Feldern, wo noch vor kurzem Korn stand, und den saftig grünen Wiesen sind  wunderschön anzusehen – durchaus eine Weinstraßen-Fahrt wert.

 

Ein ehemaliges Kloster% monumentales Baudenkmal inmitten einer einsamen Gegend% die von Landwirtschaft geprägt ist (Foto: P. Züllig)

Vielleicht habe ich doch zu wenig Zeit aufgewendet, um dem Wein der Auvergne zu begegnen. In Saint-Pourçain-sur-Sioule – einer Kleinstadt – finde ich immerhin deutliche Wein-Spuren: im Gemeindewappen die königliche Lilie, die über einem Weinfass thront, ein vorbildlich hergerichtetes Weinmuseum in einem historischen Turm, eine Genossenschaftskellerei, Plakate und Transparente, die auf ein „Festival viticole et gourmand“ verweisen, und – neben der Mairie – ein Lokal mit einem Schild „Cave à vin... mais pas que“ (Weinkeller, aber nicht nur). Tatsächlich werden hier auch Weine aus der Gegend ausgeschenkt. Zum allerersten Mal habe ich also einen Wein aus der Auvergne im Glas. Meine erste Assoziation: Dôle. Dôle ist der populärste Schweizer Rotwein, eine Cuvée aus Pinot Noir und Gamay, die so nur im Wallis gekeltert wird. Eine Rebsorte „Dôle“ gibt es nicht. Der Wein ist fruchtig und kräftig mit Aromen von Waldbeeren, Lakritz, Cassis und einem leicht pfeffrigen Abgang.

 

Endlich gefunden: ein größerer Rebberg% fast einen Hektar groß (Foto: P. Züllig)

Tatsächlich dominieren in der Auvergne auch bei den roten Rebsorten Pinot Noir und Gamay, aus denen eine Assemblage gemacht wird, die aber viel leichter, viel fröhlicher, sogar eleganter als der Dôle ist. In der Nase erstaunlich mineralisch, im Gaumen eher fruchtig, rote Johannisbeeren, keine Waldbodenschwere, eher lichtes Unterholz. Offensichtlich ist mehr Gamay in der Cuvée als beim Dôle. Der Wein begeistert mich nicht, aber er gefällt mir. Er schmiegt sich hervorragend an die Käse-Schinken-Wurstplatte an, die hier serviert wird. Würde ich den Wein irgendwo trinken – nicht in der Auvergne –, wäre es ein angenehmes, leichtes, beschwingtes Weinchen, beileibe kein dominanter, bodenständiger Dôle.

Doch die Weingebiete in der Auvergne sind vor allem für ihre Weißweine bekannt. Die Rebsorte Sacy (Tressalier) ergibt einen leichten, süffigen, eher säurearmen Wein. Gerne hätte ich ihn hier – wo er eigentlich zu Hause ist – getrunken, vielleicht als Alternative zum Rosé. Doch er war in den wenigen Gourmet-Läden, die ich besucht habe, nicht aufzutreiben. Es scheint, dass inzwischen der weit bekanntere Chardonnay auch hier Einzug gehalten hat. Für mich ein Zeichen, dass der Trend zum Mainstream – vor allem wohl im Sog der Touristen – auch hier fortgesetzt wird. Ein Chardonnay, wie er weltweit immer häufiger angepflanzt und vinifiziert wird. Qualitativ sicher höher einzuschätzen als der eher brave Sacy, dafür tiefer im Vergleich mit den besten Chardonnays, die in aller Welt produziert werden. Eigentlich schade, dass man in einem Weingebiet mit „verlorenem Namen“ nicht mehr auf Eigenständigkeit und Besonderheit baut und wieder neu aufbaut, was in Jahrhunderten gewachsen ist.

 

Mittelalterliche Darstellung der Weinbereitung in der Auvergne (Foto: P. Züllig)

Der Boden, das Klima und die Flüsse Allier, Sioule und Bouble (an denen die Weingebiete liegen) wären ideale Voraussetzungen für eigenständige Auvergne-Weine, vielleicht sogar autochthone Rebsorten, die es hier sicher einmal gab. Doch davon habe zumindest ich nichts entdeckt. Die Käse – fünf AOC-Käse: Saint-Nectaire, Cantal, Bleu d‘Auvergne, Fourme d’Ambert und Salers – beherrschen (zu Recht) die Gourmand-Szene. Der frische Tomme aus dem Cantal (dies ist eine Region der Auvergne) macht die Truffade – populäres Kartoffelgericht mit Käse, Räucherspeck, Crème fraîche und schwarzem Pfeffer – so einmalig, so typisch „auvergnat“, eigentlich bäuerlich und doch auch in jeder feinen Küche zu einem kulinarisches Erlebnis. Dazu der passende Wein, kein Chardonnay, schon eher ein frischer, fruchtiger Tressalier (je mehr Tressalier drin ist, desto besser) oder ein Gamay-betonter Rotwein, der – anders als der Dôle – seine Aromen dem meist deftigen Gericht verbindet und mit seiner Frische und vulkanischer Mineralik ergänzt.

 

Die Auvergne% wie sie wohl schon Blaise Pascal erlebt hat (Foto: P. Züllig)

Die Auvergne ist kein Weingebiet (mehr). Sie ist auch kein übliches Touristengebiet, wo Menschen aus aller Welt (meist aus klimatisierten Bussen) für ein paar Stunden ausströmen, um die Schönheiten, das Andere, die Landschaft, die historischen Monumente zu bewundern, und dann wieder wegziehen, zur nächsten Sehenswürdigkeit. Hier dominiert (noch) der Wanderer, der Sportler, der Einzelgänger, der Naturliebhaber. Man kann nicht schnell unterwegs sein in der Auvergne. Man muss stehen bleiben, hinsehen und stillwerden. Die Vulkane, die vor Millionen von Jahren die Gegend geprägt haben, stehen  da, als mal bizarre, mal einladende Hügel und Berge, in denen sich der Mensch wohlfühlen kann oder, wie es Blaise Pascal beschrieb: „… je mehr man sich nähert, sind es Häuser, Bäume, Ziegel, Blätter, Gräser, Ameisen, Ameisenbeine bis ins Unendliche. All dies verbirgt sich im Namen Landschaft.“ Vielleicht – wenn man sich genügend nähert – verbirgt sich auch (wieder) ein eigenständiger Wein, der ganz in diese Landschaft passt.

Herzlich
Ihr/Euer

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