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Morgen also ist Heiliger Abend. Weihnachten sozusagen. Als Kind hat man mich vertröstet: „Nur noch einmal schlafen, dann...“ Ja, dann kommt der Weihnachtsmann. Nein, zu meiner Zeit war er noch ein Kind, das „Christkind“, das unter den Weihnachtsbaum seine Geschenke gelegt hat. Rasch habe ich festgestellt, es war nie genau das, was ich mir gewünscht, mit wackligen Buchstaben aufgeschrieben und vors Fenster gelegt habe. Meine Erfahrung: Der Weihnachtsmann, das Christkind oder wer auch immer, sie können nicht gut lesen oder sie verstehen die kindlichen Wünsche nicht. Diese sozusagen „Urerfahrung“ ist bis heute geblieben. Ich möchte einen guten Wein, der zu mir und zum Weihnachtsfest – wie ich es begehe – passt.

Weihnachtsessen. Und jetzt ein Wein dazu! Ein Weihnachtswein? (Foto: P. Züllig)

Was wird mir da nicht alles angeboten? Ich schlage nach, natürlich zuerst im Internet. „Der perfekte Weihnachtswein“. Wow! „A totally sexy Rosso of the highest level“, 92 Punkte. Kommentar: „Für 20 Euro hat man hier einen perfekten Weihnachtswein...“ Aber ich will keinen Rosso di Montalcino, und perfekt muss er auch nicht sein. Also suche ich weiter. Der perfekte Weihnachtswein kommt natürlich aus den „Kultregionen Italiens: Toskana und Piemont“. Wer in F. wohnt, „der kann den Wein bei uns probieren“. Dazu gibt es „wieder die handwerklichen Salamis von...“ Klingt nach reiner Werbung. Also weiter! „Beim Gänsebraten leistet der Magen Schwerstarbeit, deshalb sollte der gute Tropfen recht kräftig sein, und überhaupt: Wenn dunkles Fleisch auf die Tafel kommt, dann ist der Knights Valley Cabernet Sauvignon 2004 aus dem Hause Beringer in Napa Valley (Kalifornien) dafür ganz besonders gut geeignet.“ Bei mir kommt aber weder „traditionelle Gans, knuspriger Entenbraten oder Roastbeef auf den Tisch“. Tradition hin oder her. Neue Suche. Ein Wein „mit weihnachtlichem Künstleretikett, inklusive einer Weihnachtskarte auf "Fränkisch". Ein Silvaner mit seinem typisch urfränkischen Charakter – trocken und fruchtig.“

Der fröhliche Weihnachtswein (Foto: Weinwerk% Österreich)

Das Angebot im Internet ist noch längst nicht erschöpft. Aber ich bin es. Soll ich nicht lieber zum Weinkatalog greifen, der in dieser Zeit zuhauf in Briefkästen wandert? Voilà! Überschrift: „Weihnachtswein“, nicht virtuell, schwarz auf weiß, sogar mit Rabatt: „23,50 statt 29,90“. Da kommt ja wirklich der Weihnachtsmann, oder ist es doch das Christkind? „...delikate Aromen mit Noten von Bittermandeln. Kräftiger Auftakt am Gaumen...“ Ich höre eine innere Stimme, die singt: „Süßer die Glocken nie klingen“. Nein, ein Amarone mit Bittermandelnoten kann es doch auch nicht sein. Was dann? Auf der Katalogseite gleich gegenüber ein Wein mit „Noten von Blumen und diversen Beerenaromen“. Klingt für mich schon viel weihnachtlicher, doch die fettgedruckte Überschrift „Starke italienische Persönlichkeit“ macht mich stutzig. Italienische Politiker tauchen vor mir auf, und das an Weihnachten, in meiner Stube. No, grazie. Da, ein Rettungsanker: „Musik im Gaumen“. Das ist genau das, was ich brauche. Nicht nur „süße Glocken“ und „stille Nacht“, auch etwas Musikalisches im Gaumen. Ein großer Wein muss „neben Farbe, Bouquet und Geschmack auch so etwas wie einen Klang ausstrahlen... eine Cello-Sonate mit weichen, vollen profunden Tönen“. Also schon eher Violoncello, aber welcher Komponist? Chopin, Mendelssohn, Bach? Bach würde wohl am besten passen: „...geschmeidiger Körper mit ausgewogenen Tanninen, saftiger Textur, getragen von einer feinen Säurestrukur“. So kann eben ein Barbaresco klingen, nie aber Bach. Habe ich da etwas missverstanden?

Welcher Wein passt zu welcher Stimmung? Festessen im Festsaal. (Foto: P. Züllig)

Wie immer in solchen Fällen suche ich Hilfe beim Wein-Glossar, dem umfangreichsten Weinlexikon im Internet. Da werde ich aufgeklärt: „...Bezeichnung für einen Wein, dessen Trauben an einem der zwei Weihnachtstage 24. Dezember (Heiliger Abend) oder 25. Dezember (Christtag) gelesen wurden. Naturgemäß handelt es sich dabei zumeist um einen Eiswein oder eine Trockenbeerenauslese...“ In diesem Augenblick ergeht es mir wie damals, als ich entsetzt staunend erfahren habe, dass es gar keinen Weihnachtsmann und gar kein Christkind gibt, jedenfalls keines, das mit Geschenken durch den Heiligen Abend schwirrt. Gibt es vielleicht auch keinen Weihnachtswein, ist das nur eine weinrechtliche Bezeichnung? Noch gebe ich mich nicht geschlagen. Mir kommt eine Glosse in den Sinn, geschrieben von Dirk Würtz in seinem Blog, Titel: „Terrassenkaminspargelwein“. Dirk schreibt: „Der Begriff ‘Spargelwein’ ist genauso inhaltsleer wie der Begriff ‘Terrassenwein’ oder der Begriff ‘Kaminwein’. Schlagwörter, die etwas Bestimmtes aussagen sollen und am Ende doch nur irreführend sind.“ Richtig! Dazu kann man ruhig auch den „Weinachtswein“ gesellen.

Weihnachtsessen im Restaurant. (Foto: P. Züllig)

Was ist ein Weihnachtswein? Ein Wein, den man an Weihnachten trinkt? Ein Wein aus Trauben, die am Weihnachtstag geerntet wurden? Ein Wein, der die Weihnachtsstimmung spiegelt? Ein Wein, der zum Weihnachtsessen passt? Dirk hat mit seinem Kommentar – wie so oft – die Blogger aufgescheucht. Ellenlange Diskussion. Jeder hat seine Meinung, versucht sich zu erklären: „Deinen Beitrag zu Spargelwein halte ich, mit Verlaub, für einen Schmarrn.“ – „Dein Statement geht am Kern der Angelegenheit vorbei. Spargel-, Terrassen-, Kamin-, Meditationswein u.a. assoziieren Genuss, Romantik, Entspannung, also positive Gefühle.“ – „Es geht um eine, meiner Meinung nach, völlig falsche und wenig zielführende Typisierung von Produkten... Ich kann jeden Wein gemütlich am Kamin trinken oder eben auf der Terrasse.“ Oder den Weihnachtswein zu Weihnachten. Das aber – da hat Dirk Würtz vollkommen recht – ist mit dem Begriff „Weihnachtswein“ genau so wenig gemeint wie beim Spargel- oder Terrassenwein. Ein „Weihnachtswein“ soll doch –  so wie der Begriff in der Werbung gebraucht wird – etwas besonders Kostbares, etwas Einmaliges, etwas Besonderes sein. „Einmal im Jahr kommt das Christkind“, hat man mir schon als Kind verkündet. Etwas von dieser Botschaft ist geblieben, auch wenn man Weihnachten als erwachsener oder gar alter Mensch anders begeht: die Einmaligkeit. Einmal im Jahr, einmalig, aber durchaus wiederholbar, bestenfalls 90, 100 mal im Leben.

Welcher unter den vielen Weinen ist nun der richtige Weihnachtswein? (Foto: P. Züllig)

Gehört dazu – zumindest wenn man Weinliebhaber ist – nicht auch ein ganz besonderer Wein? Da hilft aber kein Zettelchen draußen auf dem Fenstersims – zwar jetzt nicht mehr mit wackliger, vielleicht aber zittriger Schrift. Der Weihnachtsmann – oder wer auch immer – kann es noch immer nicht lesen und schon gar nicht interpretieren. Ein Weihnachtswein ist jeder Wein, der an Weihnachten Freude, Zufriedenheit, Genuss, Besinnlichkeit bringt. Traubensorte, Herkunftsland, Preis und Stil sind vollkommen egal. In diesem Sinn wünsche ich allen, die Weingen, einen echten Weihnachtswein – wie einst in Kindertagen unter dem Baum – oder eben – sachliche Weltlichkeit – auf dem Tisch.

Herzlich
Ihr/Euer

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