des Rheingaus. Die
, der zu den teuersten und begehrtesten der Welt zählt. In diesem Jahr könnte sogar etwas Außergewöhnliches im Gräfenberg entstehen: ein Jahrhundertjahrgang. „Die
bereits Anfang August eingesetzt”, sagt Weil. „Rund vier Wochen früher als sonst üblich.”
Doch die Kehrseite des schönen Sommers äußert sich in Trockenstress. „In den besonders
, wo die Böden nicht so tiefgründig sind, sehe ich schon das ein oder andere gelbe Blatt”, sagt Weil. „Zwei, drei intensive Landregen würden wahre Wunder vollbringen.”
Wenige Kilometer östlich vom Gräfenberg äußert sich dieses „Wunder” in einem profanen Geräusch. Grelles Quietschen schallt dort durch die
Reben am Rauenthaler Berg. Mit flinken Handgriffen öffnet Stefan
Seyffardt den blau lackierten Wasserhahn der kleinen Versorgungsstation. Die schwarzen Kunststoff-Schläuche der
Tropfbewässerung unter den
Rebstöcken füllen sich mit Grundwasser - langsam,
Tropfen für
Tropfen, perlt das
Wasser auf das zuvor noch so trockene Erdreich.
Für den Betriebsleiter der Hessischen Staatsdomäne Rauenthal ist der Griff zum Wasserhahn im
Weinberg in diesen Tagen fast schon Alltagsroutine. Die Gluthitze ist schier erdrückend, in Strömen rinnt der Schweiß von Seyffardts Stirn. Dennoch freut er sich über „kalifornische Verhältnisse” in seinen
Weinbergen und über „ein Drittel mehr an Sonnenschein-Stunden im Vergleich zu 1976.”
1976 - für deutsche
Winzer ist das ein magisches Jahr, der letzte große Jahrhundertjahrgang. „Doch damals hatte es hin und wieder mal geregnet”, erinnert sich Seyffardt. Im Unterschied zu diesem Sommer, in dem es überwiegend trocken blieb.
Gäbe es ab und zu mal einen Landregen, könnte dies in Verbindung mit der Sonnengunst sicher bewirken, dass Großes in den
Weinbergen am
Rhein heranreifen würde. Die
Winzer registrieren bei den
Reben einen Reifevorsprung von vier Wochen. Das ist einmalig seit Beginn der Wetteraufzeichnungen Mitte des 19. Jahrhunderts. „Beim
Müller-Thurgau könnte die
Lese bereits Ende August beginnen und beim
Riesling Mitte September”, prognostiziert Stefan Seyffardt.
Ein solch früher Lesezeitpunkt wäre eine historische Besonderheit. „Der früheste
Erntezeitpunkt beim
Riesling war bislang Ende September im Jahre 1827”, sagt der Physiker Dr. Manfred Stock vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK). Die Potsdamer Wissenschaftler haben die Archive von
Schloss Johannisberg und anderen Weingütern im
Rheingau ausgewertet und den jeweiligen Erntebeginn bis zum Jahr 1780 zurück verfolgen können.
Die Zusammenarbeit von Klimaforschung und Weinkunde hat Tradition, weil zum Beispiel der Beginn der
Weinlese wichtige Erkenntnisse über den Klimaverlauf in früheren Jahrzehnten und Jahrhunderten liefert. „Die im
Weinbau beobachteten Veränderungen werden vielfach als
Indikatoren für den
Klimawandel herangezogen”, sagt Stock. „In Südengland hat sich die wirtschaftlich genutzte
Anbaufläche für
Wein in den letzten 15 Jahren mehr als verdoppelt”, sagt der Klimaforscher. Insgesamt waren die neunziger Jahre die wärmste Dekade innerhalb des 20. Jahrhunderts: „
Austrieb,
Blütebeginn und
Reife der
Trauben treten seither vielfach früher im Jahr auf.”
Dieser Trend dürfte anhalten. De Potsdamer Wissenschaftler haben ein Klimaszenario bis zum Jahr 2050 entwickelt, und zwar auf Basis detaillierter Wetteraufzeichnungen der Periode von 1951 bis 2000 und dem prognostizierten Trend der globalen Erwärmung. Das Ergebnis: „Wir rechnen beim
Riesling, dass in den nächsten 50 Jahren die Erntereife 10 bis 14 Tage früher einsetzen wird”, sagt der Physiker Manfred Stock vom PIK. Die Durchschnittstemperatur könnte im
Rheingau bis dahin um zwei
Grad ansteigen. „Zumindest im Sommer hätten wir dort dann mediterrane Verhältnisse”, meint Stock.
Wie sich diese
Entwicklung auf
Ertrag und Qualität auswirken könnte, ist bislang strittig. Zumindest beim
Riesling könnte die allseits geschätzte Säurekomponente unter den höheren
Temperaturen leiden. Doch Professor Hans-Reiner Schultz von der Fachhochschule für
Weinbau in
Geisenheim bleibt gelassen: „Bislang waren die wärmsten Jahre auch die besten Riesling-Jahre, das Optimum ist also noch nicht erreicht”.
Doch versuchsweise werden auf den Hessischen Staatsweingütern bereits Wärme liebende
Trauben angebaut: der rote
Merlot an der Bergstraße und der weiße
Chardonnay im Rheingau. Selbst der
Cabernet Sauvignon könnte bald ein Thema werden, meint PIK-Forscher Stock. Damit verstärkt sich ein Trend, der in Deutschlands
Weinbergen ohnhein seit einigen Jahren anhält: Viele
Winzer setzen verstärkt auf
Rotwein zu Lasten des Weißweins.
Optionen offen halten, lautet also künftig die Devise - und dabei das Tagesgeschäft nicht aus den
Augen verlieren. Denn die gemeinhin trockensten Monate im
Rheingau, August und September, kommen erst noch. Stefan
Seyffardt von der Hessischen Staatsdomäne Rauenthal fühlt sich gewappnet, denn der Brunnen im Rauenthaler Berg hält genügend Grundwasser bereit.
Daher sind
gelbe Blätter an den
Rebstöcken als untrügliches Zeichen für
Trockenstress in der Rauenthaler
Steillage „Gehrn” nirgends zu sehen. Aus den Tiefen des Rauenthaler Berges speist ein Brunnen die Tropfbewässerungsanlage. Die Schläuche sind 20 Zentimeter über dem Erdboden an den
Rebstöcken befestigt. Im Sekundentakt quellen die Wassertropfen heraus und benetzen den zuvor noch staubtrockenen Boden - zwei
Liter pro Stunde für jeden Rebstock. Zwiebelförmig breitet sich die
Feuchtigkeit im Wurzelraum der
Reben aus.
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Im Sekundentakt wird der Boden benetzt. Foto: Netafim
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Bernd Gruber von der Fachhochschule für
Weinbau in
Geisenheim hatte zuvor mit einer transportablen, zylinderförmigen, rund 20 Zentimeter langen Druckkammer aus
Edelstahl den Feuchtegehalt einzelner
Blätter bestimmt. Drei Stunden lang soll nun das
Wasser in den Wurzelraum der
Reben sickern. Gruber muss für seine
Messungen früh aufstehen. Er misst immer morgens vor Sonnenaufgang, weil in der Nacht die Assimilationstätigkeit der
Rebpflanzen ruht und dann ein weitgehendes
Gleichgewicht zwischen
Bodenfeuchte und
Wassergehalt der
Rebe herrscht. „Nur so erhalte ich unverfälschte Informationen und kann die die Wassergabe richtig dimensionieren”, sagt Gruber. Dabei kalkuliert Gruber die Wassermenge immer sehr knapp, damit die
Rebe am nächsten Tag nicht „absäuft”, wenn doch einmal ein Sommergewitter den
Weinberg heimsuchen sollte.
Seit 2001 experimentieren die
Geisenheimer Weinforscher damit, bislang mit mageren Ergebnissen. „Die vergangenen zwei Jahre waren einfach nicht trocken genug, um deutliche Signale zu bekommen”, bedauert Professor Hans-Reiner Schultz, Leiter des Fachgebietes
Weinbau in Geisenheim. Zwar hätte der
Riesling in den bewässerten
Parzellen höhere Öchsle-Grade und somit höhere
Mostgewichte erreicht als in den trocken gebliebenen Kontrollflächen. Dieser reifeabhängige natürliche
Zuckergehalt im
Most ist für
deutsche Weine nach wie vor das wichtigste Qualitätskriterium. „Doch
Zucker ist nicht alles”, schränkt Schultz ein. „Die
Bewässerung soll sich ja auch günstig auf die
Entwicklung der
Aromastoffe auswirken”, fordert der Biologe.
Mit Interesse verfolgen die
Winzer im
Rheingau die Arbeit der Wissenschaftler. Erfahrungen mit
Bewässerung haben sie kaum. „Wir haben immer nur unsere Neuanpflanzungen vor dem ersten Ertragsjahr bewässert”, sagt Wilhelm Weil. Für die
Reben in den Ertragsflächen hatte sich die Frage nach einer zusätzlichen Wassergabe aus dem Schlauch auch nicht gestellt. In der Regel hatte es ja zu viel geregnet, selten zu wenig. Zudem waren gerade die trockenen die besten Weinjahre. „Ein niedriger Wasserstand im
Rhein bedeutete meist auch ein gutes Weinjahr”, verweist
Wilhelm Weil auf eine Parallele aus der
Historie des Weinbaus im Rheingau.
Der Leiter des Weingutes „Robert Weil” in Kiedrich erhofft sich von den
Geisenheimer Forschern Antworten auf die entscheidenden Fragen: Wann ist der optimale Zeitpunkt für eine
Bewässerung? Und wie
hoch darf die Wassergabe sein, damit die Pflanze zwar noch profitiert, die Erträge jedoch niedrig bleiben? Denn wer seine
Reben zuviel wässert, der erntet zwar jede Menge dicke
Trauben, doch geht diese Quantität am
Rebstock zu Lasten der Qualität im Glas. Nur wer Erträge reduziert, bringt hochwertigen
Wein in die
Fässer: „Unsere
Reben dürfen ruhig ein bisschen hungern, damit sie besondere
Qualitäten hervorbringen - mit kleinen Beeren, die
aromatisch und intensiv im Geschmack sind”, sagt Wilhelm Weil.
Weil zählt zu jenen Qualitätswinzern in
Deutschland, die durch konsequente Ertragsminderung im
Weinberg die weltweite Renaissance der deutschen Rieslingweine ermöglicht haben. „Wenn der
Rebstock hungert, entwickelt er langfristig ein tieferes Wurzelwerk im Boden, das fördert die Mineralität der Weine”, sagt Weil.
Gleichwohl begrüßt Weil eine wohldosierte
Bewässerung, die Spitzenqualitäten optimiert und dabei starken
Trockenstress der
Rebe vermeidet. Erfahrungen aus
Südafrika,
Kalifornien oder
Australien - wo die
Winzer ihre Rebstöcke routinemäßig wässern - helfen in
Deutschland nur bedingt weiter. Die Wassergaben müssen sich stets an den kleinräumigen örtlichen Bedingungen im
Weinberg vor Ort orientieren. Selbst im
Rheingau gilt es zu differenzieren. „Der steinige und flachgründige Schieferboden am steilen
Rüdesheimer Berg braucht bei der gegenwärtigen Gluthitze jeden dritten Tag eine Wassergabe”, sagt Stefan Seyffardt. Am Rauenthaler Berg dagegen kann der Boden dank seiner Lössanteile das
Wasser sehr viel besser halten. Daher muss
Seyffardt der Wasserhahn dort nicht so häufig aufdrehen.
Die
Dürre im
Weinberg hat oft ein gefürchtetes Phänomen zur Folge: UTA. Dieses Kürzel steht für „untypische Alterungsnoten”. Vor allem die
Aromasorten Müller-Thurgau und
Riesling altern zu schnell, häufig bereits sechs Monate nach der Gärung. Der
Wein hat dann eine blasse, wasserhelle Farbe. Er entwickelt nicht seine
sortentypische Frucht und Frische, sondern
riecht stumpf und
muffig nach nassem
Pappkarton, Sackleinen oder gar Mottenpulver, und schmeckt dabei
dumpf und bitter. „Die Ursachen für diesen
Weinfehler sind noch nicht eindeutig erforscht, doch dürften Wasser- und
Nährstoffmangel während entscheidender Phasen der Vegetationsentwicklung ein Hauptgrund sein”, sagt Berthold
Steinberg vom Fachgebiet
Weinbau in Geisenheim. „Diskutiert werden auch zu hohe Erträge bei zu niedrigem
Mostgewicht und eine zu frühe Lese.”
Möglich, dass dieser trockenheiße Sommer bei den
Winzern die Angst vor
UTA wachsen lässt. Für die Installation einer
Tropfbewässerung wären Investitionskosten von bis zu 5.000 Euro pro
Hektar fällig. Doch kaum ein
Winzer verfügt über Brunnen, die Grundwasser für seine
Weinberge bereit hielten. Und bei zunehmender
Dürre wären auch diese Vorkommen begrenzt. Es bliebe also die Frage, woher das
Wasser kommen sollte? Aus dem
Rhein? Dann müsste es mit viel Energieaufwand die
Weinberge hochgepumpt werden. Vom Wasserwerk? Das wäre auf Dauer zu teuer, meint Hans-Reiner Schultz: „Wir brauchen bis zu 60.000
Liter pro
Hektar und Bewässerungsdurchgang, und das dann vielleicht sechs- oder siebenmal im Jahr”.
Es müssten wohl große Reservoirs oberhalb der
Weinberge gebaut werden, die viel von den Niederschlägen im Winter und Frühjahr auffangen. Regenwasser für einen trockenen, glutheißen Sommer wie diesen. Stefan
Seyffardt dreht den Wasserhahn inmitten der
Rebflächen des Rauenthaler Berges wieder zu. Für die nächsten Tage dürfte die Wassergabe reichen.
Seyffardt hofft wie alle
Winzer auf den großen Jahrhundertjahrgang. Auch
Wilhelm Weil ist zuversichtlich beim Blick hinauf in „seinen” Gräfenberg. Gleichwohl mahnt er zur Zurückhaltung: „Am Schluss wird immer abgerechnet und selbst der beste
Wein kann im Glas noch umkippen.”