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Jeder kennt ihn, aber keiner trinkt ihn. Wer als vermeintlicher Weinkenner etwas auf sich hält, macht einen großen Bogen um den dünnen, nichtssagenden Weißen aus dem Discounter. Aber Achtung - Soave kann auch anders. Er hat zwar diesen miesen Ruf wegen der riesigen, in der Ebene erzeugten Massen, die vorwiegend in Deutschland und Großbritannien die Billigweinregale füllen. Andererseits gehört er zu den schönsten und ausdrucksstärksten Weißweinen Italiens, wenn er aus dem Hügelgebiet stammt. Es lohnt sich also durchaus, diesen östlich von Verona erzeugten Weißen mit dem schönen Namen genauer unter die Lupe zu nehmen.
Quellen Zahlen und Bildmaterial: Consorzio di Tutela Soave

Der Soave teilt sein Schicksal mit dem noch berühmteren Prosecco, der ebenso wie er zwei Gesichter hat. Wie beim Prosecco stammen auch die Spitzen-Soave aus Hügellagen und werden hauptsächlich von kleinen Familienbetrieben erzeugt. Der Großteil der Reben wächst jedoch im fruchtbaren Flachland längs der Autobahn VeronaVenedig und bringt in der Regel charakterlose, neutrale Weißweine hervor. Sie werden von Genossenschaften produziert, von anonymen Abfüllern vermarktet und bei uns im Supermarkt für weniger als 2,- Euro angeboten. Verständlich also, dass viele Konsumenten an Billigwein denken, wenn sie den Namen Soave hören.

Masse und Klasse

Insgesamt werden heute 47 Millionen Flaschen unter dem Namen Soave in Umlauf gebracht. Knapp 6300 Hektar Rebberge – in Ebene und Hügel – werden dafür bewirtschaftet. 2870 Traubenbauern, 190 selbstvermarktende Weingüter, 50 Abfüller – dies sind die Menschen hinter der Marke Soave.

Den Konsumenten wird es jedoch sehr schwer gemacht, sich zu orientieren. Wer achtet beim Einkauf schon auf das Kleingedruckte? Wen interessiert, ob da Soave, Soave Classico, Soave Colli Scaligeri oder Soave Superiore auf dem Etikett steht und was sich hinter diesen Bezeichnungen verbirgt?

Schauen wir mal etwas genauer hin: Von den 47 Millionen erzeugten Flaschen Soave tragen lediglich zwölf Millionen den Zusatz Classico. Sie stammen aus dem bereits 1931 definierten, als Classico-Zone bezeichneten Kerngebiet, das rund 1500 Hektar Rebberge umfasst. Im Süden wird es von den Orten Soave und Monteforte d’Alpone begrenzt und reicht im Norden bis Castelcerino und Brognoligo. Die meisten berühmten Winzer haben hier ihre Weinberge. Es wäre jedoch falsch zu glauben, außerhalb des Classico-Gebietes gäbe es nur Flachland und Massenwein. Zwar kommt aus der Ebene die als Soave DOC etikettierte Discounterware, aber rund um das Classico-Gebiet liegt eine weitere hügelige Unterzone, in der eine Reihe von hervorragenden Soave erzeugt werden (siehe auch Karte).

Quellen Zahlen und Bildmaterial: Consorzio di Tutela Soave

Vor rund fünfzehn Jahren hat man diesen Hügeln den Phantasienamen Colli Scaligeri gegeben. Dies war als Lösung für die Weine gedacht, die laut Produktionsreglement ebenfalls die einfache Bezeichnung Soave DOC tragen mussten und sich daher nicht von den Billigweinen abheben konnten. Anfangs wurde diese nicht gerade eingängige und für ausländische Zungen schwer auszusprechende Zusatzbezeichnung von vielen Winzern genutzt, heute findet man sie nur noch auf knapp 100 000 Flaschen. Sie wurde von den Verbrauchern einfach nicht verstanden. Die meisten Weine aus der künstlich geschaffenen Unterzone kommen heute daher wieder als Soave DOC auf den Markt – was die Kommunikation nicht gerade vereinfacht. Zusammenfassend kann man sagen, dass unter dem Namen Soave DOC sowohl Billigware (der überwiegende Teil) als auch Top-Qualität zu bekommen ist – natürlich zu völlig anderen Preisen.

Die Produktionsregeln schreiben sowohl für den Soave Classico DOC als für auch den Soave Colli Scaligeri DOC einen maximalen Hektarertrag von 14 Tonnen vor, während für den Soave DOC 15 Tonnen pro Hektar erlaubt sind. Obwohl sich die Erträge auf dem Papier nicht groß voneinander unterscheiden, muss man anmerken, dass der Maximalertrag für Weine im Hügelgebiet in der Praxis etwa zwischen 10 und 12 Tonnen liegt, in einigen Anlagen mit älteren Rebstöcken auch spürbar darunter.

Und was hat es mit dem Superiore auf sich? Der Soave Superiore DOCG wurde im Jahr 2001 eingeführt und bildet theoretisch die Spitze der Qualitätspyramide. Von diesen konzentrierten, alkoholreicheren Soave-Weinen werden jedoch lediglich 350 000 Flaschen gefüllt, da der Markt eher den frischeren, eleganteren Typ verlangt. Er darf in den Unterzonen Classico und Colli Scaligeri erzeugt werden, unterliegt aber strengeren Produktionsvorschriften: Der maximale Hektarertrag liegt bei 10 Tonnen, der Mindestalkohol bei 12 Volumenprozent, und er darf erst ab dem 1. April des auf die Lese folgenden Jahres in Verkauf kommen.

Quellen Zahlen und Bildmaterial: Consorzio di Tutela Soave

Nicht zu vergessen ist der Recioto di Soave DOCG, ein Süßwein aus angetrockneten Trauben, der in den Unterzonen Classico und Colli Scaligeri produziert werden darf. Für den Recioto werden in einer speziellen Vorlese die schönsten Trauben geerntet und sorgfältig auf Matten ausgelegt oder an Schnüren zum Trocknen aufgehängt. Dieses „appassimento“ genannte Verfahren hat jedoch nicht nur Wasserentzug zur Folge, sondern setzt eine ganze Reihe von mikrobiologischen Prozessen in Gang, die sich auf der Beerenhaut und in der Beere abspielen. Im Winter werden die Trauben gepresst und ein langsamer Gärvorgang beginnt. Die hohe Zuckerkonzentration macht den Hefen mit zunehmender Umwandlung in Alkohol zu schaffen, so dass die Gärung zum Stillstand kommt, bevor der ganze Zucker vergoren ist (der vorgeschriebene Mindestrestzuckergehalt beträgt 70g/l).

Der Recioto di Soave zählt zu den berühmtesten italienischen Passito-Weinen. Umso trauriger ist es, dass seine Produktion rückläufig ist, nur 100 000 Flaschen werden heute noch erzeugt.

Quellen Zahlen und Bildmaterial: Consorzio di Tutela Soave

Aufwertung durch anerkannte Lagen

Dass Soave nicht gleich Soave ist, hat neben dem Können und der Stilistik des Winzers auch mit der unterschiedlichen Bodenbeschaffenheit der Appellation zu tun. Ein großer Teil der Reben steht auf vulkanischen, schwarzen Böden, nämlich die im Hügelzug zwischen Soave und Monteforte d’Alpone sowie die am östlich gelegenen Hügel von Roncà. Die Reben bei Colognola und im Illasi-Tal im Westen der Appellation wachsen hingegen auf Kalkböden, ein dritter Teil in der fruchtbaren Po-Ebene. Zwangsläufig sind die Weine sehr unterschiedlich. Die Weine vulkanischer Böden sind mineralischer und kraftvoller, während die Kalkböden schlankere, feinere Weine mit fruchtigeren Aromen ergeben.

Um diese Eigenheiten zu einem Mehrwert für die Appellation zu machen, wurden die unterschiedlichen Mikroklimata und Böden über einen Zeitraum von gut 20 Jahren erforscht und schlussendlich 33 Großlagen, sogenannte „zusätzliche geografische Einheiten“ herausgearbeitet. 28 davon befinden sich in der Classico-Zone, drei weitere im Westen im Illasi-Tal und bei Mezzane sowie zwei im Osten der Appellation bei Roncà.

Die Namen dieser anerkannten Lagen, im Italienischen UGA genannt (unità geografiche aggiuntive), sind: Broia, Brognoligo, Ca’del Vento, Calvarina, Campagnola, Carbonare, Casarsa, Castelcerino, Castellaro, Colombara, Corte Durlo, Costalta, Costalunga, Coste, Costeggiola, Croce, Duello, Fittà, Foscarino, Froscà, Menini, Monte Grande, Paradiso, Pigno, Ponsara, Pressoni, Roncà-Monte Calvarina, Rugate, Sengialta, Tenda, Tremenalto, Volpare, Zoppega. Auf der interaktiven Karte des Konsortiums können interessierte Soave-Liebhaber die einzelnen Lagen näher studieren.

Damit ein Soave einen dieser geografischen Zusätze auf dem Etikett tragen darf, müssen die für ihn verwendeten Trauben ausschließlich aus Rebbergen der entsprechenden Lage stammen und separat vinifiziert worden sein. Strengere Produktionsregeln in Form von niedrigeren Hektarerträgen sind nicht vorgeschrieben. Erstmals erscheinen die Zusatzbezeichnungen auf Flaschen des Jahrgangs 2019. 23 der insgesamt 33 möglichen Lagenbezeichnungen wurden für diesen Jahrgang bereits von Winzern genutzt. Laut Konsortium sind rund 3,5 Millionen 2019er-Soave mit Lagenbezeichnung abgefüllt worden.

Mit der Einführung der Großlagen sollen die Soave aus Hügellagen aufgewertet werden. Der Weinliebhaber erfährt auf diese Weise, von wo genau der Wein stammt, den er trinkt und hat durch sie zusätzlich die Möglichkeit, die Auswirkungen der unterschiedlichen Kombinationen von Böden, Höhenlage und Klima kennenzulernen.

Quellen Zahlen und Bildmaterial: Consorzio di Tutela Soave

Terroir-Wein

Soave ist selten eine intensiv aromatische Fruchtbombe, sondern überzeugt in der Nase stets mit dezenten Noten, die oft an weiße Blüten, reife gelbe Steinfrüchte und Zitrus erinnern. Umso wichtiger ist es, dass der Winzer im Keller sauber arbeitet: Hygiene, Temperaturkontrolle und reduktiver Ausbau sind Voraussetzung, um die feinen Unterschiede der Lagen präzise herauszuarbeiten.

Man kann sagen, dass für den Charakter eines Soave die Anbaubedingungen ausschlaggebender sind als die Sorten. Die Rebsorte Garganega bestimmt den Wein mit einem Mindestanteil von 70 Prozent, bis zu 30 Prozent dürfen aber auch Trebbiano di Soave und Chardonnay verwendet werden. Der Trebbiano ist für viele Winzer zwar sehr wichtig, da er der eleganteren Garganega Struktur und Komplexität verleiht und gleichzeitig eine gute Säure mitbringt. Trotz seiner positiven Eigenschaften ist die Anbaufläche für ihn in den vergangenen Jahren aber stetig zurückgegangen, denn im Vergleich zur Garganega ist er weniger ertragreich und schwieriger im Anbau. Heute sind rund 6000 Hektar mit Garganega, 110 Hektar mit Trebbiano und 216 Hektar mit Chardonnay bepflanzt.

Quellen Zahlen und Bildmaterial: Consorzio di Tutela Soave

Erzogen werden die Reben vorwiegend in der traditionellen Veroneser Pergola, die zwar in der Vergangenheit in Misskredit gekommen war, nun aber insbesondere in Zeiten des Klimawandels wieder eine Renaissance erfährt, weil die Trauben bei dieser Erziehungsart nicht der direkten Sonnenbestrahlung ausgesetzt sind. Gut 85 Prozent der Reben wachsen heute wieder im Pergola-System und werden manuell bearbeitet. Spaliererziehung (Guyot) findet man fast ausschließlich in der Ebene, wo maschinell geerntet wird.

Soave zum Agrarkulturerbe gekührt

Im November 2018 wurden die Weinberge von Soave als erstes italienisches Weinanbaugebiet von der Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen als Agrarkulturerbe ausgezeichnet (Globally Important Agricultural Heritage Systems). Folgende Aspekte waren dafür ausschlaggebend: die Reberziehungsmethode der Veroneser Pergel, die mit Trockenmauern gesicherten Rebterrassen, die Recioto-Produktion aus angetrockneten Trauben sowie die Tatsache, dass in Soave der Weinbau trotz geringer mittlerer Betriebsgröße seit 200 Jahren rund 2500 Familien ein Einkommen sichert. In der Tat ist die Gegend zwischen Monteforte und Soave seit über 100 Jahren weitestgehend unverändert geblieben.

Dass Soave ein wunderbarer Weißwein sein kann, beweist wein.plus übrigens seit vielen Jahren regelmäßig mit seinem BEST-OF. Zur aktuellen Ausgabe geht es hier.

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