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Auch ich kann es nicht lassen, auch ich ziehe ab und zu von Château zu Château - von Königshaus zu Königshaus in der „Weinwelt” Bordeaux. Meist nicht allein, sondern organisiert in einer Gruppe, jetzt gerade mit etwa zwanzig Weinfreunden aus Deutschland: Schlosstourismus!

Alle fünf „Premier cru classé” (1855) werden abgehakt; jetzt im Herbst, wo die die neuen Weine im Entstehen sind, meist mitten in der malolaktischen Gärung. Es ist ruhig auf den Weingütern, im Weinberg wird aufgeräumt, die Rauchschwaden ziehen über das goldgelb funkelnde Blättermeer, die Herbstsonne wärmt noch einmal den Boden und gibt Kraft für die Winterzeit.

Auf „Margaux” empfängt uns eine immer freundlich lächelnde, „vornehme” Dame. Sympathisch, sie scheint alles zu wissen, alles zu kennen, auch uns ungeduldige Weinfreunde,  die immer sogleich alles sehen, alles wissen, alles erfahren möchten. Die Stresszeit ist auch beim Schlosstourismus jetzt vorbei, die Besucher (Anmeldung immer Voraussetzung) sind spärlicher geworden. Trotzdem: ein Schlossbesuch nimmt gut anderthalb Stunden in Anspruch, Wein-Verkostung inbegriffen.

Das prächtige Herrschaftshaus von Château Margaux wirkt abweisend und verschlossen

Es ist immer das gleiche, längst bekannte Ritual. Auf Margaux empfängt in der Regel immer die gleiche, elegante Dame die Besucher: sie ist Norwegerin und kommt mir vor wie die Schlossherrin selber. Natürlich ist sie „nur” die „Begleit- und Empfangsdame”, die sich aber - das spürt man - auf dem Weingut gut auskennt und ganz identifiziert. Der Ablauf ist genormt, da gibt es kaum Überraschungen, nicht einmal bei den Fragen allzu wissbegieriger Besucher.

Einen Kellermeister, einen Verwalter, einen Önologen oder gar einen Besitzer bekommt man garantiert nicht zu Gesicht. Auf diesen Châteaux - sie mögen noch so herrschaftlich gebaut sein - leben keine Winzer, keine Winzerfamilie. Hier wohnt das Kapital. Die Besitzer und Investoren leben anderswo, dort wo Geschäfte abgewickelt werden, in Paris, in London, in….

Natürlich hat der Besitzer auch hier einen Namen: Corinne Mentzelopoulos, die Tochter eines eingebürgerten Griechen, der 1977 das Weingut „Margaux” gekauft hat. Bis vor vier Jahren war auch Fiat-Besitzer Giovanni Agnelli mit gut 70% am börsenkotierten Unternehmen beteiligt, doch seine Erben verkauften ihre Anteile.

Blick von Château Latour über die herbstlichen Reben auf die Ortschaft Pauillac

Trotzdem hat man als Besucher auf Château Margaux das Gefühl, auf einem Weingut zu Besuch zu sein und nicht nur eine Weinfabrik zu besichtigen. Auch wenn alles groß ist und mächtig: zuallererst das verschlossene, dominierende Herrschaftshaus, dann aber auch die Gärtanks aus Holz, die Lagerhallen, die beiden romantisch anmutenden Keller, die Katakomben mit alten Weinen… Die Fass-Küferei erweckt den Eindruck von Kleinhandwerk, die wenigen Angestellten, die jetzt im Keller beschäftigt sind, der Laubbläser, der den Platz säubert… all dies vermittelt den Gefühl eines überblickbaren, stattlichen Weinguts, das eine Seele hat.

Weiter nördlich besuchen wir anderntags die beiden  Rothschild-Güter. Sie spielen im globalen Weingeschäft in der gleichen Liga, gemessen an den Primeurpreisen von weit über 500 Euro. „Mouton” gleicht schon eher einer „Fabrik”, in der eben Wein gemacht wird. Alles ist schön, perfekt, veredelt, doch weit unpersönlicher, noch geregelter. Man riecht das Geschäft mehr als den Wein: im Museum keine Fotos, dort kein Zutritt, hier rasch durchgeschleust. Es gibt auch einen „Fabrikladen”, wo nebst Souvenirs auch einige Einzelflaschen zu kaufen sind.

Die Katakomben von Mouton Rothschild mit der Réserve des Hauses

Empfangen wird man auch hier von „Empfangsdamen”, gut geschult, aber austauschbar, sie machen eben ihren Job, sogar gut, erzählen aber wohl immer das Gleiche. Was ist anders hier, was ist gleich? Die Unterschiede verwischen sich oder sind nur für Kenner ersichtlich. Einzig der obligate Einführungsfilm strahlt neben Geschäftstüchtigkeit ein bisschen persönliche Weinmacherphilosophie aus: schließlich war Philippine Rothschild, welche die Besucher im Film willkommen heißt, Schauspielerin, bevor sie das Erbe ihres Vaters angetreten hat.

Und noch etwas ist anders: die Verkostung. Ein ausgebildeter Sommelier präsentiert Fassproben von „Armailhac” (gehört zu „Mouton”), „Petit Mouton” und „Mouton” (Erstwein). Er spricht über den Charakter der Weine; und zwar so differenziert und glaubwürdig, dass man damit - auch als Laie - etwas anfangen kann. Den versierteren Weingeniessern mag es dadurch sogar gelingen, das Potential der Fassproben einzuschätzen.

Die Bodenschichten% präsentiert auf Château Lafite Rothschild

Das „Schwestergut”, Lafite-Rothschild, im Besitz der französischen Linie der Rothschilds, hat eine noch wechselvollere Geschichte. Es präsentiert sich viel traditionsbezogener, aber auch statischer als das südlicher liegende „Mouton”. Da gibt es auch keine charmanten „Empfangsdamen”, die durch das Weingut führen, sondern einen Herrn, der sich als „Weinmacher” vorstellt. Man hat das Gefühl, er musste nichts auswendig lernen. Entsprechend wirken seine Erklärungen und Kommentare viel authentischer als bei allen andern Premiers. Die Präsentation bezieht sich weniger auf Show-Effekte und Anekdoten als auf Fakten, welche den Wein von „Lafite” bestimmen. Zum Beispiel das Mikroklima, die Schichtung im Boden, die Methoden der Weinbereitung…

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Krönender Abschluss des Rundgangs ist der Rundkeller von Star-Architekt Ricardo Bofill, immer noch als einziger kreisförmiger Weinkeller der Welt vorgestellt (was nicht stimmt, denn in China haben wir auf „Great Wall” eine Kopie angetroffen). Im stimmungsvollen Keller wird - ebenfalls sehr professionell - ein reifer „Lafite” offeriert, vor gut drei Stunden dekantiert: Jahrgang 1994. Also nicht einfach die Probe eines noch viel zu jungen Weins, sondern ein halbes Glas Weingenuss.

„Latour” - eigentlich der Primus unter den Wein-Königen - zeigt ausschließlich seine neuen, hochmodernen Anlagen: keine Pumpen, nur die Technik der Schwerkraft wird genutzt, jedes Detail im Cave computerüberwacht und -gesteuert: Technik der Superklasse. Doch ich habe das Gefühl, wenig willkommen zu sein, eher freundlich geduldet und stets - wie beiläufig - genau überwacht. Hier scheinen sich große Erfahrung, ein wunderbares Terroir, eine bewährte Tradition, viel Wissen, ein hervorragender Ruf und modernste Anlagen mit viel, viel Geld vermählt zu haben. Das Resultat mag ausgezeichnet sein - wir konnten einen „Pauillac” (Drittwein) 2006, einen „Les Forts de Latour” (Zweitwein) 2003 und einen „Latour” 2001 verkosten. Über den Wein konnte die Dame nicht viel mehr sagen, als die genaue Zusammensetzung der Rebanteile. Dann war es 12 Uhr, Mittagspause, und wir werden - wie getrieben von einer Fabrikuhr - höflich verabschiedet. Au Revoir!

Die modernsten Gärtanks auf Château Latour

Der Fünfte im Bunde, eigentlich mein Liebling, ist Haut-Brion in Pessac Léognan. Das stolze Weingut konnte mich nur halbwegs versöhnen: Wiederum diese charmante, gut eingeschulte Begleitdame. Der übliche Rundgang durch die Tankräume, den Cave, doch der eindrucksvolle Keller mit der „Reserve de la Maison” blieb verschlossen. Viel wichtiger war die immer wieder erzählte Geschichte - nun 72 Jahre alt - vom amerikanischen Bankier, der eigentlich Cheval Blanc kaufen wollte, sich aber im Nebel bei „Haut-Brion” verirrt hat und dann eben dieses Weingut erwarb.

Doch das Personal war halbwegs entschuldigt, denn am Abend zuvor wurde auf Haut-Brion das traditionelle Ernte-Abschlussfest gefeiert, mit allen Angestellten. Da war eben - zumindest für diesen einen Tag - die „Luft draußen”!

Allerdings das „Anhängsel” war dann noch sensationell: Ein kurzer Besuch im renovierten und komplett neu ausgebauten Château Mission Haut-Brion. Es gehört zum gleichen Weingut und liegt auf der anderen Straßenseite.

Diese letzte Stippvisite hat mich dann doch versöhnt mit all der Routine und den vielen Showeffekten, die selbst dem außersaisonalen, spätherbstlichen Schlosstourismus eben innewohnen.

Herzlich
Euer/Ihr Peter (Züllig)

 

 

 

 

 

 

 

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