wein.plus
ACHTUNG
Sie nutzen einen veralteten Browser und einige Bereiche arbeiten nicht wie erwartet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser.

Anmelden Mitglied werden

„Sind Sie ratlos, was Sie Ihren Lieben schenken wollen? Für alle ideenlosen Wei(h)nachtsmänner und -frauen hat XY ein paar originelle Wein-Geschenke gesucht und gefunden.“ Die Festtage sind wieder vorbei, das rituelle Weihnachtsschenken ist überstanden, der Geschenkemarathon abgeschlossen. Die Weine, die wir erhalten haben, sind bereits getrunken, im Keller versorgt oder sie stehen (schon fast verloren) irgendwo herum. Schenken ist Glückssache, denken viele und verzichten (zumindest an Weihnachten) darauf. Andere ereifern sich in verschiedenen Foren über den Sinn des Schenkens und die Unmöglichkeit, den Geschmack eines andern zu erraten. Immer wieder taucht da auch die Frage auf: „Eignet sich eine Flasche Wein als Geschenk?“ Ganz bestimmt sogar, behaupten natürlich die Weinhändler und liefern gleich eine Begründung: „Mit einem sehr guten Wein kann man Weinliebhabern und Kennern Freude bereiten.“ Anders das Urteil in einem Blog: „Schenken Sie nie Wein an Weihnachten, der eignet sich zum Trinken, aber nicht zum Schenken.“

 

Auf der Suche nach dem passenden Weingeschenk (Foto: P. Züllig)

Tatsächlich sind Weingeschenke eine verzwickte Sache, selbst wenn man den Empfänger bzw. die Empfängerin gut zu kennen glaubt. Was hat er/sie wirklich gern? Was bereitet echte Freude und was kommt beim Empfänger nur als „Anstandsgeschenk“ an? Der Weinhändler meint: „Eine gute Flasche bereitet immer Freude!“ Doch was ist „eine gute Flasche, ein guter Wein“? Welche Kriterien sind da entscheidend? Die Parker- (oder anderen) Punkte, der Preis oder gar der Geschmack des Schenkenden? Es ist genauso schwierig, einen Weinliebhaber und -kenner mit Wein zu beglücken wie den so genannten (meist selbstdeklarierten) Laien, der sich naiv und unwissend gibt. So unwissend, wie er sich auch geben mag, ist er (oder sie) nicht, denn die eigenen sensorischen Fähigkeiten, der eigene Geschmack, das eigene Urteil sind immer da, auch wenn nicht darüber gesprochen wird.

Die Vorbehalte gegenüber dem Wein-Schenken sind also nicht ganz aus der Luft gegriffen. Was allerdings nicht nur für Wein, vielmehr für jedes rituelle Schenken gilt. Die Umtauschschlacht am 27. Dezember, die dabei genervten Verkäuferinnen und Verkäufer liefern den besten Beweis.
Weine lassen sich aber nicht umtauschen. Sie offenbaren ihren inneren Wert (also den Sinn des Geschenks) erst, wenn sie geöffnet sind und getrunken werden. Doch dann ist es zu spät, es gibt kein Zurück. Der Zweck (Freude zu bereiten) wird erfüllt oder eben nicht erfüllt. Mitunter (gar nicht selten!) kehrt er sich ins Gegenteil: Puhhh… So viel Geld, so viele Parker-Punkte, so viel Weinverstand lösen sich oft in Enttäuschung auf. Da mag der Goodwill und das Bemühen des Schenkenden noch so groß gewesen sein.

 

Wein mit versteckten Botschaften – allzu oft werden sie missverstanden (Foto: P. Züllig)

Auch das Wein-Schenken an Weinkennerinnen und Weinkenner hat seine Tücken. Kaum ist das verhüllende Geschenkpapier weg, tauchen im Kopf des Beschenkten Rangordnungen auf: Preis, Qualität, Punkte, Rarität… – eben all das Wissen, das den Weinkenner zum Kenner macht. Doch dieses Wissen ist auch immer verknüpft mit Erfahrungen, Urteilen, Vorurteilen und nicht zuletzt mit Skepsis. Meine Erfahrung: Es ist nichts so schwer, wie einen Weinliebhaber von Weinen zu überzeugen (oder ihn gar damit zu beglücken), die er (noch) nicht kennt. Zwei Dinge machen ja den Status als Kenner aus, dass er alles Gute ja längst kennt und (bestenfalls) bereit ist, etwas Gutes selber neu zu entdecken (aber doch nicht belehrt zu werden durch ein Geschenk).

Noch schwieriger wird die Situation bei Firmengeschenken. Da gerät man leicht von der Nettigkeit in den Verdacht der „Bestechung“ oder gar in den Fokus der Steuerbehörden. Ein Chef, der seinen Angestellten (für ihre gute Arbeit) ein paar Flaschen Wein zukommen lässt, muss auch gleich den Wert des „Geschenks“ angeben, denn ab einem gewissen (schon kleinen) Betrag ist die vermeintliche Wohltat (für den Empfänger) steuerpflichtig. Ein Geschenk mit Wertangabe, eigentlich undenkbar! Was geschieht, wenn der Auftraggeber einer Firma als Dank für die erfolgreiche Zusammenarbeit den Direktbeteiligten (mit denen er es fast täglich zu tun hat) eine oder mehrere Flaschen schenkt? Da wird womöglich der/die Angestellte in große Not gebracht. So mancher Chef wittert dahinter gleich Bestechung und droht (wie dokumentierte Beispiele zeigen) gar mit der Kündigung.

 

„Vin de merde“ (merde = Scheiße)% eine witzige% ironisch gemeinte Weinbezeichnung – wohl kein geeignetes Weingeschenk (Foto: P. Züllig)

Wein-Schenken ist also nicht ganz „ungefährlich“, sei es im privaten Bereich oder im Geschäftsleben. Da lauert in jeder Flasche nicht nur ein guter, sehr oft auch ein schlechter Geist. Auch wenn es meist nur der Geist der Urteile und Vorurteile ist. Der gutmeinende, ahnungslose Schenkende gerät unversehens in den Strudel der versteckten Botschaften. Ein junger Wein – zum Beispiel – kann ein Geschenk für später sein: lagern, weglegen, warten (womöglich Jahre). Vielleicht ist der Schenkende beim Genuss schon längst vergessen. Ein alter Wein hingegen weckt oft und gern den Argwohn: Kellerleerung, Entsorgung? Ein bekannter Wein – ein geläufiger, anerkannter Name (als „sicherer“ Wert gedacht) – zeugt vielleicht (oft zu Unrecht) von Phantasielosigkeit. Ein wenig bekannter Wein hingegen hat den Geschmackstest zu bestehen (und kann da so leicht durchfallen).

Wie immer man es macht, Fingerspitzengefühl ist gefragt. Ein Wein kann ohne jeglichen Hintergedanken ausgewählt werden und dennoch beim Beschenkten den Eindruck einer versteckten Botschaft hinterlassen. Zum Beispiel: Der Wein, der beim gemeinsamen Essen aufgetischt wurde, war nicht gut genug? Oder: Es wäre an der Zeit, mehr Australier, Kalifornier, Bordeaux… zu trinken. Oder: Dein Lieblingsrosé ist doch kein ernstzunehmender Wein, trink lieber diesen Roten. Oder…

Es gibt kaum etwas, was so der allgemeinen und pauschalen Kritik ausgesetzt ist wie der Wein. Professionelle Degustatoren setzen Maßstäbe, weltweit, versehen mit Punkten, Sternen oder Gläsern. Jahrgänge und Weingüter werden eingeordnet in gut und böse. Weine werden nicht nur beschrieben, sondern auch taxiert. Selbst der Laie bekommt davon etwas mit, zumindest so viel, dass er versucht ist, wenigstens die Wertung und den Preis zu eruieren. Spätestens da wird so manche gut gemeinte Gabe zum Danargeschenk (laut Duden: „verdächtiges Geschenk, das sich für den Empfänger als unheilvoll und schadenstiftend erweist“).

Das wohl schlechteste Beispiel habe ich vor einem Jahr im Kreis von selbsternannten Wein-Enthusiasten erlebt. Unter dem Motto „Geschenke erhalten die Freundschaft“ sandte man sich in der Bloggerszene – gleichsam im Kettensystem – einen Wein zu, der vom Empfänger zu beurteilen war. Dies bedeutete viel Aufwand: auswählen, kaufen, verpacken, versenden… und dann erst noch der Kritik ausgesetzt sein. Natürlich war jede und jeder bemüht, nur das Beste, Interessanteste und Persönlichste zu „verschenken“. Zumindest für einen oder eine der Teilnehmer/-innen ging dies gründlich daneben. „Sein“ oder „ihr“ Wein wurde von den Empfängern zerpflückt und „verrissen“, als ginge es darum, die eigene Weinkompetenz zu Schau zu stellen; dies in aller Öffentlichkeit, als hätte da jemand Pest und Cholera statt Wein versandt. Spätestens seit dieser Episode weiß ich: Geschenke machen längst nicht immer Freude (und erhalten auch nicht jede Freundschaft).

Herzlich
Ihr/Euer

Mehr verwandte Stories

Alle anzeigen
Mehr
Mehr
Mehr
Mehr
Mehr
Mehr
Mehr
Mehr
Mehr
Mehr

Veranstaltungen in Ihrer Nähe

PREMIUM PARTNER