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Deutscher Spätburgunder galt den meisten Rotweinliebhabern selbst im eigenen Land bis vor kurzem noch überwiegend als minderwertig - und in den Augen vieler Weinfreunde ist er das auch immer noch. Das liegt vor allem daran, dass schon bald nach dem Krieg einfache, süßliche, unkomplizierte Weine in Mode kamen. Die Einführung der Maischeerhitzung an breiter Front sorgte zusätzlich dafür, dass klassischer, hochwertiger Rotwein aus Maischegärung in Deutschland zu einer Rarität wurde.
 
Die Sorte des Verlangens: Spätburgunder
Erst mit dem Aufkommen der Barrique-Mode Mitte der 80er erwachte auch in Deutschland wieder der Ehrgeiz, international konkurrenzfähigen Rotwein zu produzieren. Doch nur wenigen Erzeugern ist es bislang gelungen, regelmäßig Spätburgunder zu keltern, die zu hochklassigen Gewächsen aus Burgund in Konkurrenz treten können. So erholte sich der schlechte Ruf des deutschen Rotweins nur langsam und trotz oft sehr guten Qualitäten und drastisch ansteigender Produktionsmengen käme auch Heute noch niemand auf die Idee, Deutschland als klassisches Rotweinland zu bezeichnen.
 
So scheint das Wissen um die alte Rotweintradition im Lande inzwischen fast völlig verschüttet zu sein. Zentrum dieser Tradition ist zweifellos Assmannshausen am Rhein, hinter Rüdesheim am nördlichen Ende des Rheingaus. Schon seit dem 15. Jahrhundert ist hier der Spätburgunderanbau urkundlich verbrieft und wieder einmal war es Johann Wolfgang von Goethe, der uns in einer Notiz vom Binger Rochusfest aus dem Jahr 1814 ein Zeugnis von der Qualität der Spätburgunder aus dem Assmannshäuser Höllenbergs hinterließ.
 
Ganz so weit reichen die Bestände nicht zurück in den Archiven des Staatsweinguts in Assmannshausen. Aber doch weit genug, um einer kleinen Gruppe vom Weinmagazin "Fine" eingeladener Gäste an einem Vormittag im September 2008 eine beeindruckende Leistungsschau aus längst vergangenen Zeiten zu bieten. 12 Weine aus Jahrgängen zwischen 1928 und 1959 standen zur Verkostung bereit, nachdem man sie bereits zwei Tage vorher geöffnet, vorprobiert und für vorzeigbar befunden hatte. Es waren Weine also in einem Alter, von dem man fast nur noch dann in Ehfrurcht spricht, wenn es sich um die ganz großen Namen aus den berühmtesten Anbaugebieten Frankreichs oder um Portwein handelt.
 
Präsentierte die Weine launig und vor allem kenntnisreich: Dieter Greiner - Geschäftsführer des Weingutes Kloster Eberbach / Staatsweingüter Hessen
Deutschen Rotwein in diesem Alter hat wohl kein Jäger verlorener Wein-Schätze auf seinem Fahndungszettel. Sollte er aber. Denn was an diesem Vormittag auf den Tisch kam, war bemerkenswert, immer erstaunlich, oft begeisternd. Selbst die älteste Probe strahlte noch immer eine Frische aus, die man nie für möglich gehalten hätte. Sprachlos hinterließ einen auch, welche Qualitäten hier noch in den schlimmsten Kriegsjahren unter denkbar katastrophalen Bedingungen erzeugt wurden. Gerade die Jahrgänge 1945, 1946 und 1947 bilden ein Triumvirat großartiger Spätburgunder, wie es auch den berühmtesten Grands Crus Burgunds gut zu Gesicht stünde. Doch auch der bereits erwähnte 28er sowie der berühmte 37er machen klar, welches Potenzial in dieser großartigen Lage steckt. Die Weine aus den 50ern sind ebenfalls beachtlich, wobei hier bereits der Trend zu mehr Restsüße auffällt.
 
Und auch eines wird ganz nebenbei wieder deutlich: wenn es zur Produktion erstklassiger, über Jahrzehnte entwicklungsfähiger Rotweine eines unter Garantie nicht braucht, dann ist dies der Ausbau in Barriques aus neuem Eichenholz. Die Erfahrungen der letzten 20 Jahre deuten eher auf das Gegenteil hin. Vielleicht brächte diese Erkenntnis die vielen engagierten neuen und alten Rotweinproduzenten im Land ein ganzes Stück weiter auf ihrem Weg zurück zu glorreicheren Zeiten.
Die Staatsdomäne in Assmannshausen
Die Probe fand am 11. September 2008 in den Räumen der Domäne Assmannshausen statt. Dank ausführlicher Arbeitsberichte aus dieser Zeit sind die Umstände und Daten von Weinbergsarbeit, Lese und Weinverarbeitung aus fast allen Jahrgängen bis heute überliefert.

Die verkosteten Weine im Überblick 
 
1928 Assmannshäuser Höllenberg Spätburgunder Cabinet
Ein warmes, sonnenreiches Jahr. Die Lese begann am 1. Oktober, die Hauptlese endete am 24. Oktober. Winziger Ertrag von 2,7 hl/ha.

 
89 Helles, glänzendes Granat. Fest und lebendig in der Nase, würziger Duft nach teils angetrockneten roten Beeren und viel Cassis mit leichten Feigentönen, zart altholzigen Noten und deutlicher Mineralität. Auch im Mund fest gewirkt, aber eher schlank, präsente Säure, sehr feines Tannin, viel Biss am Gaumen, zart holzige Würze im Hintergrund, sehr gute Nachhaltigkeit und gewisse Tiefe, unglaublich frisch, relativ lang.
 
Bedingt durch starke Verrieselung wieder ein sehr geringer Ertrag. Beginn der Lese am 15. Oktober, aber die Lese zog sich - vor allem wegen Platzmangel - bis Anfang November hin. Frost in der Nacht vom 22. auf den 23. Oktober.

 
84 Granat mit rehbraunem Einschlag. Leicht gereifte, eine Spur verwaschene, gemüsige Nase mit malzigen Anklängen, mit Luft etwas klarer und auch kühler, mit rotbeerigen Tönen und Cassis. Auch im Mund ein wenig verwaschen wirkend, wieder auch malzig-gemüsig, dazu auch rote und schwarze Beeren, leichter Säurebiss, etwas sandige, trocknende Tannine, gewisser Schmelz, trocknet mit Luft aber weiter aus, guter Abgang.
 
Gutes Jahr mit dem höchsten bis dahin registrieren Ertrag von rund 55 hl/ha. Hauptlese vom 5. bis zum 23. Oktober.

 
92 Rubin-Granat mit rehbraunen Noten. Viel Cassis in der Nase, Salbei, etwas Malz und Karamell, aber auch rote Beeren. Weich, reif und saftig im Mund, relativ präsente Frucht, Cassisaromen und wieder Salbei, feiner Säurebiss, ganz leicht sandige Tannine, zarte Holztöne, mineralisch am Gaumen, nachhaltig, relativ warmer Stil, tief und sehr lang.
 
1938 Assmannshäuser Höllenberg Spätburgunder Cabinet
Eine späte Blüte, aber ein teilweise sehr heißer Sommer holte den Reiferückstand wieder auf, feuchtes Wetter ab Ende August sorgte für Fäulnis. Der Oktober war allerdings weitgehend trocken und rettete die Qualität. Die Lese des Spätburgunders zog sich vom 6. bis zum 27. Oktober hin, wobei es gegen Ende der Lese wieder zu regnen anfing.

 
85 Glänzendes Granat bis Rehbraun. Leicht verwaschener Duft nach Salbei und anderen Kräutern, Malz, kandierten schwarzen Johannisbeeren und Tabak. Weich und würzig im Mund, wieder ganz leicht verwaschen wirkend, malzige Noten und pflanzliche Noten, leicht sandiges Tannin am Gaumen, gewisser Schmelz, nicht allzu tief, aber schön zu trinken, leicht sandiger und malziger Abgang.
 
Nach einem harten Winter waren die Aussichten auf eine vernünftige Erntemenge ohnehin schon gering, Verrieselung und Schädlingsbefall dezimierten die Menge noch einmal drastisch auf zuletzt nur noch 4,5 hl/ha. Das trockene Wetter ab August, vor allem das freundliche Lesewetter sorgten dennoch für sehr gute Qualität. Die Hauptlese begann am 12. und endete am 20. Oktober.

 
86 Eher helles Rehbraun. Würziger, mineralischer Cassisduft, etwas rote Beeren und Salbei. Feinsaftige Frucht und viel Säure im Mund, Kräuternoten, präsente, teils trocknende Tannine, gewisser Schmelz am Gaumen, gute Nachhaltigkeit und Tiefe, mineralische Noten, leicht sandig-trocknender Abgang.
 
1943 Assmannshäuser Höllenberg Spätburgunder Cabinet
Galt als einer der besten Jahrgänge seit Beginn der Aufzeichnungen. Nach ungünstigem Blütewetter, das für eine starke Durchriueselung sorgte, folgte eine lange, trockene und warme Vegetationsperiode. Auch das Erntewetter zwischen 6. und 19 Oktober war optimal. Der Ertrag belief sich nur auf 25 hl/ha bei hervorragender Qualität. Aus Mangel an Lesepersonal wurden im Herbst zum Teil Schulkinder eingesetzt.

 
84 Helles Rubin-Granat. Leicht malziger und gemüsiger Duft nach schwarzen und roten Beeren mit leicht käsigen Anklängen. Etwas verwaschen wirkende Frucht im Mund, süßlicher Schmelz, Malz- und Kandisaromen, pflanzliche Noten, sahnige und auch wieder ein wenig käsige Töne, relativ sandiges Tannin, gute Nachhaltigkeit am Gaumen, guter Abgang.
 
1944 Assmannshäuser Höllenberg Spätburgunder Cabinet
Ungünstiges Wetter während der Blüte und trübe Witterung bei der Lese (die Hauptlese fand zwischen dem 10. und dem 21. Oktober statt) sorgten für geringe Menge bei mäßiger Qualität. Wieder mussten im Herbst mangels Personal Schulkinder und Landjahrmädchen bei der Lese eingesetzt werden. Immer wieder wurde die Ernte durch Luftalarm und Tiefflieger gestört.

 
81 Nicht ganz klares Orange-Rot. Pflanzliche, leicht petrolige Nase mit etwas verwaschenen rot- und schwarzbeerigen Noten und etwas Tabak. Vegetabil auch im Mund, sandig-raue Tannine, leicht verwaschene Beerentöne, Karamell und Cassis, ordentlicher Abgang.
 
Wieder eine laufend durch Luftangriffe gestörte Weinbergsarbeit, ab 18. März auch zunehemnd Artilleriebeschuss. Amerikaner, Polen und Litauer dezimierten die Weinbestände. Die Frauen des Ortes erledigten den Weinausbau.

 
92 Glänzendes Rubin-Granat. Sehr schöner, absolut typischer, feinwürziger und kräuteriger Duft nach reifen roten Beeren und viel Cassis mit mineralischen und auch leicht schwefligen Tönen. Reife, glasklare, relativ warm wirkende Frucht, recht präsente Tannine, mineralisch am Gaumen, nachhaltig, wirkt erstaunlich frisch, tief und lebendig, zart holzige Beitöne, sehr guter, wenn auch leicht sandig-trocknender Abgang. Nur der leicht spürbare Schwefel verhindert eine noch höhere Wertung.
 
Warmes Frühjahr, aber kühle Witterung während der Blüte, durchwachsener Sommer.

 
91 Relativ dunkles Rubin-Granat. Holzwürziger Duft nach teils eingemachten, reifen roten und schwarzen Beeren mit rauchig-röstigen Tönen, zart malzigen Noten und Aromen getrockneter Blüten. Reife, klare Frucht mit zart pflanzlichen Tönen, viel Saft und süßlicher Schmelz, fester Bau, noch recht frisch, gute Tiefe, mineralische Noten, erstaunliche Nachhaltigkeit, sehr lang.
 
Noch immer gab es wenig geschultes Personal für die Weinbergsarbeit, aber das heiße, trockene Jahr erleichterte die Arbeit. Es wurde ausschließlich gesundes Lesegut eingefahren. Die Hauptlese fand vom 24. September bis zum 8. Oktober statt.

 
93 Eher dunkles Granat. Hochreife, eher dunkle Beeren in der Nase, etwas likörartige Noten, süßliche Gewürzanklänge, Malz, ein Hauch Schokolade und auch holzige Spuren. Hochreif auch im Mund, kandierte Frucht, Zwetschgen, dunkles Karamell und wieder auch Malz, feinsandiges, mürbes Tannin, süßer Schmelz und wenig Säure, kraftvoll, tief und Nachhaltig, in bestechender Form, ohne Alterstöne, warmer Stil, sehr lang.
 
Durch Verrieselung nur eine mäßige Ernte von 30 hl/ha, optimaler Wetterverlauf, im Herbst trocken, aber auch neblig und dunstig, sehr hohe Mostgewichte.

 
86 Eher helles Rubin-Orange. Tiefe, pflanzlich-würzige und kräuterige Nase mit getrocknet-floralen und mineralischen Noten, dahinter angetrocknete rote und schwarze Beeren. Süßlich-Zwetschkig und rotbeerig im Mund, sehr kräftig und alkoholstark, sandige, etwas raue Tannine, holzige Noten, Malz- und Kandistöne, Gewürze und Salbei, ein wenig rustikaler Stil, relativ warm, trocknender Abgang.
 
1959 Assmannshäuser Höllenberg Spätburgunder Natur Cabinet
Idealer Witterungsverlauf von der Blüte bis zur Lese, Jahrhundertsommer, im Herbst tagsüber warm und sonnig, nachts eiskalt. Die Hauptlese fand vom 28. September bis zum 15 Oktober statt, der Ertrag lag bei 40 hl/ha. Ungewöhnlich stürmische Gärung.

 
89 Relativ helles Rubin. Leicht altholziger Duft nach reifen roten Beeren, etwas Zwetschgen und Gemüse mit mineralischen Noten. Süßliche, reife Frucht im Mund, feinsandige und etwas trocknende Tannine, mineralisch am Gaumen, zarte Holzwürze, gute Nachhaltigkeit am Gaumen, viel Kraft und spürbarer Alkohol, warmer Stil, gute Tiefe, lang.

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