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Neuausgabe eines Klassikers: Insbesondere im Deutschlandteil sehr fehlerhaft

"Dieser Mistkerl hat immer Recht”, soll Roald Dahl laut Pressetext des Verlages einmal über Robert M. Parker jr. gesagt haben, um dessen neues, altes Buch es hier gehen wird. Das ist doppelt falsch! Denn erstens ist Parker kein Mistkerl und zweitens hat er eben n i c h t immer Recht.

Dennoch: auf dieses soeben erschienene Buch - und da liegt die Verlagswerbung richtig - hat die Weinwelt natürlich mit Spannung gewartet; denn diese Bewertungen sind egal ob richtig oder falsch natürlich für viele Weinkäufer ein Massstab. Ob es tatsächlich immer auch Weinliebhaber und -kenner sind, die diesen Ratschlägen folgen, und nicht nur gläubige Jünger eines Gurus, sei dahingestellt.

Man kann einen solchen knapp 2.000 Seiten umfassenden Wälzer nach wenigen Stunden Lektüre natürlich nicht abschliessend beurteilen. Die wahre Qualität des Buches wird sich erst im Laufe der Zeit herausstellen, wenn man kontinuierlich damit arbeitet. Und arbeiten wird man damit müssen; denn ein vergleichbares Kompendium über die Weine der Welt gibt es nicht. Und schon allein das macht es unentbehrlich.

Denk ich an Deutschland in der Nacht....

Fangen wir mit den schlimmsten Fehlern des Buches an. Die stehen auf den Seiten 1295 bis 1306 und sind überschrieben mit dem Wort „Deutschland”. Angesichts des haarsträubenden Unsinns, der danach folgt, sollten der „Deutsche Weinbauverband” und das DWI überlegen, ob es nicht an der Zeit ist Parker auf Gegendarstellung und Richtigstellung zu verklagen. Ich bin zwar juristischer Laie, aber ich war mehrfach in meiner beruflichen Laufbahn als Chefredakteur für Zeitschriften verantwortlich und kann nur sagen, dass dieses Manuskript in erster Linie wegen schwerwiegender presserechtlicher Bedenken meinen Schreibtisch so nicht passiert hätte. Da werden reihenweise nachweislich falsche Tatsachenbehauptungen aufgestellt und mit geschäftsschädigenden Wertungen verknüpft. Teilweise erfüllen sie in meinen Augen den Tatbestand der Verleumdung und Verunglimpfung ganzer Berufsgruppen. Dies sage ich, obwohl ich mit Parker in seiner grundsätzlichen Kritik am deutschen Weinrecht und der Art und Weise wie es praktiziert wurde und wird, in vielen Punkten übereinstimme. Nur hier geht er zu weit und ignoriert obendrein die positiven Entwicklungen seit 1990 vollkommen. Fazit: Der Mann weiss offensichtlich überhaupt nicht, wovon er spricht.
 

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Was soll man von einer Bewertungsliste deutscher Güter (von ** für durchschnittlich bis ***** für hervorragend) halten, bei der schon die Namen der genannten Betriebe auf groteske Art entstellt sind. So als sei der Autor nichtmal in der Lage gewesen, die Etiketten der verkosteten Weine richtig abzuschreiben. Beispiele? Schloss Johannishoff statt Schloss Johannisberg oder Epenschild statt Espenschied.

Aus welcher Zeit solche Erkenntnisse und Wertungen stammen, kann man daran ablesen wie veraltet die darin enthaltenen Informationen sind. Gunderloch heisst hier noch Gunderloch-Usinger, ein Doppelname, der 1986 letztmalig auf einem Label auftauchte. Schloss Groenestyn ist noch mit zwei Sternen aufgelistet, obwohl es bereits Mitte der 90er Jahre seine Produktion eingestellt hat ebenso wie Siegfried Gerhard. Auch sonst geht’s Kraut und Rüben durcheinander - König Victoriaberg gehört bei Parker zu Deinhard. Das Weingut des VDP-Präsidenten Salm taucht gleich zweimal auf, einmal richtig als Prinz zu Salm und einmal ganz bescheiden bürgerlich als Salm. Man könnte diese Liste beliebig verlängern.

Was die Bewertungen betrifft, kann man sich darüber natürlich endlos streiten. Sicher ist aber: die Relationen stimmen so nun wirklich nicht. Die Winzergenossenschaft „Vier Jahreszeiten” in Bad Dürkheim ist sicher unter den Genossenschaften eine der besseren, aber dass sie höher eingestuft ist (nämlich als gut) als die Hessischen Staatsweingüter, Schloss Vollrads und von Buhl, denen Parker nur eine durchschnittliche Qualität bescheinigt, ist einfach lächerlich und ärgerlich. Genauso die drei Sterne für den Rheingauer Fassweinwinzer Gebrüder Grimm, den er auf die gleiche Stufe stellt wie Dr. Heger, Wittmann und Dr. Pauly-Bergweiler.

Als Referenz zur Darstellung des „allgemeinen Qualitätsniveau” in Deutschland zieht Parker den problematischen Jahrgang 1987 heran. Wie lange dieses Buch nicht mehr gründlich überarbeitet wurde, kann man auch an anderer Stelle sehen, nämlich dort, wo Parker die wichtigsten deutschen Rebsorten beschreibt. Müller-Thurgau, so seine Erkenntnis, sei nach wie vor die wichtigste Sorte. 25 % der Fläche seien mit ihr bestockt. Das war einmal vor langer Zeit. Heute ist der Riesling die Nummer eins mit 20,8 % und MT die Nummer zwei mit 19,8 % gefolgt von Spätburgunder mit 9,5 % und nicht vom Silvaner wie Parker behauptet. Wie soll man jemand bei seinen Wertungen Glauben schenken, der schon solche einfachen Details derart schlampig recherchiert?

Hier noch drei weitere Kostproben zum Amüsieren und Argern:

Parker über den Spätburgunder: „Die deutsche Pinot Noir Traube bringt leider oft einen grotesken ziemlich scheusslichen Wein hervor, der ungefähr so schmeckt wie ein misslungener, süsser, müder und verdünnter roter Burgunder von einem inkompetenten Winzer.”

Parkers Urteil über trockene deutsche Weine: „Trockene Weine tendieren dazu, langweilig und dünn zu sein. Sie haben wenig Körper und Duft- und Geschmacksnoten. Halbtrockene Weine schmecken ebenfalls trocken, dürfen aber etwas mehr Restzucker aufweisen und sind ein klein wenig interessanter. Ich empfehle beide nur selten: Es sind kommerzielle Erzeugnisse, die von der wachsenden Vorliebe für ”trockene Weine profitieren”

Parker über deutsche Sekte: „Man produziert in Deutschland auch Schaumweine, die als Deutscher Sekt bezeichnet werden, doch sie sollten überzeugten Masochisten vorbehalten bleiben, weil sie ziemlich schauderhafte Machwerke aus übermässig geschwefelten Weinen sind.”

Gegen den letzten Satz sollten eigentlich die Erzeuger von handgerüttelten und flaschengereiften Winzersekten vor einem amerikanischen Gericht eine Sammelklage wegen Verleumdung anstrengen. Sie hätten gute Aussichten zu gewinnen und den Herrn Verbraucheranwalt um ein paar Millionen Schadensersatz zu erleichtern.

Das ganze ist natürlich deshalb besonders peinlich, weil Parker und Rovani erst vor wenigen Monaten in ihrem Weinbrief „The Wine Advocate” die deutschen Rieslinge des Jahrgangs 2001 über den grünen Klee gelobt haben und dies mit keinem einzigen Wort Erwähnung findet. Die Meldung „100 Parker Punkte für deutschen Riesling Eiswein” ging durch alle Gazetten und erreichte ein ganz breites Publikum. Ende 2002 wäre es sicher technisch noch möglich gewesen, solche Änderungen nachzuschieben oder dieses überholte Kapitel völlig zu entfernen.

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Ganz anders im Nachbarland Österreich. Und damit kommen wir zu den besseren Seiten dieses Buches. Die 24 klassifizierten Erzeuger sind alle richtig geschrieben und an der Auswahl ist auch nichts zu meckern: Hirtzberger, Knoll, Kracher, F.X. Pichler und Prager als die 5 - Sterne-Spitze. Dahinter: Bründlmayer, Feiler-Artinger, Hiedler, Hirsch, Nikolaihof, Nigl, R. Pichler, Gebrüder Polz, Heidi Schröck, Tement, Alzinger, Dinstlgut, FWW, Gross, Jamek, Loimer, Salomon-Undhof, E. Triebaumer, Wieninger. Die ausführlichen Bewertungen des Jahrgangs 1999 wurden schon an anderer Stelle viel diskutiert. Aber die Spitzennoten von 90 bis 95 + für die besten Smaragde aus der Wachau gehen durchaus in Ordnung genauso wie die Noten bis 98 Punkte für die Kracher Kollektionen von 1997 und 1998.

Was für ein Fortschritt! In der letzten Ausgabe dieses Buches bestand Österreich noch ausschliesslich aus einem Kapitel über den Süsswein-Spezialisten Alois Kracher. Im übrigen ist das Einleitungskapitel zu Österreich voll des höchsten Lobes und frei von jeglicher Polemik. Zitat: ”Die besten österreichischen Rieslinge machen einen sprachlos, wie das kein anderer irgendwo in der Welt erzeugter trockener Wein schafft.” Ein bisschen übertrieben für meinen Geschmack, aber tendenziell natürlich richtig. Auch wenn ich oftmals im direkten Vergleich die Grünen Veltliner vorziehe.

Bordeaux, Bordeaux über alles

Die erste Hälfte des Buches ist in aller Ausführlichkeit Frankreich gewidmet: Elsass, Bordeaux, Burgund und Beaujolais, Champagne, die Loire, Languedoc-Rousillon, die Provence, die Rhône, Bergerac und der Südwesten. Stellvertretend möchte ich das Bordelais herausgreifen. Auf 305 Seiten beschreibt Parker die Weine dieser Region, ausführlich, nachvollziehbar, kompetent. Da kennt er sich aus, da ist er zuhause. Man merkt es. Hier bewegt sich das Buch auf einem Niveau, das man von einem der führenden Weinkritiker der Welt erwarten darf. Denn dies ist und bleibt Parker bei aller Kritik, die ich eingangs an ihm geübt habe.

Ich habe mehrmals zusammen mit Parker an Weinproben teilgenommen. Ich weiss also aus eigener Erfahrung, dass er einer der ganz grossen und disziplinierten Verkoster ist. Sein Problem heisst Rovani. Und der ist gottseidank nicht für Bordeaux zuständig. Wohl aber für Deutschland und Italien, auf das wir später noch zu sprechen kommen werden.

Im Bordeaux-Kapitel sind die Jahrgänge der 90er Jahre von 1995 bis zum Milenniumjahrgang 2000 fortgeschrieben worden. Erstmals sind so die die Aufsteiger und Eintagsfliegen, die Miniselektionen und Boutiqueweine, die Ende des 90er Jahre vor allem auf dem rechten Ufer und in den Randappellationen wie Pilze aus dem Boden schossen, erstmals mit ihren Anfängen halbwegs komplett dokumentiert: Branda, Branon, Cambon La Pelouse, Cap de Faugeèes, Clos Badon, Clos Dubreuil, Croix de Labrie, Gracia, Magrez-Fombrauge, La Fleur Morange, La Fleur Mongiron, La Gomerie, Les Grands Maréchaux, Griffe de Cap d´Or, Haut Condissas Prestige, L`Hermitage Lezongars, Marjosse, Marojallia, Marsau, La Mondotte, Pas de L`Ane , Péby-Faugères, Quinault L`Enclos, Roc de Cambes, Rol Valentin etc. Manche davon sind heute fast schon wieder vergessen, andere auf dem besten Wege Klassiker zu werden.

Wahrscheinlich ist für viele allein schon dies den Kauf wert. Andererseits kann man dann auch gleich warten bis Parkers nächstes Bordeaux-Buch erscheint. Darin bekommt man es dann noch aktueller und ausführlicher.

Gegenüber der letzten Ausgabe hat Parker übrigens Clinet, Lagrange und La Fleur de Gay aus der Spitzengruppe seiner Fünf-Sterne-Güter abgestuft und dafür sechs neue aufgewertet und zwar Péby-Faugères, Pavie, Pavie-Macquin, Pape Clement, Monbousquet und Magrez Fombrauges. Noch einmal wiederholt er im Vorwort sein nachhaltiges Plädoyer für den Jahrgang 2000, den er für „den besten jemals erzielten Bordeaux” hält. Bordeaux, das ist für ihn ”der Inbegriff für qualitativ hochwertige Wein, die lange gelagert werden können.” Da kann man ihm kaum widersprechen.

Ein Freund, ein guter Freund

In seinem allgemeinen Vorwort schreibt Parker über die Rolle des Weinkritikers: ”Ich kaufe mir über 75 % der Weine, die ich verkoste, selbst. Noch nie habe ich um Proben gebeten, halte es jedoch nicht für unmoralisch, Proben anzunehmen, die man mir unaufgefordert ins Büro schickt.” Ein heikler Satz. Mal ganz abgesehen davon, dass er natürlich für kein einziges Fassmuster z.B. bei den Primeur-Kampagnen in Bordeaux oder sonst auf einer seiner zahlreichen Reisen auch nur einen Cent bezahlen muss. Die bekommt er wie alle anderen Weinkritiker auch gratis. Die meisten alten Jahrgangsraritäten hat er selbstverständlich - wie alle anderen Autoren - als Gast von Erzeugern oder auf Raritätenproben meist von privaten Sammlern oder von Händlern organisiert verkostet. Auch werden diese Proben ihm nicht so ganz zufällig und beiläufig geschickt. Das mag früher mal so gewesen sein. Sie werden nach mir vorliegenden Informationen ganz normal und durchaus korrekt von seinem Büro bei den Importeuren angefordert. Soweit, so gut.

Einige Sätze weiter heisst es über sein Verhältnis zum Handel „Um seiner Unabhängigkeit nicht verlustig zu gehen, ist es zwingend notwendig, eine gewisse Distanz zum Handel zu wahren.” Nun ist es ein offenes Geheimnis, dass Parker mit einigen amerikanischen Händlern und Importeuren gut befreundet ist, woran ich im übrigen nichts Anstössiges finden kann. Auch ich zähle einige Händler, die ich sehr lange kenne, zu meinen persönlichen Freunden und möchte diese nicht missen. Und mit befreundeten Erzeugern streite ich viel kritischer und leidenschaftlicher über die Qualität ihrer Weine als mit solchen, die mir persönlich nichts bedeuten.

Liest man ein Kapitel wie Australien unter dieser Prämisse, findet man allerdings Indizien dafür, dass es der Herr Anwalt mit seiner Distanz zum Handel gelegentlich nicht so genau nimmt. Einige der am höchsten bepunkteten Weine entziehen sich ganz einfach dadurch der Kontrolle der internationalen Weinkritik, dass zunächst mal nur Parker diese Wunderweine vor der Veröffentlichung zu probieren bekommt wie den Three Rivers von Chris Ringland, den Roennefeldt Road von Greenock Creek oder den Duck Muck von Wild Duck Creek. Zufällig bekommen diese Weine meist 100 oder wenigstens (verschämte) 99 Punkte. Zufällig stammen diese dann immer aus dem Portfolio des gleichen Händler-Klüngels. Zufällig haben diese zwar weltweit den Exklusiv-Vertrieb, aber die Weine werden gegen die Spielregeln fast ausschliesslich in den USA zu sündhaft teueren Preisen (300 Dollar für den Three Rivers) über Mailinglisten direkt an Endverbraucher vertrieben. Mag sein, dass der Herr Anwalt von all dem nichts weiss. Allein dies zu glauben fällt mir schwer.

Parker beschränkt sich im übrigen bei Australien fast vollständig auf Rotweine, was ich schade finde. Nicht mal den Yatarna Chardonnay von Penfolds erwähnt er und die besten australischen Rieslinge (Grosset) tauchen nur als Randnotiz auf. Focus seines Australienbildes sind die Sorten Shiraz und Cabernet Sauvignon. Ich habe ca. 80 Prozent der von ihm beschriebenen Weine ebenfalls verkostet und stimme in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle in etwa überein, oft um ein, zwei Punkte niedriger. Aber es ist eine parallel in etwa gleiche Wertung. Wenn man dieses Kapitel gelesen hat, ist man für diesen Sektor der Weinwelt tatsächlich bestens informiert und man wird kaum noch neues entdecken können.

Parkers Spitzennoten für australische Süssweine darf man dagegen nicht allzu ernst nehmen, wenn man eine an deutschen und österreichischen TBAs, Eisweinen, ungarischen Tokajern, Ruster Ausbrüchen mitteleuropäisch geschulte Zunge hat.

Italia assurda oder der Mut zur Lücke.

Die 235 Seiten über die Weine Italiens gehören für mich zu den absurden Kapiteln dieses Buches. Sie waren bislang die Spielwiese des Parker-Adlatus Pierre-Antoine Rovani. In Zukunft werden sie wohl von Daniel Thomases begutachtet, der das Parker Team seit kurzem verstärkt. Thomases, der von 1990 bis 1997 für den Wine Spectator ais Italien berichtete, lebt seit vielen Jahren in dem Land und kennt sich dort aus. Lücken wie sie das jetzige Buch aufweist, wird es dann vielleicht zukünftig nicht mehr geben.

Sicher, es ist schwierig die italienische Vielfalt einigermassen flächendeckend zu verkosten. In Piemont hat man den Eindruck, dass Rovani selbst in die letzte Milchkanne im Dorf noch hineingesehen hat, um herauszufinden ob dort nicht noch ein trinkbarer Barolo oder Barbaresco eingelagert sein könnte. Andere Regionen weisen dagegen gravierende Lücken auf. Man gewinnt schnell den Eindruck, er kenne jedes noch so kleine Mikorcuvée z.B. vom Voos dai Ciamps (600 Kisten) oder Refosco und Pignolo von Moschioni (200 Kisten).

Avignonesi wird zwar mit seinem Vino Nobile unter den ausgezeichneten 4-Sterne-Betrieben aufgelistet, die Weine selbst kommen aber nicht vor weder der Desiderio, der zu den besten Rotweine in diesem Teil Italiens gehört, noch der Occhio de Pernice, der (nicht nur ) für mich zu den weltweiten Top Ten der Süssweine gerechnet wird und jeden 100-PP-Süsswein aus Australien um Längen schlägt.

Es sind beileibe nicht irgendwelche Weine, die da „vergessen” wurden. Gewichtige und grosse Weine sind es, die man vergeblich sucht wie den vorzüglichen San Leonardo aus dem Trentino, Masis Amarone Campolongo di Torbe oder Serego Aligheris Vajo Amaron - beides Klassiker des Veneto. La Poderina aus Montalcino? Fehlanzeige. Weder die Brunello Riserva noch der süsse Muskateller, den viele Kenner für den besten Wein seiner Art in Italien halten. Dafür beschreibt und vor allem lobt das Buch so ziemlich jedes Konzentrat, bei dessen Produktion der umstrittene Starönologe Riccardo Cotarella seine Finger im Spiel hatte.

Auch sind die Relationen der Bewertungen etwas aus den Fugen geraten. Eines von vielen möglichen Beispielen: Mit 86 Punkten werden der schlicht gestrickte Lacryma Christi del Vesuvio von de Angelis und der Valpolicella von Zenato genauso hoch bewertet wie beispielsweise der Rosso del Conte und der Cabernet Sauvignon von Tasca d´Almerita oder ein Barbaresco Gaiun von Marchesi di Gresy Man muss diese Weine einfach mal nebeneinander stellen und verkosten, dann wird man schnell feststellen, dass dies so nicht stimmen kann.

Kalifornien - after the goldrush

Das Kalifornien Kapitel demonstriert wie schnelllebig inzwischen auch die Weinwelt geworden ist. Es ist ein Blick zurück wie in eine andere Welt. Beschrieben werden in aller Ausführlichkeit die Jahrgänge zwischen 1997 und 1999. Jene Jahre also, in denen die dot.com-hype ihren Höhepunkt erreichte und Silicon Valley jeden Morgen 64 neue Millionäre ausspuckte. Die halbe Ernte eines Boutiqueweins für die nächste Party aufzukaufen, gehörte zum guten Ton. Europäische Importeure bekamen dagegen gekürzte Zuteilungen per Fax und keine persönlichen Termine mehr. Heute, nach dem Zusammenbruch dieser ersten Generation der new economy und nach dem 11. September, ist das alles Schnee von gestern. So liest sich dieses Kapitel wie ein Märchen aus vergangener Zeit: „Robby im Weinwunderland”.

Ein bisschen Statistik zwischen durch: Parker bewertet 1.706 Weine von 193 kalifornischen Erzeugern. Davon bekommen 1060 Weine von ihm 90 und mehr Punkte. Das sind ca. 62 Prozent. 34 Weine bekommen sogar einen Platz im Weinolymp zugewiesen mit 98 - 100 Punkten.

Der Vergleich zu Bordeaux, wo es um die Jahrgänge 1995 bis 2000 geht unter denen sich nach Parkers eigenem Urteil ein echter Jahrhundertjahrgang befindet ( „2000 - Der beste Bordeaux aller Zeiten), ist entlarvend: 1.396 Weine von 360 Erzeugern befand der Meister wert in seinen Guide aufgenommen zu werden. 393 Weine (ca. 28 %) waren ihm 90 und mehr Punkte wert und in 14 Fällen zog er die Karte 98 bis 100.

Kann das sein? Produziert die Bordelaiser Winzerelite selbst in Spitzenjahren aus Parkers Sicht weniger hervorragende Weine als ihre kalifornischen Kollegen? Dabei sagt er doch selbst, Bordeaux sei für ihn das Mass aller Dinge, wenn es um hochwertige Weine geht (siehe oben). Liest der Mann seine eigenen Notizen nicht? Statistisch ausgewertet scheint er sie jedenfalls nicht zu haben

Im übrigen stellt sich natürlich die Frage: Wenn interessiert das alles, was er in Kalifornien an überdrehten Wunderweinen gefunden hat? All diese Majas, Screaming Eagles, Araujos, Kistlers, Turleys, Harlans etc. Die meisten sind in Europa nicht erhältlich. Die Parker Bewertungen kaum nachprüfbar. Es war in den vergangenen Jahren nicht möglich in Europa ein wirklich nachhaltiges Interesse an diesen Weinen zu wecken und einen Markt dafür zu etablieren. Gelegentlich wurden sie wie Fabelwesen auf Raritätenproben vorgeführt, gewogen und im Vergleich zu anderen Kultweinen aus Frankreich, Australien oder Spanien von wenigen Ausnahmen abgesehen als zu leicht befunden. Einige namhafte Importeure wie Martin Kössler haben sich angesichts der horrende Preise weitgehend aus diesem Geschäft zurückgezogen. Inzwischen haben einige der Boutiqueerzeuger ihre Preise drastisch gesenkt, und eine erfolgsverwöhnte Premium-Kellerei wie Mondavi schreibt rote Zahlen. Es ist nicht der erste und sicher auch nicht der letzte goldrush, der in Kalifornien seine Spuren hinterlässt.


Parker´s Wein Guide
8000 Weine aus den wichtigsten Weinregionen der Welt
getestet und bewertet. Ratschläge für den Weineinkauf.
Autor: Robert M. Parker jr. in Zusammenarbeit mit Pierre-Antoine Rovani
Collection Rolf Heyne, München, ISBN 3-89910-201-0
Preis: 85 Euro (D), 87,40 Euro (A), 136 sFr (CH)
 

Quelle: www.best-of-wine.com


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Rezension zum gleichen Buch von Andreas Beer

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