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Klettert man durch die Weinberge des Wagrams, vorbei an Abertausenden Stöcken Grünen Veltliners, kommt es beizeiten vor, dass man sich Auge in Auge mit einem Bienenfresser wiederfindet. Oder einem Wiedehopf. Vögeln also, die hier nicht von irgendwelchen grotesken Strohpuppen zum Narren gehalten werden, sondern denen der Luxus zukommt, über eigene Häuser zu verfügen. „Wir haben in unseren Weingärten 600 Vogelhäuser, am ganzen Wagram werden es wohl 5.000 sein“, erzählt Bernhard Ott. Warum? Andere Winzer spannen hektargroße Netze über ihre Gärten, und die Wagramer Trauben sind nicht so schlecht, dass man sie nicht gelegentlich als Mahlzeit wegpicken könnte. „Ärger gibt es nur mit Zugvögeln.“ Der Wiedehopf ist freilich sesshaft und dafür, dass er ein Haus bekommt, revanchiert er sich zudem damit, dass er die Weingärten von Insekten befreit – seiner bevorzugten Nahrung. 60 Kilo frisst ein Wiedehopf davon – vorzugsweise Engerlinge. „Wir brauchen deswegen auch keine Insektizide.“

Der Wagram ist klein und innovativ. Und auch Vorreiter in Sachen Bioweinbau. Immerhin 16 Prozent der 2.700 Hektar Weingärten sind zertifiziert, was deutlich über dem österreichischen Schnitt liegt. Die meisten Rebstöcke des Wagrams wurzeln südseitig in einer Geländekuppe, die sich in der letzten Eiszeit durch Lössanwehungen aus dem Osten gebildet hat. Meterdicke Schichten davon charakterisieren den Wagram und verleihen ihm eine für Österreich ungewöhnliche Homogenität, die nur selten durchbrochen wird. Löss, das ist ein kristallines Mineral, das aus mikroskopischen Quarzkörnern besteht, die am Wagram zudem mit kalkigen Einsprengseln durchmischt sind – Speichervermögen und Wasserdurchlässigkeit ergänzen sich dabei bestens. Sensorisch äußert sich Löss bei bedachtsamer Weingartenarbeit und gelungener Vinifizierung oft in fein salzigen Tönen. Der Mythos, dass er den Weinen besondere Üppigkeit verleiht, wurde im Laufe unserer beiden Wagramer Tage beispielhaft widerlegt.

„Wir wollen nervige Weine“, erklärt auch Kerstin, Bernhard Otts schwedische Dame für alles (sie weiß alles über Wein, die Region, Amphoren, Biodynamik, Fauna, Flora etc.), die sich vor zwei Jahren in Otts Kellermeister verliebt hat (was allein schon seine Weine rechtfertigen) und nun vor einem Bodenprofil die Wege und Welten des Regenwurms erklärt. Das ist viel interessanter als es sich anhört. So ein Regenwurm schafft lockeren, gut durchlüfteten Boden, in dem sich neben zahllosen Mikroorganismen auch die Wurzeln von Rebstöcken und allerlei anderen Pflanzen wohlfühlen. Gesunder Boden ist ein Schlagwort, das man von vielen Winzern als Selbstverständlichkeit ihrer Intention zu hören bekommt, bei Ott wird es zu einem intensiv gelebtem Paradigma. 1.000 bis 2.000 Tonnen Humus bringt er auf seinen 33 Hektar alljährlich aus, zumeist angereichert mit diversen biodynamischen Tees und Präparaten. 2006 stieg er auf biodynamische Bewirtschaftung um, und hört man ihn darüber sprechen, weiß man schnell, dass hier jemand eine Passion gefunden hat.

 

Rebzeilen in Feuersbrunn (Foto: ÖWM/Armin Faber)

 


Otts zweite Leidenschaft ist der Veltliner. Der Grüne. Abgesehen von zwei kleinen Weingärten mit Sauvignon Blanc und Riesling ist das ganze Rebenmeer am Hengstberg, seiner Großlage, mit Österreichs Paradesorte bestockt. Sieben Veltliner insgesamt, drei Terrassencuvées, drei Einzellagen und einer, der seine Ausbauzeit in der Amphore durchlebt. Der Rest liegt in Stahltanks, wird, wenn möglich, spontan vergoren und dann für ein paar Monate auf der Hefe belassen. Dass die Formen der Vinifizierung sich dabei dem Jahrgang gemäß ändern können, liegt zwar auf der Hand, wird von Ott allerdings nochmals detailliert ausgeführt. 2010 gerebelte Trauben, spontane Vergärung, lange Maischestandzeit, Bâtonnage, die Weine lange auf der Hefe; 2011 Ganztraubenpressung, teilweise Nachhilfe beim Gärstart (ungern), keine Maischstandzeit, keine Bâtonnage etc. Wein bleibt in Otts Fall zwar definitiv ein Naturprodukt, doch ist er in gleichem Maße auch Kulturprodukt. Er lenkt, greift ein, wo es sein muss, und er macht das gut.

 

Der rote Faden ist dabei elegant, dicht, nuanciert, getragen von feiner Würze, die sich lang dahinzieht, kompakt, saftig und strukturiert. Das war nicht immer so, doch hat sich diese Stilistik über die letzten Jahre  verfestigt. Die Weine sind komplexer geworden, Spiegel, Stein und Rosenberg , die drei Einzellagen, Manifestation fein gestrickter Veltliner. Vieles, meint Ott, verdankt er seinem fortwährenden Willen, sich auch international umzuschauen und letztlich auch im Burgund den ambitionierten Maßstab seiner Anstrengungen gefunden zu haben.

Ein weiterer Faktor war der schon erwähnte Schritt in biodynamische Welten. Spannend ist dabei auch noch der Aspekt, dass der ganzheitliche Ansatz der Biodynamik für ihn auch eine soziale Komponente beinhaltet. Zehn Leute arbeiten in seinen Weingärten, mehr als doppelt so viele wie in einem konventionellen Betrieb der gleichen Größe. Man trifft sich am Morgen, zu Mittag, isst gemeinsam, hält Schulungen ab, kurz: Man versucht eine möglichst harmonische Arbeitsatmosphäre zu kreieren.

 

Bernhard Ott baut einige seiner Weine in Amphoren aus. (Foto: A. Essl)

Biodynamische Arbeit ist freilich teuer und Ott sieht sich vom Staat ein wenig im Stich gelassen. „Wenn man nachhaltig arbeitet, sollte man auch entsprechend gefördert werden“, meint der Winzer, doch Handarbeit, wie sie bei ihm praktiziert wird, ist arbeitsaufwendig, und „während Arbeit extrem hoch besteuert wird, gibt es auf Herbizide und chemische Dünger keine Steuern.“

Auf Amphoren zahlt man glücklicherweise noch keine Steuern, doch dafür geht der Transport von Georgien nach Feuersbrunn gut ins Geld. Ott hat gleich 13 Stück davon hinter dem Haus eingegraben, mehr als jeder andere Winzer in Österreich. Er mag die Neutralität des Tons, die Kunst, die dahintersteckt, diese filigranen Behältnisse zu formen – letztlich versteht er sich selbst als Handwerker.

Die Resultate geben ihm Recht: Seine Qvevre (eine Modifikation des georgischen Worts für Amphore) sind brillante Weine, die den Charakter der Jahrgänge präzise zum Vorschein bringen. Hier wird nicht manipuliert, die Temperatur der Gärung gibt die Umgebung vor, Weingartenhefen sorgen für einen spontanen Gärstart, geschwefelt wird erst nach Monaten und kurz vor der Füllung, den Rest erledigt der Faktor Zeit. Und so bleibt in aller Kürze zu sagen, dass der erste Qvevre (2009) harmonisch, glasklar, konzentriert und saftig die gegenwärtige Rangliste vor dem 2010er anführt, der straff, engmaschig und lebendig eine völlig andere Dimension öffnet, sowie dem 2011er, der mit seiner offenen Würze und seiner Weichheit wiederum ein weiteres Kapitel aufschlägt, das im Laufe der Jahre definitiv noch zusätzliche Details verraten wird.

Über ein paar Geländekuppen, durch kreuz und quer angelegte Weingärten, geht es ein paar Kilometer weiter nach Großriedenthal, zu den Diwalds, von denen kürzlich ein Winzer meinte, dass Hans, der ältere Diwald, der Che Guevara des österreichischen Bioweinbaus sei. Und das war definitiv bewundernd gemeint. Der junge Diwald hat zumindest schon mal die Haare des jungen Che. Und seine Energie. Bevor wir ins Auto springen, um in die Weinberge zu fahren, geht es deshalb erst mal hinters Haus. Dort verläuft eine der wenigen Scheunenstraßen Österreichs – riesige alte Scheunen stehen dort, deren Fassaden – geschützt durch das Denkmalamt – auch für zukünftige Generationen unverändert bleiben müssen. „Die Diwaldsche Scheune stammt aus den 1930er Jahren“, erzählt Martin und „die Konstruktion ist für die Ewigkeit gedacht.“ Zwei 23 Meter lange durchgehende Balken tragen das Dach, unter dem sich seit kurzem Diwald Presshaus und Keller befinden. Viel Stahl blitzt hier von den Tanks, doch liegen dazwischen auch ein paar 500-Liter-Tonneaus, die er mit der kommenden Ernte auch für Weißwein nutzen wird.

 

Winzer Martin Diwald (Foto: A. Essl)

Der wächst ein paar hundert Meter vom Gut entfährt, am Goldberg und am Eisenhut. Und wieder geht es ums Burgund. Ähnlich wie dort, erklärt Martin, liegt das Herzstück, der Wagram-Grand-Cru quasi, in der Mitte des Hangs. Weingärten direkt über dem Hügel werden vom Wind ausgeblasen und kriegen es im Frühjahr schnell auch mal mit Windfrost zu tun, während ganz unten ständige Erosion die Winzer zum Schwitzen bringt. Am Goldberg ist das Herz grün; locker und gesund hängen die Veltlinertrauben an den Stöcken, am Eisenhut ein paar Meter weiter ist das Herzstück dem Riesling zugedacht, aus dem Martin künftig eine eigene Reserve keltern will. Die Zukunft kreist permanent in Martins Kopf, und deshalb schauen wir auch noch zu seinem Experimentierweingarten. Dort steht wuchernd Sauvignon Blanc, der minimal geschnitten sich selbst regulieren darf, um einen leichten, frischen, aber physiologisch reifen Wein zu geben.

Das schaut zwar ein bisschen wild aus, hat aber Sinn. Tonnenweise Trauben machen sich den Stock streitig, was zu einer Ernteverzögerung von zwei Wochen führt – und darin liegt dann auch der Vorteil. Martin liest die Trauben erst Ende Oktober, nutzt die kühlen Nächte im Herbst immer wärmer werdender Jahre und bekommt sie so mit ordentlicher Säure, niedriger Alkoholgradation und doch eben auch reif in den Keller.

Im Innenhof des Weinguts probieren wir dann die Resultate, während Martin seine persönlichen Weinwelten und Ideen zusammenfasst. „Hier ist alles Löss“, streicht er ein wesentliches Charakteristikum heraus. „Lösslösslöss. Ist cool, aber auch ein bisschen fad.“ Deshalb freut er sich über die Eiseneinsprengsel am Eisenhut, wo sein Riesling wächst. Die geben ihm eine zusätzliche Dimension – eine mineralische, die Steinobst und Blüten ergänzt.

Seine Lagenweine sind spontan vergoren. Bei den Temperaturen scheiden sich ein wenig die Geister: Martin mag es, wenn die Weine lange gären, die Temperaturen also etwas niedriger sind, sein Vater Hans, der dazu gestoßen ist, hält höhere Temperaturen für besser. Der Kompromiss sind die Reserven und Lagenweine, von denen wir den 2008er Riesling ins Glas bekommen. Während sich Kräuternoten und steinige Aromen breitmachen, erzählt Hans von den Anfängen.

 

Löss prägt die Bodenstruktur am Wagram. (Foto: ÖWM/Lehmann)

Sich 1980 zum Bioweinbau zu bekennen, kam in der Blütezeit der Technologiegläubigkeit einem Austritt aus der Dorfkirche gleich. Wäre er eingebettet gewesen in die klassische Dorfkultur – freiwillige Feuerwehr, Jägerschaft, Blasmusik – hätte er es wohl nie geschafft. Es war auch so nicht leicht. „Es gab keine Zertifizierungen, keine Richtlinien, keine Rückendeckung“, erzählt er – nur eine Handvoll Gleichgesinnte, die schon damals erkannten, dass der eingeschlagene Weg der Weinindustrie für sie selbst eine Sackgasse ist. Dazu kamen auch eine Portion Sturheit und die Erkenntnis, dass es „ein erhebendes Gefühl ist, in einer verfolgten Minderheit zu leiden.“

Heute ist das alles anders. Hört man sich im Wagram um, wird Hans Diwald größter Respekt entgegengebracht. Prophet, Revolutionär, Querkopf sind nur ein paar Komplimente, die man ihm umhängt. Martin steigt also in große Fußstapfen, doch trägt er diese Bürde mit großer Gelassenheit. Und macht vor allem gute Weine. Eine Retrospektive seiner Goldberg-Variationen schließt den Diwaldschen Besuch ab und zeichnet gleichzeitig Martins Geschichte als Vinifizierungs-Verantwortlicher nach. Seit 2006 keltert er, und vieles, was er gemacht hat, lohnt sich allemal. Die Tendenz und Intention ist ähnlich wie drüben in Feuersbrunn bei Bernhard Ott: Die Weine sind elegant, saftig und kompakt, dicht und doch nie ausladend. Und sie erzählen die Geschichte ihrer Herkunft.

Das tun in extremem und bewundernswertem Maße auch die Weine der Salomons. Doch selbst wenn die Weine des Weinguts nicht so gut wären, würde sich ein Besuch in Oberstockstall und im dort befindlichen Gut lohnen. Seit 1857 ist es in Familienbesitz, Hand an das Gut, die dazugehörende Kapelle, das Schloss wurde schon viel früher gelegt. Quer durch die Jahrhunderte wurde hier gebaut, vom frühen Mittelalter weg finden sich Spuren, hinein in die Renaissance und weiter ins Barock. Das Gut Oberstockstall ist ein Querschnitt österreichischer Architekturgeschichte im wahrsten Sinne des Wortes.

 

Die Weingärten sind häufig in Terrassen angelegt. (Foto: ÖWM/Lehmann)

„Der Fritz holt das Heu ein“, erzählt Birgit im kühlen Verkostungsraum, am Abend soll es gewittern, und deshalb ist der Fritz auf dem Feld, trotz brütender Hitze. Die Landwirtschaft verträgt bisweilen keinen Aufschub, vor allem dann, wenn man sich der Biodynamik zur Gänze verschrieben hat. Denn die Salomons bewirtschaften nicht nur 14 Hektar Weingärten, zum Gut gehören auch 90 Hektar Landwirtschaft und Viehzucht. Alles zertifiziert. Schafe zwischen Veltliner und Blondvieh in Gemüsegärten – die Salomons pflegen, wie kaum jemand sonst im österreichischen Weinbau, ein ganzheitliches Denken.

Es wird kompostiert, eigener Rinderdung ausgebracht, einzig für die Tees und Präparate greifen sie auf die Hilfe von Rudi Hoheneder, ein Urgestein der österreichischen Demeterbewegung, zurück. Der hat sie auch vor Jahren in diese Richtung gelenkt, doch war er dabei nicht der einzige. Fritz Salomons Blick ging damals vor allem über die Grenze, und was er im Burgund sah, hörte und schmeckte, adaptierte er dann langsam auch für seine eigene Weingärten.

Die wurzeln vor allem in tiefem Löss in Lagen, deren Namen vielleicht nicht das Renomee weiter nördlich gelegener Weinbaugebiete haben, die man sich aber trotzdem langsam merken sollte: Brunnberg, Maulbeerpark, Tobel und Glockengießer sind solche Lösslagen, und darauf befinden sich Veltliner und Riesling, aber auch Pinot und Zweigelt. Allesamt elegante, schlanke, straffe Sortenvertreter, die sich mehr über Andeutungen als über Deutlichkeit manifestieren. Einzig der Traminer (einer der besten Österreichs) steht in der Riede Ederin auf Schotter.

Im Garten wird auf jegliche Art systemischer Mittel verzichtet, im Gegenteil, neben dem Ausbringen von Humus und punktuell auch biodynamischenPräparaten spielt auch die kosmologische Komponente eine wesentliche Rolle. Das Gleiche gilt quasi für den Keller. Die Salomons vergären spontan, die Temperatur wird nicht kontrolliert, und geschwefelt wird spät und auch mal gar nicht. Man wägt hier immer wieder aufs neue ab, was den Stöcken, dem Boden und später auch dem Wein gut tut. Experimente, die dazu geführt haben, dass die Salomons ganz sicher zu den spannendsten, innovativsten und letztlich auch besten Winzern Niederösterreichs zählen.

 

Aus Zweigelt (links) und Spätburgunder (rechts) entstehen am Wagram auch gehaltvolle Rotweine. (Fotos: ÖWM/Faber)

Und den Wagram nicht nur in Sachen Weißwein blendend vertreten. Wer seine eigene Meinung zum Zweigelt noch einmal hinterfragen will, sollte sich an Beispiele wie das von Fritz Salomon halten. Die Kirschen in der Nase kennt man, doch dann wird es überraschend, knackig, druckvoll, würzig, sogar das Tannin bekommt hier eine Rolle zugewiesen, so dass sich eine elegante, aber doch kräftige Struktur ergibt und letztlich als Fazit ein beeindruckender Wein bleibt. Und der Pinot zeigt, dass sich auch nördlich von Wien brillante Exemplare finden lassen.

Kirchberg am Wagram, keine fünf Minuten von Oberstockstall entfernt, ist quasi das Herz der Gegend, und mitten darin befindet sich Weritas, die definitiv schönste Gebietsvinothek Österreichs. Weine erhält man aus allen Ecken der Region und trinken kann man sie – und das macht es eben so schön – auf einer Terrasse, die den Blick in die Weite und quer durch die Weinberge öffnet. Hier kann man in kurzer Zeit den Weinen des Wagrams auf die Spur kommen und sie glücklicherweise, mit frischen Forellen und Schinken aus der Gegend kombiniert, durchprobieren.

Am Ende der eingeschlagenen Route, im östlichen Wagram, „dort, wo niemand zufällig hinkommt“, keltert Josef Fritz Weine der Sonderklasse aus einer fast vergessenen Rebsorte. „1982 habe ich meinen letzten Roten Veltliner gerodet, 1987 habe ich dann wieder damit begonnen“, erklärt er. Die gedankliche Kehrtwende verursachte ganz einfach das Bewusstsein, dass hier aus einer raren Rebsorte nie das ganze Potenzial herausgeholt wurde. „Roter Veltliner ist eine der mitteleuropäische Urrebsorten, Elternteil des Rotgipflers, Zierfandlers und Frühroten Veltliners“, klärt er auf. „Er reift spät und ist nicht unbedingt die am leichtesten zu pflegende Rebsorte der Gegend. Er hat kaum Ranken und lässt sich deswegen schwer im Drahtrahmen einstricken, und er hätte die Genetik dazu, richtig viel zu tragen.“ Das macht ihn allerdings plump und langweilig, und deshalb geht es eben vor allem darum, durch die richtigen Böden (karg), Begrünung und Schnitt den Ertrag in den Griff zu bekommen. Hat man das geschafft, wird es wirklich spannend. Verfügt man erst mal über hochreifes Material (Roter Veltliner funktioniert ähnlich wie Traminer laut Josef Fritz erst ab 13 Volumenprozent Alkohol richtig gut), dann kann das Spiel mit dem Potenzial der Rebsorte beginnen. Fritz setzt dabei auf spontane Vergärung, große Holzfässer, relativ hohe Gärtemperaturen und Zeit.

Schon die Wagramer Terrassen machen Spaß und versprechen viel, der Steinberg ist dann saftig, mit filigraner Frucht und mineralischer Länge. Und er hat vor allem eines, was seinem wesentlich bekannteren Kollegen in Grün in warmen Jahren des öfteren fehlt: Säure, „manchmal mehr als Riesling“. 2011 war das ein immenser Vorteil, und so wirken die beiden Weine auch ausbalanciert, lebendig, mit guter Spannung. Der Spitzenwein des Jahres liegt allerdings noch im Fass, und so fokussieren wir uns auf den Roten Veltliner Privat 2010, der sich ohne Umschweife als Meisterwerk entpuppt – kraftvoll, stoffig, salzig, mineralisch, präzis, glasklar, voller Steinobst und voller Versprechen für eine glorreiche Zukunft.

 

Blick auf Klosterneuburg (Foto: ÖWM/Armin Faber)

Die Basis für diese Zukunft liegt im Weingarten. Josef Fritz verweigert sich der Hysterie um die Biodynamik, weil er einfach nicht daran glaubt („vielleicht bin ich ein mechanisches Monster geworden“), kann allerdings dem biologisch-organischem Weinbau à la Diwald vieles abgewinnen. Und letztlich setzt er, der einige Jahre Wiener Universität für Bodenkultur auf dem Buckel hat, auch auf viele Maßnahmen, die in deklarierten Biobetrieben ebenfalls ihren Einsatz finden. Er begrünt seit vielen Jahrzehnten, schaut beizeiten in den Himmel und auf die Mondphasen und zieht daraus auch Konsequenzen. Er hält die akribische Beobachtung der Pflanzenwelt als Parameter für den Boden für wesentlich sinnvoller als Bodenproben und setzt im Keller auf die schon vom alten Josef Jamek empfohlene „antiautoritäre Vinifizierung“.

So entwickeln sich dann seine Weine zu unabhängigen Größen, die auch noch nach Jahren selbstbewusst dastehen. Der Chardonnay, der am Wagram eher ein Außenseiterdasein führt, ist kraftvoll, engmaschig, voll und doch elegant, mit leichten Honig- und kräftigeren exotischen Noten, der Traminer ist ein Paradebeispiel dafür, wie man die ungeliebte Sorte wieder populär machen kann. Dafür rückte Fritz zwar ein wenig von seinen Prinzipien ab und presste ihn autoritär ins Holzfass, doch steht ihm das erstaunlich gut – es gibt ihm Ecken und Kanten, die die mangelnde Säure kompensieren – und lässt doch den Rosen und Tropenfrüchten genug Platz, um sich ausreichend bemerkbar zu machen.

Es ist dunkel geworden über dem Wagram, der Mond hängt in seiner zunehmenden Phase und es wird Zeit zu gehen – ohne auch nur annähernd alles gesehen zu haben. Der Wagram ist eine geschäftige Spielwiese der österreichischen Weinwelt, ein Experimentierfeld der Sonderklasse, ein Hort innovativer Köpfe. Man sollte wiederkommen und die vielen anderen besuchen, die hier zu kurz kamen: Karl Fritsch und Franz Leth, Toni Söllner und die Wimmer-Czernys. Doch davon ein andermal.

Das Weingut Berhard Ott im Weinführer

Das Weingut Diwald im Weinführer

Das Gut Oberstockstall im Weinführer

Das Weingut Fritz im Weinführer

Der Weinberghof Fritsch im Weinführer

Das Weingut Leth im Weinführer

Das Weingut Söllner im Weinführer

Das Weingut Wimmer-Czerny im Weinführer

Zum Magazinartikel "Österreich im Fokus: Wagram und Traisental"

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