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Allzu klein - zumindest nicht finanzschwach - kann der vielzitierte „kleine Mann” auch wieder nicht sein. Eine Flasche Lynch-Bages kostet wenigstens 35 Euro, selbst in der Subskription bei durchschnittlichen Jahren. Im Hochpreisjahr 2000 war es gar das dreifache, und ältere Jahrgänge sind kaum unter 100 Euro zu kaufen.

Diese Preise liegen auch weit über dem, was der ebenso oft zitierte „Durchschnittsweintrinker” selbst an höchsten Fest- und Jubeltagen für eine Flasche Wein ausgibt.

 

Das Weingut in Pauillac

Dazu kommt, dass „Lynch-Bages” bei der unverrückbaren Klassifizierung von 1855 als 5ème in die letzte Reihe der 61 erfassten Weine verbannt wurde, weit weg von der ersten Liga, zu der auch Mouton Rothschild gehört. Gegen die drei Großkaliber unter den Pauillac-Genossen - Mouton- und Lafite-Rothschild sowie Latour - ist Lynch-Bages chancenlos!

Chancenlos? Ich wollte es genau wissen und reiste übers Wochenende von Zürich nach Köln zu einer von Dominik (im Forum bekannt als Reblaus) organisierten Lynch-Bages-Vertikalen, um endlich die Nagelprobe zu machen. Vorher aber muss ich gestehen: Verkostungen in der „Vertikalen” sind mir ein „Gräuel”. Allzu oft bin ich in meinem Leben vertikal auf Berge gestiegen, Meter um Meter hochgeklettert, immer wieder auf noch höher, um dann oben festzustellen: es ist die Horizontale (die Weite), die letztlich zählt. Sie ist nur wenig von der erklommenen Höhe abhängig.

 

Die Kölner Verkostungsrunde

Ob ich nun 2, 3 oder gar 4.000 Meter hochgeklettert bin, das Ego hat es zwar gerne als Leistung registriert, der Genuss hingegen hat sich kaum verändert, wenn es ein paar Meter mehr oder weniger waren. Nur die verlangte Anstrengung brachte etwas wie Genugtuung.

Bei der „Wein-Vertikalen” (also bei der Verkostung vieler Jahrgänge des gleichen Weinguts) fällt die eigene Anstrengung weg. Es geht hier nur um die Meter und Zentimeter der wirklichen oder eingebildeten Genussgröße. Da aber - ich muss es zugeben - versagt die Eichung auf meiner Wein-Genuss-Messlatte.

Trotzdem hat es sich gelohnt, den Lynch-Bages etwas genauer zu testen. Und sei es nur um festzustellen: Lynch-Bages ist ein hervorragender Wein, auch in schwächeren Bordeaux-Jahren.

Nebst der Qualität trägt sicher auch die Geschichte des Weinguts zu seiner Popularität bei, vor allem die damit verbundenen „Legenden”.

 

Lynch-Bages auf die Reihe gebracht

Es beginnt beim Château-Namen: Thomas Lynch, der dem Gut den Namen gegeben hat, war der Sohn eines irischen Einwanderers, Bages hingegen ist ein kleines Hügel-Plateau mitten in Pauillac. Wie spricht man nun den Namen „Lynch-Bages” aus? Nach all den widersprüchlichen Aussagen und Behauptungen konnte ich den Kampf um die korrekte Aussprache erst lösen, als ich mich auf dem Weingut persönlich erkundigte. Lynch-Bages nennt sich eindeutig „Läänsch-Basch”, nur den Ausländern billigt man das englische „Linsch-Basch” zu, schließlich geht’s da ums gute Geschäft. Dabei spielt die Namens-Identität eine untergeordnete Rolle.

Überhaupt weiß man sich auf dem Weingut ausgezeichnet in Szene zu setzen. Seit die Familie Cazes 1937 das Weingut erworben hat, ranken sich viele amüsante Anekdoten um das Château und seine Besitzer. Eine davon erzählt René Gabriel in seinem Buch „Bordeaux Total”. Jean-Charles Cazes, der Großvater des heutigen "Schlossherrn", soll ein Original gewesen sein. Bei verdeckten Weinproben unter Winzerfreunden habe er seine eigenen Weine in dunklere Flaschen gefüllt, um sie sicher wieder zu erkennen. Wenn sein Wein an der Reihe war, sagte er voller Entzücken: „...das muss der Mouton-Rothschild sein. Er ist so perfekt, so groß, und so erhaben. Einmal in meinem Leben möchte ich auch so großartige Weine produzieren können!” Und wenn später die Flaschen aufgedeckt wurden, da zeigte er sich höchst erstaunt: „....nie hätte ich gedacht, dass sich mein Wein - nebst so bekannten Châteaux - so gut behaupten kann.” Seither ist eben der Lynch-Bages der „Mouton des kleinen Mannes”.

 

Dominik% vulgo Reblaus% mit den kritischen Degustatoren

Es bleibt jetzt die Frage nach der ausgiebigen Lynch-Bages Vertikalen mit 21 Jahrgängen - von 1978 bis 2003: Bestätigt sich das, was in der Literatur an höchstem Lob nachzulesen ist und was die Wertungen in Punkten aussagen? Ich kann es bestätigen: Lynch-Bages kommt in gar manchem Jahr locker an den Mouton-Rothschild heran, ja lässt sogar diesen Hochpreiswein oft mühelos hinter sich. Ob nun der 2000er wirklich der allerbeste Lynch-Bages der letzten 20 Jahre ist, oder ob der gereifte 89er den noch jungen, körperprotzigen Jahrhundertwein dereinst - im gleichen Alter - übertrumpfen wird; ob der 96 wirklich das Potential eines „großen Weins” hat, oder eben nur 85 Punkte „verdient”, die er von einem Degustator erhalten hat; ob der 97er marmeladig ist, wie Parker meint, oder die „fröhliche Fruchtpräsenz” besitzt, welche René Gabriel rekognosziert hat, das alles wird zwar an einer Vertikalen registriert und besprochen.

Letztlich aber ist es unerheblich beim Genuss von so viel guten Weinen. Da brauch ich keinen Mouton, ich bin ganz einfach zufrieden, dass ich nur ein „kleiner Mann” bin.

Herzlich

Ihr/Euer
Peter (Züllig)

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