wein.plus
ACHTUNG
Sie nutzen einen veralteten Browser und einige Bereiche arbeiten nicht wie erwartet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser.

Anmelden Mitglied werden

Ein echter Weinfreund spricht nie – oder nur selten – vom Alkohol, viel lieber vom Terroir, von der Nase, dem Gaumen, dem Abgang… Nur wenn das Gleichgewicht mal nicht stimmt, dann wird gemotzt. Zum Beispel: „…im Mund bleiben nur mehr Beerensaft und Alkohol…“ („Vinum“ über Haut-Beauséjour, 2005). Tatsächlich ist die Spannweite des Alkohols beim Wein verhältnismäßig gering. Erst ab 8,5 Volumen-Prozent Alkohol darf man von Wein sprechen, und mehr als 16 Prozent können gar nie erreicht werden (die natürliche Gärung stoppt vorher), es sei denn, der Wein wird aufgespritet (wie zum Beispiel der Portwein). Es geht also um die ominösen 6 Volumenprozent Alkohol, die beim Wein zur Diskussion stehen. An diesen paar Prozenten reiben sich die Meinungen.

Alkohol im Wein. Jede Alkohol-Werbung muss in Frankreich eine Gesundheitswarnung beifügen.

Im Rahmen der Verbotsmanie unserer Gesellschaft wird auch der Alkohol nicht verschont. „L’abus d’alcool est dangereux pour la santé. A consommer avec modération“ (Der Missbrauch von Alkohol ist gefährlich für die Gesundheit. Konsumieren Sie maßvoll), dies muss in Frankreich bereits auf jeder Werbung für alkoholische Getränke stehen. Bald einmal steht es auf jeder Flasche. In diesem Umfeld tun sich die Hochprozentigen besonders schwer. Vorbei ist die Zeit der harten Männer, vorbei die Phantasie von „harten Drinks und coolen Cowboys“. Vergessen und überwunden? Die Stimmung ist umgeschlagen: exotische Schönheiten, wohliges Gefühl, Partystimmung, verschworene Gemeinschaft und nicht zuletzt ein Hauch von legalem Drogenkonsum. So präsentieren sich heute die Spirituosen, die Hochprozentigen.

Eine besondere Stimmung in der Halle mit dem Schwerpunkt Spirituosen.

Die Halle 7a an der internationalen Fachmesse für Wein und Spirituosen, ProWein in Düsseldorf, hat den Trend klar gezeigt. In dieser Halle (mit Schwerpunkt Spirituosen) herrscht eine ganz besondere Stimmung. Nichts von Weinseligkeit, kein Gedränge, eher leise Kommunikation, vornehmes, zurückhaltendes Degustieren, als ob die hohen Alkoholprozente besondere viel Ehrfurcht verlangen würden. Ehrfurcht? Eher sind es Entspannung, eine Prise Party-Feeling, Styling und Spaß. Vielleicht stellt man sich sogar vor, leicht angesäuselt, aber nicht betrunken zu sein. Whisky, Rum, Cognac, Wodka, Likör, Gin… sogar der einst geächtete Absinth werben um Gunst und Zuneigung. Die ProWein ist eine Fach- und keine Publikumsmesse, also nicht für die Endkonsumenten bestimmt. Da werden Trends gesetzt, Geschäfte abgewickelt, neue Handelspartner gesucht, Aktionen vorbereitet, Konsumstimmungen erforscht, der Zeit in Sachen Alkohol am Puls gefühlt…

Wohlfühlatmosphäre in der Halle 7a.

Das Leben in Halle 7a pulsiert anders als in den übrigen sechs Hallen. Aber wie? Der gleiche Kampf um Aufmerksamkeit wie überall, ähnliche Slogans und Werbesprüche. Und doch herrscht eine ganz andere Stimmung. Liegt es an den vorherrschenden pinkigen Farben, an der Beleuchtung, den ausgelegten Teppichen? Oder gibt man sich hier ganz einfach zurückhaltender, weil man nur zu gut weiß, dass Alkohol als Droge dem Hochprozentigen viel näher ist? Ist es, weil die Alkoholgesetze für Spirituosen meist viel strenger sind als für Wein und Bier, besonders in Bezug auf die Werbung? So dürfen in der Schweiz bei Spirituosen keine Vergünstigungen versprochen, keine „Happy-Hours“, Zwei-für-eins-Partys, Mezzoprezzo- oder All-Inclusive-Veranstaltungen angeboten werden. Begründung: Suchtprävention.

Statt harte Männer - sexy Frauen.

Doch darum geht es auf einer Fachmesse nicht. Da geht es vielmehr um Absatz, Geschäfte, Verträge, Vertriebskanäle - natürlich auch um Qualität, Konditionen, Beachtung und Geschäftsbeziehungen. Das alles kann aber nur gedeihen in einer dem Produkt angemessenen Atmosphäre. Und diese reicht von edel, grand-old, black bis zu verführerisch, trendig, sexy. Mich fasziniert der Gedanke, dass hier – in der Halle 7a – nicht nur Produkte, sondern mit ihnen auch Lebensgefühle präsentiert werden: Reichtum, Ferien, Fröhlichkeit, Härte, Träume, Luxus, Wohlsein, bis hin zur Verruchtheit. Beim Rum taucht Karibik auf, Strand, Sonne, aber auch Revolutionsromantik. Wodka bringt die Kälte, Cognac das Wohlsein, Wellness – Whisky das Feuerwasser des Wilden Westens oder der schottischen Highlands, Fernet Branca ein bitteres italienisches Geheimnis…

Auch der einst verpönte Absinth ist inzwischen prominent vertreten.

Ich schlendere viel länger als geplant an den Oasen der Hochprozentigen vorbei. Das, was ich sonst an Weinmessen immer mache, kommt mir gar nicht in den Sinn: Degustieren, Verkosten. Hier suche ich etwas anderes. Aber was? Während ich diese Kolumne schreibe, läuft im Hintergrund ein Fernsehprogramm. Begegnung von Alt und Jung thematisiert in einem Laientheater. Ich schaue nicht hin, höre kaum zu. Doch plötzlich horche ich auf: Ein Großvater und seine Enkelin unterhalten sich an einer Theke über ihre Zeit. „Was möchten Sie trinken?“, fragt der Kellner. Der Teenager: „Ein Red Bull!“, der Opa: „Einen Whisky“. Spontan ergänze ich: „Vielleicht sogar ein „Flügerl“ oder „Gummibärchen“ (Red Bull mit Wodka) für die junge Dame und ein Whisky-Cola für den älteren Herrn.“ Jetzt weiß ich, warum mein Gang durch Halle 7a länger gedauert hat. Es war eine Begegnung mit hochprozentigem Zeitgeist, und den erkennt man nicht auf den ersten Blick, man kann ihn aber spüren, lange bevor man sich dessen bewusst ist. Eine Welt zwischen Whisky-Cola und Gummibärchen.

Herzlich
Ihr/Euer

Mehr verwandte Stories

Alle anzeigen
Mehr
Mehr
Mehr
Mehr
Mehr
Mehr
Mehr
Mehr
Mehr
Mehr

Veranstaltungen in Ihrer Nähe

PREMIUM PARTNER