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Die Provinz Alessandria im Piemont erstreckt sich über ein besonders großes Areal und umfasst fünf unterschiedliche Weinanbaugebiete: das Acquese, das Ovadese, das Gaviese, das Tortonese und das Casalese, abgeleitet von den Namen der Hauptorte Acqui Terme, Ovada, Gavi, Tortona und Casale Monferrato. Sie repräsentieren den östlichsten Teil des Süd-Piemont (von den Langhe bis nach Tortona, geologisch wird es als Bacino Terziario Piemontese definiert, im Oligozän ein mit Wasser gefüllter breiter Golf). Diese Provinz produziert eine beachtliche Anzahl, aber vor allem einen beachtlichen Variantenreichtum von Qualitätsweinen und unterscheidet sich von anderen Gebieten durch eine bedeutende weinbauliche Biovielfalt.


 
In diesem Beitrag sprechen wir vor allem von einer roten Rebsorte: dem Grignolino, den die Menschen im Monferrato Casalese (DOC Grignolino del Monferrato Casalese) im Herzen tragen. Nur so eigensinnige Leute wie die hier ansässigen konnten diesen Wein vor den Tendenzen des internationalen Geschmacks bewahren, der mit Schmeichelsätzen, wie dem folgenden um die Gunst des Publikums wirbt: „(…) The 1997 Merlot might be called liquified Viagra. An incredibly sexy nose of smoke, black fruits, cappuccino, and toasty wood is followed by an expansive, terrifically concentrated wine with a sumptuous texture, no hard edges, beautifully integrated acidity and tannin, and a long, 35 second finish. (...) this stunningly aromatic, multi-dimensional wine.” Also der Nutella-Wein oder das „flüssige Viagra” der neunziger Jahre, bombig in der Farbe, voll im Mund und lieb dem Robert Parker, Autor der zitierten Bemerkung. So etwas hätte den Grignolio zunichte machen können, aber das ist nicht geschehen. Der Widerstand regt sich am rechten Ufer des Tanaro-Flusses, auf dem Boden des Grignolinos. Die Hauptdarsteller sind die Betriebe, die die jüngste Geschichte dieses Weins geschrieben haben wie Bricco Mondalino dei Gaudio in Vignale, Vicara mit Domenico Ravizza in Rosignano, Carnevale in Cerro Tanaro und verschiedene andere.

Noch bis zu den siebziger Jahren füllte man den Grignolino fast überhaupt nicht in seinem Produktionsgebiet ab; man verkaufte die Trauben oder den Fasswein an die angesehenen Abfüller im Gebiet um Alba wie Fontanafredda und Marchesi di Barolo. Diese freuten sich über einen guten Absatz von Grignolino vor allem auf dem Turiner Markt. Ein Bewusstsein für das eigene Terroir im Monferrato baut sich nun jedoch langsam auf und man erkennt nach und nach, wie viel Wachstumsmöglichkeiten dieses herrliche und bestens geeignete Territorium noch hat.


Mehr Sein als Schein

Ein sehr anmaßender belgischer Journalist, wertete den Grignolino einmal überheblich ab: er habe keine Farbe, er habe keinen Duft, er habe keinen Geschmack. Komplett geirrt. Die Farbe eines Weins schafft eine gewisse Erwartungshaltung, die oft von den anderen Sinnen übernommen wird. Beim Grignolino kann das täuschen. Der oberflächliche Verkoster sieht eine helle Farbe und ist schon davon überzeugt, dass der Wein mager und dünn sei. Dass der Grignolino ein Wein ist, der nicht allen gefallen muss, das ist eine andere Frage, jedoch sollte man sich ihm wenigstens ohne Vorurteile nähern.


Ein guter Grignolino zeigt sich in einem hellen Rubin ohne violette Schattierungen. Seine Frucht erinnert vor allem an reife Trauben. Als echten Piemontesen kann man den Wein oft nicht im ersten Anlauf entdecken, nicht in der Nase, nicht im Mund: Man sollte ihn wenigstens zwei- oder dreimal probieren, da der zarte Rotton in Verbindung mit viel Tannin und sehr trockenen und würzigen Eindrücken im Mund im ersten Moment eine gewisse Perplexität auslöst. In der Nase kann man Himbeeren riechen und Hagbutte, weißen Pfeffer, Gewürznelken und im Komplex nimmt man auch eine „wilde” Note wahr, eher von einer Wald- als einer Kulturpflanze. Nicht umsonst definierte Veronelli diesen Wein als anarchistisch.

Das Tannin des Grignolino rührt von den kleinen Beeren her, die wenig Fruchtfleisch enthalten und viele Kerne - bis zu fünf - die während der Gärung Tannin abgeben. Um weichere Weine zu erhalten, trennen einige Produzenten während der Alkoholgärung einen Teil der Traubenkerne vom Most. Die Kerne sind allerdings auch Sitz einiger Würzaromen, die einen Teil der Typizität dieses Weins ausmachen. Der vom Tannin geprägte Abgang ist oft nachhaltiger als jener der auf demselben Land hergestellten muskulöseren Barbera-Weine.

 

 

 

 

Ein Weinberg nach dem Rebschnitt


In einigen Texten findet man geschrieben, dass der Grignolino ein Wein mit wenig Alkohol sei. Das lag an dem früheren Anbau von minderwertigen Klonen und Trauben, die in Reife und Qualität unzureichende Ergebnisse lieferten. Heute schlagen die besten Weine aus Grignolino, vor allem die von lehmig-kalkhaltigem Mergelgrund, mit dreizehn Volumenprozent Alkohol oder mehr zu Buche, je nach Jahrgang und Zuckergehalt.


Im Weinberg

Der Grignolino ist sehr fruchtbar. Er hat gezackte große Blätter, die im Herbst nicht rot sondern gelb werden, wie bei den weißen Rebsorten und deutet damit schon auf die geringe Anzahl roter Pigmente hin. Die Sorte eignet sich nicht für fruchtbare Böden. Bei Überproduktion würden die Trauben nicht gut ausreifen und teilweise nur rosafarben werden oder sogar grün bleiben. Zudem könnten sie wegen der Kompaktheit der Traube leichter vom Grauschimmel befallen werden. Die Frucht muss teilweise der Sonne ausgesetzt sein, sonst färbt sie sich nicht ein; jedoch zu starke Ausrichtungen zur Sonne, vor allem in warmen Jahren, provozieren Verbrennungen und das Ausdörren der Beeren. Grignolino braucht also eine sehr sorgfältige Pflege, die bereits bei der Wahl der Lage und der Rebunterlage beginnt und bis zur Weinbereitung reicht.


Die ”zwei Grignolinos”

Es gibt zwei DOCs für den Grignolino, den Grignolino d’Asti und den Grignolino del Monferrato Casalese. „Eine zu viel” lautet die landläufige Meinung wegen der geringen Anbaufläche von kaum 1.000 Hektar. Doch der Lokalpatriotismus lässt kaum eine Annäherung zu und schon zur Herkunft der Rebsorte gibt es zwei Ansichten: nach den Astigiani würde sie aus Portacomaro, einem Ortsteil von Migliandolo kommen; nach den Monferrini hingegen wäre die Wiege Rosignano oder Olivola. Es handelt sich auf jeden Fall um Zonen, die nicht weit auseinander liegen, nur zirka zwanzig Kilometer Luftlinie, und beide befinden sich auf der linken Uferseite des Tanaro-Flusses. Unterschiedlich sind jedoch die Eigenschaften der Böden. Der Grignolino d’Asti ist, zumindest teilweise, auf jungen, sandigen Böden zu finden, während das Monferrato Casalese sehr tonhaltige Mergelböden aufweist, mit einer Felssubstratunterlage, die „Pietra da Cantoni” genannt wird, ein sehr helles und wenig kompaktes Mergel-Sedimentgestein, von dem man früher Blöcke für den Bau gewann.

 

 

 

 

Gringolinotrauben nach der Lese


Der Grignolino von Sandböden ist luftig, elegant, duftend, leicht und früh zu trinken. Der Grignolino aus dem Casalese ist körper- und tanninreicher, „wilder” in der Jugend und lagerfähig. Die besten Grignolino-Weine haben ihren Höhepunkt im zweiten Jahr, im dritten sind sie immer noch sehr gut und auch später können sie positive Überraschungen bereithalten.


Speisenkombinationen

Der Grignolino ist ein typischer „Food Wine” wie die Angelsachsen sagen, also ein Wein zum Essen. Er passt gut zu vielen Gerichten, etwa Risotto, Ravioli, Suppen aus Hülsenfrüchten oder hellem Fleisch. Er ist auch ausgezeichnet zu einigen würzigen Fischgerichten, zum Beispiel frittierten Sardinen oder Anchovis. Aber die beste Kombination ist vielleicht jene mit gekochter Salami (salame cotto), einer typischen, ziemlich fetten und stark gewürzten Wurst aus dem Piemont und dazu knusprigem Monferrina-Brot.

Viele Kombinationen kann man selbst ausprobieren, wenn man an einem sommerlichen Spaziergang zwischen den Weingütern des Monferrato teilnimmt. Diese Veranstaltung organisiert Slow Food zusammen mit der Enoteca Regionale del Monferrato immer im Juni unter dem Titel ”Grignolino in Grignolino”. Bekocht wird man von den Familien der Winzer. Willkommen sind alle, sowohl Grignolino-Kenner als auch Neugierige.


Der ”Tempel des Grignolino”

 

 

 

 

Der ”Tempel des Grignolino”

Der „Tempel des Grignolino” ist zweifellos die Enoteca Regionale del Monferrato in Vignale im Callori-Palast aus dem 18. Jahrhundert. Das Gebäude war bereits Wohnsitz der Grafen Callori aus Vignale und wurde im Jahr 1977 von der Region Piemont erworben. Im historischen Weinkeller kann man den Grignolino verkosten und sich über die meist kleinen und weniger bekannten Erzeuger informieren. Die Weine sind nur zur Ausstellung zugelassen, wenn sie von der strengen Verkostungskommission bestätigt wurden.


Die DOCs

Sowohl der Grignolino d’Asti als auch der Grignolino del Monferrato Casalese können mit bis zu 10 % Freisa vergoren werden (das muss bereits im Weinberg so angelegt sein und die Trauben müssen zusammen geerntet werden), mit dem hauptsächlichen Ziel, seine Farbe zu verbessern. Dennoch tendieren die angesehensten Produzenten dazu, ihn rein zu verarbeiten, um seine Originalität zu unterstreichen.

Eine Auswahl der Weine des Monferrato Casalese kann man auf der ProWein 2008 verkosten, vorgestellt am Stand der Provinz Alessandria, Halle 3 C60.

Übersetzung von Katrin Walter

 

 

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