wein.plus
ACHTUNG
Sie nutzen einen veralteten Browser und einige Bereiche arbeiten nicht wie erwartet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser.

Anmelden Mitglied werden

Noch nie habe ich in so kurzer Zeit so viele mit Gold und Silber bekränzte Weine getrunken. Dabei war ich während zwei, drei Wochen „nur“ auf der Suche nach einfachen, aber guten Alltagsweinen; Weinen, die um 7 bis 10 Euro kosten. Es ist das obere Segment des durchschnittlichen Weintrinkers, der seine Weine meist im Shop oder gar beim Discounter kauft. Mein Ausflug führte mich also nicht zu jenen Weinhandlungen, in denen die prestigeträchtigsten Weinregionen vertreten sind, wo man längst nicht mehr von Gold und Silber spricht, viel eher von den (zu) hohen Preisen. Die Weine brauchen da keine Silber- und Goldbestätigungen, sie sind selber preislich längst versilbert und vergoldet. Doch das alte Volks- und Studentenlied „Gold und Silber lieb ich sehr…“ ist gar nicht so unrealistisch, jedenfalls so, wie es weiter geht: „…könnt ich gut gebrauchen, hätt ich doch ein ganzes Meer, mich hinein zu tauchen…“ Inzwischen bin ich der Überzeugung: Dieses Meer von Gold und Silber gibt es längst, auch in der Weinszene. Anders ist es nicht möglich, dass zwei von drei Weinen, die ich auf meiner Suche nach weniger bekannten Namen, Weingütern und Weinen gesucht und getrunken habe, zumindest Silber, oft sogar Gold vorzuweisen hatten.

 

Auf der Suche nach guten Weinen für die Rubrik „Getrunken“ (Foto: P. Züllig)

Zufall oder Marketingstrategie? Eigentlich suchte ich nach guten, authentischen, charaktervollen Weinen, Weinen, die den Durchschnitt überragten. Und das taten sie auch, die Weine, die ich gefunden und getrunken habe, zur überwiegenden Mehrheit. Ob sie aber den Gold- oder Silberadel verdienen, wage ich zu bezweifeln. Wettbewerbe funktionieren halt so: Da gibt es Sieger und Besiegte, Gold, Silber und Bronze. Weil viele (eigentlich alle) Sieger sein möchten, werden auch unglaublich viele Möglichkeiten angeboten, um zu siegen. Im Sport genauso wie auf dem Parkett der Weindegustationen. Beispiele in der näheren Weinwelt: Mundus Vini, La Sélection, Concours Général Agricole Paris, Concours de Bordeaux de Vins d‘Aquitaine, Concours Mondial de Bruxelles, Concours Général de Macors, Concours International Vins de Montagne, Grand Concours Vins d’Alsace… Dies sind nur ein paar Beispiele, bedeutende und unbedeutende, bunt gemischt… Und so mischt sich eben auch Gold und Silber, fast schon beliebig, und präsentiert sich voll Glanz in der Weinszene. Von „wahren“ Weinliebhabern wird dieser Glanz eher belächelt oder sogar abgelehnt. Nicht alle Weintrinkerinnen und -trinker – auch wenn sie noch so gerne guten Wein trinken – verfügen über ein elementares Fachwissen, eine sensorische Sicherheit oder auch nur bescheidene Kenntnisse einzelner Weinregionen. Es ist ja alles so kompliziert. Wer ist da nicht auf jeden Hinweis angewiesen – ja, geradezu begierig darauf –, der es möglich macht, das Außerordentliche vom Gewöhnlichen zu unterscheiden. Medaillen, ob Gold oder Silber, von wem auch immer, können ein Fingerzeig sein, zumal Gold und Silber – wo immer wir hinkommen – mit Legenden und Mythen aller Art verbunden sind.

 

Mit Medaillen gekrönte Weine in der Sendung „Kassensturz“ von SRF (Foto: Schweizer Fernsehen)

Für die Inkas war Gold der Schweiß der Sonne, für die Ägypter ein göttliches Zeichen (Gott Seth), und bei den Römern erschien Jupiter im goldenen Strahlenkranz. Was in den Mythen verankert ist, hat sich zumindest in der Haltung gegenüber Gold und Silber bis heute erhalten, als Symbol für höchste geistige und materielle Werte: die goldene Kugel als Zeichen der unumschränkten Herrschaft, die goldenen Ringe als Zeichen der Treue, die goldenen Haare („so schön, dass ihresgleichen nicht mehr auf Erden zu finden ist“), das versunkene Gold in Brunnen und Seen, im Acker oder in den Bergen, meist bewacht von bösen Mächten. Das Silber ist nicht weniger umrankt von Legenden und Mythen: vom armen Bauer bei Quedlinburg, der im bitterkalten Winter seine Tochter in den Wald schickt, um Holz zu sammeln, und die dann mit zwei Körben Silber nach Hause kommt – bis hin zu den dreißig Silberlingen des Verrats, die schließlich auf den Blutacker gebracht wurden.

Die Weinszene ist besonders
anfällig für Mythen und Legenden: „Seht, wie blinkt der goldne Wein, hier in meinem Becher; horcht, wie klingt so silberrein froher Sang der Zecher!“ Es sind kaum mehr „wilde Zecher“, sondern gesittete Weintrinker, die den Becher längst mit dem Glas vertauscht haben, die immer noch vom goldenen oder silbernen Glanz träumen, vom Mythos, der eben im Wein verborgen ist und von dem man sagt, dass darin die Wahrheit liege.

Es mag sein, dass ich mir das alles nur ausgedacht, zurechtgelegt habe: den Mythos vom Gold und Silber, die Siegertreppe mit den drei Podesten. Tatsache ist, dass unglaublich viele Wein-Wettbewerbe die mit diesen Tributen spielen. Allein beim internationalen Weinpreis „Mundus Vini“ (einem der größten Wettbewerbe) werden jährlich etwa 6.000 Weine eingereicht, die von 150 Juroren geprüft werden. Gemäß Reglement darf höchstens ein Drittel der Weine prämiert werden. Rein rechnerisch ergibt das (wenn die Quote ausgeschöpft wird) immerhin 2.000 gold- oder silberbedachte Weine. Allein bei diesem einen Wettbewerb. Ähnliche „Wettkämpfe“ gibt es unglaublich viele in allen Sparten der Weinproduktion, in allen Regionen, für alle Rebsorten und in allen Preissegmenten.

Man fragt sich zu Recht: Was ist da eine Medaille noch wert? Viele der renommiertesten Winzer nehmen an solchen Wettbewerben erst gar nicht teil. Zudem sind die Entscheidungskriterien oft nicht klar (oder einheitlich) und die Jury-Zusammensetzungen ebenso oft umstritten. In den allermeisten Fällen werden auch keine Bronze-Medaillen vergeben, nur Gold und Silber.

 

Medaillen-Parade (Foto: P. Züllig)

Der bereits zitierte Wettbewerb „Mundus Vini“ erhöht –  zum Beispiel – den Goldsegen, indem zwar insgesamt nicht mehr als etwa 30 Prozent der Weine ausgezeichnet werden (wie es das Reglement vorschreibt), doch zwei Kategorien von Gold zu erringen sind:  das „Große Gold“ und das „Gold“ nebst dem Silber (Bronze gibt es auch hier nicht). So wird das Siegertreppchen sichtbar vergoldet. Andere Wettbewerbe kennen ähnliche Tricks, die kaum durchschaubar sind und sich in der Vielzahl von Kategorien verlieren. Der Konsument, die Konsumentin sieht nur die Medaille auf der Flasche funkeln, um welchen der „Concours“ (die französische Bezeichnung ist sehr beliebt) es sich handelt, ist nur schwer auf der Medaille zu lesen. Tut auch wenig zur Sache: Hauptsache, der Wein ist gekrönt, ragt also weit über den Durchschnitt hinaus.

Mitunter tauchen sogar Weine auf, die nur für einen Wettbewerb so gekeltert und abgefüllt werden. Meist mit Phantasienamen von Weinen und Weingütern, oft so genannte Händlerabfüllungen, geschaffen für den gold- und silbergläubigen Markt. Es genügt längst nicht mehr, nur mit Punktzahlen (am bekanntesten: Parker-Punkte), Sternen oder Gläsern die Qualität eines Weins zu dokumentieren. Zu unterschiedlich sind die Testbedingungen, zu diffus oft die Kriterien und für den Laien ein Punkte-Wirrwar, der kaum zu verstehen ist.

Da machen sich Gold und Silber doch schon viel besser: „Eins doch ist mir wunderbar bis auf diese Stunde, dass der frühe Morgen gar, führe Gold im Munde. Tag ist zwar ein Königssohn, Meer die Silberwiege, Sonne, seine goldene Kron´, schmückt ihn wie zum Siege.“ Auf all die „sonnigen“ Weine, die diese Krone schon tragen oder noch tragen werden. Der Konsument darf wenigstens von den (oft so trügerischen) goldenen Höhen träumen.

Ihr/Euer

Mehr verwandte Stories

Alle anzeigen
Mehr
Mehr
Mehr
Mehr
Mehr
Mehr
Mehr
Mehr
Mehr
Mehr

Veranstaltungen in Ihrer Nähe

PREMIUM PARTNER