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Es ist Bruno, der Chef de Police, der mich ins Périgord lockt. Nach Saint-Denis, eine ländliche Gemeinde an der Vézère, mit knapp 3.000 Einwohnern, kurz vor der Einmündung des Flusses in die weit größere Dordogne. Hier lebt Bruno Courrèges, Landpolizist, dem Bürgermeister direkt unterstellt, verantwortlich für das friedliche Zusammenleben im Dorf: Verkehrsregelung, Kontrollen auf dem Markt, Organisation von Gedenkfeiern und anderen meist patriotischen Anlässen; er achtet auf das Einhalten der Parkordnung, kämpft mal gegen einen kleineren Brand, bringt verlorene Hunde zurück und registriert Geburten und Todesfälle. Kurzum: Bruno ist eine Respektsperson, zugleich aber auch echter „Freund und Helfer“.

Köstliche Zwischenmahlzeit im Périgord (Foto: P. Züllig)

Bruno ist aber auch ein Bonvivant, ein Gourmet, ein Hobbykoch, ein gut aussehender Mann, ein ehemaliger Rugbyspieler, der jetzt die Jugend von Saint-Denis trainiert. Sogar der Brigadier – der beruflich nach Saint-Denis gekommen ist – meint: „Sie ahnen nicht, wie gut Sie es hier in Saint-Denis haben. Leckeres Essen, zwei Bistros, die diesen Namen verdienen, und Wein aus dem eigenen Tal. Die Hälfte meiner Mitarbeiter in Périgueux lebt von Fastfood.“ Und ein andermal sagte er: „Machen Sie sich auf einen Hochgenuss gefasst…“, als Bruno sein Laguiole-Messer vom Gürtel nahm, den Korkenzieher ausklappte und den golden schimmernden Monbazillac öffnete. „Bon appétit und willkommen im kulinarischen Herzland Frankreichs“, sagte er, bestrich das Brot hauchdünn mit der gelben Fettschicht, die die Leberstücke versiegelte, und belegte es anschließend mit einem großzügigen Stück Pastete. Bruno schmunzelte, als der Brigadier an seinem Monbazillac schnupperte und sagte: „Die Frühlingssonne wärmt die Mauer des alten Châteaux, und wir genießen Foie gras mit einem perfekten Tropfen.“

Verführung oder Versuchung – regionale Produkte (Foto: P. Züllig)

Würden Sie da nicht auch hinfahren, ins kulinarische Herz Frankreichs? Selbst wenn Sie die Stopfleber aus tierschützerischen Gründen ablehnen und den „armen“ Gänsen des Périgord nicht begegnen möchten. Da gibt es ja auch den Wein, den süßen Monbazillac oder den roten, trockenen Pécharmant, Käse, Pâté und natürlich die schwarze Trüffel.

Nur – Saint-Denis im Périgord gibt es nicht und Bruno Courrèges, der perfekte Polizist und Genießer, existiert auch nicht. Zumindest heißt er nicht so. Der Schotte Martin Walker – Journalist und Vorsitzender eines privaten Think-Tanks für Topmanager – hat sie erstehen lassen in seinen bisher vier Bruno-Romanen. „Manchmal überkommt mich ein schlechtes Gewissen, wenn ich daran denke, dass ich meine Bruno-Geschichten mit ihren fiktiven Morden und schweren Straftaten in die friedlichen französischen Täler der Vézère und der Dordogne verlege, wo es sich doch so angenehm lebt und Verbrechen die absolute Ausnahme sind“, schreibt der Autor, der seit vielen Jahren zumindest teilweise im Périgord lebt.

Auch wenn es Saint-Denis nicht gibt, es existiert trotzdem, mit all den Figuren, den landschaftlichen Schönheiten, den kulinarischen Genüssen, den Eigenheiten der Bewohner und den historischen Bezügen, wie sie in den Kriminalromanen beschrieben sind. Oft habe ich den Eindruck, das fiktive Saint-Denis ist realer, wirklichkeitsnäher als der Ort (oder die Orte), welche(r) dafür Vorbild war(en). So habe ich das Rathaus wirklich gesehen, genauso wie den kommunalen Campingplatz, die Weinhandlung, das alte Château, wo der Showdown in „Delikatessen“ stattfindet, und sogar die Gendarmerie, wo der nicht sehr beliebte Inspektor den nationalen Polizeiposten betreut.

Ein Stück von Brunos Welt im fiktiven Saint-Denis (Foto: P. Züllig)

Die beiden Welten – die (fast) fiktive von Martin Walker und die reale in so manchem Dorf im Périgord – schieben sich ineinander, vermischen sich, führen dazu, dass ich das Gebiet der Dordogne, der Vézère und des Lot viel intensiver erlebe, als was man sonst als Tourist in einer Region erleben kann. Kriminalromane werden zu ausgezeichneten Reiseführern in einer französischen Provinz, die immer etwas im „Schatten“ der Weinstadt und des Weingebiets Bordeaux stand (und heute noch steht). Zu Unrecht, meine ich, denn das Périgord hat mehr zu bieten, als „nur“ weltberühmten Wein, nämlich die Lust zu leben und zu genießen, kurzum, ein reiche Palette an Sinnlichkeit.

Dies beginnt schon bei bedeutenden historischen Zeugen: der Höhle von Lascaux mit den schönsten Felsbildern, die ich je gesehen habe (aus der Zeit von 17.000 bis 15.000 vor Christus, vielleicht sogar früher); der Felsenstadt von La Roque St. Christophe, auf 80 Metern Höhe, mit einer Länge von mehr als einem Kilometer, auf einem Felsband erbaut im 10. Jahrhundert, zum Schutz vor den Wikingern; der einstigen Handelsstadt Sarlat, mit ihren schön renovierten Bauten aus dem Mittelalter, der Renaissance und dem Barock; der Weinstraße rund um Bergerac; ein Weingebiet, das seine Eigenständigkeit (wieder)gefunden hat.

Felsenstadt von La Roque St. Christophe (Foto: P. Züllig)

Es besteht die Gefahr, dass diese Kolumne zur touristischen Reisebeschreibung verkommt, dass die optischen Eindrücke und die Pilgerstätte der Touristen (zum Beispiel Bergerac mit seinem fast noch berühmteren Cyrano, den mit Bergerac – außer dem Namen – nichts verbindet) die Oberhand gewinnen und das „wahre“ Périgord mit seinen Trüffeln, seiner Stopfleber (zum französischen Kulturgut erhoben), seinen Käsen und natürlich seinen Weinen zur Nebensache wird. Martin Walker rettet mich da, mit seinen vier Périgord-Büchern. Ich lasse ihn erzählen und werde dann in der nächsten Kolumne über die Weinstraße und die Weine der Region berichten.

Hier – gleichsam als Appetitanreger – ein leicht gekürztes Rezept aus „Delikatessen“ (Diogenes Verlag, Zürich, 2012): „Bruno legte die Leberscheiben in den zerlaufenden Honig, der so heiß war, dass sich die Poren sofort schlossen. Das Fett trat zwar aus, aber das Fleisch selbst blieb saftig… Die Gänseleber gelingt mit dreißig Sekunden pro Seite am besten… er nahm die Pfanne von der Kochstelle und schüttete das ausgelaufene Fett in ein bereitgestelltes Gefäß… aus einer Flasche goss er nun mehrere Löffel Balsamico-Essig in die Pfanne und verrührte damit den Bratsatz. Unter Zugabe drei großer Esslöffel Honig entwickelte sich eine Sauce, die Carlos in Staunen versetzte… Bruno holte nun das getoastete Brot unter dem Grill hervor, rieb schnell eine Knoblauchzehe über die Schnitten und verteilte sie auf die vorgewärmten Teller. Dazu kamen je zwei Scheiben gebratene Leber, beträufelt mit Honig-Essig-Bratensauce. Schließlich holte er eine schon geöffnete Flasche Monbazillac aus dem Kühlschrank… Die müsst ihr zu Leber trinken, sagte er und schenkte den schweren, goldenen Bergerac-Wein ein… Bon appétit.“

Herzlich
Ihr/Euer

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