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Die Verkostung von zig Fino und Manzanilla an einem Tag ist wahrlich keine Arbeit, die man soeben aus dem Ärmel schüttelt. Der relativ hohe Alkohol und die oft ziemlich expressiven Aromen der Florhefe zwingen den Verkoster zu höchster Aufmerksamkeit, will er die Feinheiten oder auch die hinter den prominenten Aromen eventuell versteckten Schwächen nicht übersehen.

Doch auch wer sich privat näher mit diesen Weinen beschäftigen will, verfällt ihnen aller Wahrscheinlichkeit nach nicht auf den ersten Schluck. Der Alkohol ist hier sicher weniger das Problem, erreichen doch viele Weißweine inzwischen regelmäßig Gradationen zwischen 13,5 und 14,5 Prozent, da ist der Schritt zu den 15 oder 15,5 eines Manzanilla oder Fino nicht mehr weit. Gewöhnungsbedürftig sind eher die zum Teil starken Florhefe-Aromen, die neben den klassischen Noten frischer Hefe auch Jod- und teils strenge Trockenkräutertöne enthalten. Auch die ausgeprägte Salzigkeit vieler dieser hellen Sherry-Versionen ist alles andere als alltäglich.

Doch nicht nur der ungewohnte Charakter dieser Aromen selbst ist eine Hürde, die es zu nehmen gilt, will man sich Fino und Manzanilla annähern. Auch ihre starke Präsenz macht es für auf diesem Gebiet unerfahrene Weinliebhaber manchmal schwierig, die wirklich guten von den einfachen Weinen zu unterscheiden, da die feinen oder unfeinen Details, die erstklassigen oder eben schwachen Sherry dieses Typs ausmachen, hinter diesen strengen, dominanten Tönen nicht immer leicht auszumachen sind.

 

Eindeutig geschmacksprägend: die Florhefe

Doch schon die Hefetöne selbst geben einen ersten Aufschluss darüber, wie sogfältig der Wein produziert wurde. Nur Aromen frischer Hefe deuten auf einen guten Wein hin, Noten von Cornflakes oder Sesam sind bereits ein Mangel, erst recht Aromen von Angebranntem, Brotrinde oder Malz. Mancher Produzent übertreibt es jedoch auch mit den frischen Hefetönen, die, ganz ähnlich wie bei Champagner oder etwa weißem Burgunder, sehr leicht mit Mineralität verwechselt werden können und wohl auch genau aus diesem Grund hervorgehoben werden. Leider kaschiert dieser übertriebene Hefeton allzuoft strukturelle Schwächen und aromatische Defizite oder er verdeckt andererseits eventuell vorhandene Feinheiten.

Feine Jodtöne, herbe Kräuteraromen und eine mehr oder weniger deutliche Salzigkeit ist allen guten Finos und Manzanillas eigen. Dabei sagt man dem Manzanilla aufgrund der meernahen Weinberge eine besonders ausgeprägte Salzigkeit nach. In der Praxis fällt die Unterscheidung jedoch zumeist sehr schwer. Zwar bildet man sich auch nach langjähriger Erfahrung ein, Fino sei im Allgemeinen der etwas ruhigere, abgeklärtere Typ, während Manzanilla ein wenig feingliedriger, salziger und lebendiger sei, doch in der Verkostung liegt man beim Raten dann doch reichlich oft daneben.

 

Die Rebsorte für Fino und Manzanilla: Palomino Fino

Die Frucht eines sehr guten Manzanilla oder Fino erinnert in der Regel an teils angetrocknete Äpfel und, weniger deutlich, Zitrusfrüchte. Neben den salzigen Tönen kann auch "steinige" Mineralität auftreten, doch hier wird man, wie erwähnt, häufig von den Florhefe-Tönen in die Irre geführt. Auch nussige Aromen gehören zum Repertoire, aber hier ist ebenfalls Aufmerksamkeit vonnöten: nur frische, meist in Richting Haselnuss gehende Noten deuten auf gute Qualität hin. Gebrannte Nüsse sind bereits ein leichter Fehler und deutliche Erdnussaromen zeigen zumeist schon einen leicht überlagerten Wein an. Sie steigern sich im Extremfall bis zu einem an ranzige Erdnussbutter erinnernden Ton.

Überhaupt ist Frische eines der Hauptprobleme dieser höchst empfindlichen Weine. Wie Champagner reagieren Fino und Manzanilla sehr sensibel auf zu warme Lagerung oder Licht. Doch auch ohne schädliche Einflüsse gilt: je frischer diese Weine abgefüllt sind, desto besser. Daher ist es von essentieller Bedeutung, einen zuverlässigen Händler als Sherry-Lieferanten zu rekrutieren. Es kann darüber hinaus nie schaden, betreffenden Händler nach dem Zeitpunkt der letzten Lieferung zu fragen und im Zweifel auf die nächste zu warten. Ein Kauf auf Vorrat lohnt nur bei hohem Konsum und besten Lagerbedingungen. Allerdings kann es durchaus sinnvoll sein, den Bedarf für ein halbes Jahr auf einmal zu kaufen und sicher einzulagern, sofern man die Möglichkeiten hat und man den Lagerbedingungen des Lieferanten nicht ganz traut.

In Bestform sind Fino und Manzanilla - von den seltenen, länger holzfassgereiften und schon in Richtung Amontillado tendierenden Reserve-Versionen abgesehen - glanzhell im Aussehen und glasklar in den Aromen, dabei trotz des recht hohen Alkohols feingliedrig und ungeheuer animierend. Die Säure sollte immer elegant, nie streng und vordergründig sein. Die pflanzlichen Aromen sollten sich auf die von Trockenkräutern beschränken und weder grasig noch gemüsig sein - von modrigen Tönen, die hin und wieder vorkommen, ganz zu schweigen. Zwar erwartet man keine große Tiefe von diesen Weinen, doch auch allzu banale, an einfachen Weißwein erinnernde, vordergründig-apfelige Frucht weist auf eine allzu sorglose, auf den einfachen Massengeschmack ausgerichtete Produktion hin. Fino oder Manzanilla darf seinen Trinker durchaus ein wenig fordern, nur so spielt er sein Können als animierender, den Gaumen immer wieder reinigender und auf den nächsten Bissen oder Schluck neugiereig machender Essensbegleiter aus. Die besten Weine dieser Gattung verfügen allerdings tatsächlich über gewisse Konzentration und Tiefe, ohne ihre Eleganz zu verlieren. Darüber hinaus besitzen sie eine Komplexität, wie man sie auch bei anderen Weißweinen nur in der absoluten Spitzenklasse vorfindet. Solche Exemplare sind zwar selten, aber es lohnt sich, nach ihnen Ausschau zu halten.

 

 

Der stark kalkhaltige Boden der Region Jerez wird Albariza genannt

 

 

Darauf muss man sich jedoch keineswegs beschränken, schon weil ein konzentrierter, vieschichtiger Spitzen-Fino oder -Manzanilla vielleicht gar nicht zu jeder Gelegenheit der idealen Begleiter ist. Abseits dieser seltenen Topweine lassen sich eine Menge höchst erfreuliche, animierende und typische Weine finden. Anders als bei den meisten Weinen der Welt muss man beim Sherry nicht fürchten, von den großen Häusern nur einfache, seelenlose Ware zu bekommen. Selbst unter einigen in riesigen Stückzahlen produzierten Marken finden sich einige absolut zuverlässige, manchmal exzellente Weine. Ein großes Problem ist jedoch auch hier die Beschaffung: neonlichtbeschienenen Supermarktregalen ist hier grundsätzlich zu misstrauen. Selbst wenn das Regal frisch gefüllt wurde ist unklar, wie lange der Wein schon im Lager der Handelskette oder vorher beim Importeur gestanden hat.

Bei unserer Verkostung mussten wir feststellen, dass auch ein Direktbezug vom Importeur nicht immer eine Garantie für frische Ware darstellt. Von einigen Marken bekamen wir verschiedene Abfüllungen zur Probe - mit zum Teil erheblich voneinander abweichenden Ergebnissen. Daher gilt auch: geht Ihr erster Versuch einer Annäherung schief, versuchen Sie es getrost noch einmal!

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