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Gut, es war eine dieser ganz leicht hinterlistigen Fragen, derer ich mich gelegentlich nicht enthalten kann, wenn ich mit Kellnern jeglichen Geschlechts und jeder Spezialisierung kommuniziere. Und das kommt öfter vor als bei Essern, die nur der Freude wegen in Restaurants gehen. Da ich diese Tätigkeit auch beruflich ausführe – wozu hin und wieder auch das Alleinspeisen gehört –, ist die prüfende Plauderei mit Jungkellnern, Sommeliers und Maitres entschuldbar: als jobtechnisch bedingte Weiterbildung wie als Zeitvertreib.

Spaß macht die neugierige Fragerei bei Tisch allerdings auch schon mal. Wobei ich streng darauf achte, nicht in jene Art von Kellner-Anmache zu verfallen, die manche Gäste im Stadium fortgeschrittener Gemütlichkeit und ebenso intensiven Alkoholkonsums praktizieren. „Ja, wie heißt sie denn, unsere Kellnerin“, grölte neulich der Kunde neben mir im Pfälzer Ein-Sterne-Restaurant, um dann munter mit diversen Anspielungen auf die Figur der Dame fortzufahren. „Sie müssten mal mehr essen, Sie sind ja so was von schlank.“ Der Mann hatte sich nun eingeschossen und plagte die junge Oberkellnerin mit allerlei kumpeligen Anekdoten auch dann noch, als ich bereits das Wechselgeld entgegengenommen hatte. Ausweichen und einen Kollegen vorschicken konnte sie nicht, die Servicefrau, denn sie war an diesem Mittag ganz allein auf weiter Gastraum-Flur; die besternten Lokale spüren eben auch die Krise, vor allem am Mittag.

 

Alte Weißweine passen oft verblüffend gut zum Essen

Zurück zu meiner Eingangsfrage, die nirgendwo anders als in St. Moritz gestellt wurde, also ungefähr dort, wo soeben erst Boris Becker seine Lilly, Sandy oder Barbara geheiratet hat. Serviert wurde, von einer aus Schwaben stammenden Kellnerin, Bressehuhn mit Curry und leicht scharfem Basmatireis. Was denn dazu für ein Wein empfohlen werden könne, wollte ich wissen, und die angedeutete zarte Hinterlist bestand darin, dass ich schon im Gefühl hatte, dass mir die Antwort nicht schmecken würde. Der Chef de Rang parierte schlagfertig und tat kund, dass er einen – übrigens deutlich vom Holz geprägten, üppig-würzigen – Blauburgunder eines namhaften Graubündner Erzeugers präferierte. Ich muss wohl erkennbar die Augenbrauen hochgezogen haben, denn die Dame schob noch eine Zweitempfehlung nach. Chardonnay, vom gleichen Winzer und, wie ich wusste, ebenfalls deutlich vom Barrique beeinflusst. Um Bacchus Willen! Wie kommt man eigentlich auf die abstruse Idee, dass scharfe Geflügelgerichte und Holztannine harmonieren könnten? Ich lehnte dankend ab, murmelte wohl so etwas wie „ich bin nicht sicher, dass das passt“ und grübelte im weiteren Verlauf des im Übrigen exzellenten Essens, weshalb in einem der teuersten Restaurants des Engadins kein besseres Service-Briefing stattfinden kann – oder ob das raue Klima auf 1.800 Metern Höhe über dem Meeresspiegel zum Genuss holziger Weine animiert.

 

Sake - manchmal eine Alternative zum Traubenwein (Foto: Hyatt% Berlin)

Die Begebenheit stellte übrigens keine Ausnahme dar. Tatsächlich lassen sich Kellner jeglicher Couleur oft eher von Traditionen, von Moden oder von Gewohnheiten ihrer Stammkunden leiten als von dem, was wirklich am besten zum Essen passt. Die meisten Gäste tragen an solchen fragwürdigen Empfehlungen, fairerweise muss das gesagt werden, selbst Schuld, denn die wollen selten auf ihre Lieblingsdrinks verzichten und lassen sich kaum je wirklich überraschen und von kundigen Sommeliers mit ausgeklügelten Speise-Wein-Kombinationen begeistern. Wozu natürlich, wenn man die Sache zu Ende denkt, auch gehört, dass es nicht immer Wein sein muss. Gelegentlich passt Bier einfach besser als vergorener Traubenmost – aber dass in einem Sternelokal Pils statt Champagner gereicht wird, ist die absolute Ausnahme und zieht garantiert ein allgemeines Naserümpfen nach sich. Über noch exotischere Speisenbegleiter muss man eigentlich gar nicht sprechen. Alte, im großen Fass oder im Stahl gereifte Weißweine statt junger Holz-Spunde? Würden zwar oft geschmackliche Sensationen auslösen, sind aber rarer als schneefreie Wintertage in St. Moritz. Kirschwasser zum Kirschsoufflé? Eine Sache für Freaks. Kräuterbrand oder Malt Whisky zur Variation von Rauchlachs? Auf solche Experimente will sich kaum je ein Kellner, möchte sich nur sehr selten ein Gast einlassen. Und wie sieht es aus mit Himbeerwein? Mit durchgegorenem israelischen Kiwiwein? Oder gar – es muss ja nicht immer Alkohol sein – mit einem prickelnden Fruchtcocktail an der genau passenden Stelle?

 

Weinauswahl im Restaurant - Überraschungen sind selten

Das einzige Getränk, das nicht aus den Früchten der Weinrebe bereitet wird und sich trotzdem den Status eines noblen Essenbegleiters erworben hat, stammt vermutlich aus Japan. Sake gilt zunehmend als hip bei den Gästen edler asiatischer Restaurants, wird in den feinsten Sushibars ausgeschenkt und steht auf den Karten der weltweit tätigen asiatischen Edellokal-Kette Nobu sogar zu dermaßen atemberaubenden Preisen, dass Jahrgangschampagner geradezu als Schnäppchen erscheint. Guter Sake ist tatsächlich teuer und treibt die Rechnungen erst recht dann in die Höhe, wenn man ihn nicht schlückchenweise, sondern in ordentlichen Mengen konsumieren möchte. Ausgeschenkt wird er nämlich oft in Fünf-Zentiliter-Portiönchen, was auch dann als wenig eingestuft werden muss, wenn man den im Vergleich zu „normalem“ Wein meist höheren Alkoholgehalt berücksichtigt. Wer auf Kosten pfeift und sich verführen lässt, kann aber in eine neue Dimension des Genusses vordringen. Das Berliner VOX, das Restaurant des dortigen Hyatt-Hotels, macht gerade die Probe aufs Exempel, beweist Mut und schickt sogar eine echte Sake-Sommlière ins Rennen. Die empfiehlt zu Nigiri, Maki & Sashimi einen Awasaki Sparkling Sake, zum Rinderfilet mit Miso und jungem Lauch einen Dreamy Clouds Sake und sogar – mutig, mutig - zum Schokoladenkuchen mit Ananassorbet einen Amabuki Rose Sake.

Noch hinterlistige Fragen an Luisa Mehlhose, die Sake-Kellnerin aus Berlin? Nein, denn die Dame ist viel zu schlagfertig, um nicht sofort zu kontern. „Sake ist in Japan ein Trend, und das soll es auch in Berlin werden.“ Wenn man es richtig anstellt, könnte das sogar gelingen.

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