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Wie trainiert man seine Sinne?
Jeder kann seine sensorischen Fähigkeiten trainieren. Das geschieht in erster Linie durch bewusstes Verkosten von Wein. Immer und immer wieder sollte man beim Weinprobieren versuchen, den Geruch und den Geschmack zu analysieren und zu beschreiben. Nur durch eigenes Erleben stellt sich die sensorische Erfahrung ein, und nur durch kontinuierliches Training haben auch professionelle Weinverkoster und -kritiker ihre Expertise erlangt.
Die Grundlage dafür, dass man Aromen erkennen und benennen kann, bildet das bewusste sensorische Wahrnehmen der Umwelt: Wie riechen Blumen, Pflanzen, Früchte, Gemüse? Das gilt jeweils für möglichst viele einzelne Arten. Wie riecht der Wald – im Frühling, im Sommer, im Herbst? Wie riechen Erde und Gestein – trocken, warm, kalt, nass? Wie riechen Kräuter, Nüsse und Gewürze – wiederum jeweils möglichst viele einzelne Arten? Wie riechen und schmecken Früchte und Kräuter, wenn sie frisch sind und wenn sie getrocknet sind? Wie schmecken eingemachte oder eingelegte Früchte oder Gemüse? Wie duftet frisches Holz, wie duftet verbranntes Holz? Was sind Röstaromen, was sind Rauchnoten? Wie duften und schmecken Lebensmittel, wenn sie frisch und wenn sie gegart (gekocht, geschmort, gebraten, gegrillt) sind? Auf viele dieser Fragen kann man bereits ganz einfach jedes Mal achten, wenn man etwas zu essen zubereitet.
Darüber hinaus kann man durch Übungen und Referenzen seinen geruchs- und Geschmackssinn gezielt schulen.
Die Nase trainieren
Mit Hilfe von Geruchsreferenzen kann man sein Erinnerungsvermögen für bestimmte Düfte auffrischen. Zu diesem Zweck gibt es diverse Aromen-Sets in verschiedenen Ausführungen von mehreren Anbietern, etwa Le Nez du Vin, Aromaster oder Aromabar. In diesen Sets sind laut Herstellerangaben die wichtigsten im Wein vorkommenden Aromen in kleinen Fläschchen konserviert, so dass man sie jederzeit bewusst “erschnuppern” kann. Solche Sets sind sowohl für typische Weißwein- als auch für Rotweinaromen und sogar speziell für Weinfehler erhältlich. Mit jeweils rund 300 Euro sind diese Sets allerdings relativ teuer, und die Aromen, die hier präpariert sind, sind künstlich produziert, was man in manchen Fällen auch merkt.
Naturgetreuer und deutlich günstiger sind daher selbst hergestellte Referenzen. Nachfolgend einige Beispiele, die nach Belieben ergänzt werden können; das Herstellungsprinzip ist stets ähnlich.
Für diese Rezepte ist ein Grundwein erforderlich. Das sollte ein neutraler, einfacher Wein sein; beispielsweise ein trockener Müller-Thurgau oder ein passabler norditalienischer Pinot Grigio für etwa drei Euro pro Flasche ist dafür völlig ausreichend.
Rezepte für Weißwein-Geruchsreferenzen
- Zitrone
frisch gepressten Zitronensaft 1:2 mit dem Grundwein mischen - Grapefruit
frisch gepressten Grapefruitsaft 1:2 mit dem Grundwein mischen - Apfel, Birne
Apfel bzw. Birne klein schneiden und 3 Stunden im Grundwein ziehen lassen - Pfirsich, Aprikose
Pfirsich- bzw. Aprikosennektar (etwa von Granini) 1:1 mit dem Grundwein mischen - Ananas
1/12 einer frischen Ananas in 200 ml Grundwein ziehen lassen - Honig
2 TL Honig in 30 ml Grundwein auflösen - Pilze
30 g Champignons klein schneiden und 3 Stunden in 200 ml Grundwein ziehen lassen - Gras
frisches Gras klein schneiden und 2 Stunden im Grundwein ziehen lassen
Rezepte für Rotwein-Geruchsreferenzen
- Erdbeere
30 ml Erdbeerkonservenlake und eine frische Erdbeere in 70 ml Grundwein ziehen - Himbeere
zwei zerdrückte Himbeeren 1 Stunde in 100 ml Grundwein ziehen lassen - Johannisbeere
10 ml Cassis-Sirup in 90 ml Grundwein geben - Dörrpflaume
zwei Dörrpflaumen klein schneiden und 3 Stunden in 100 ml Grundwein ziehen lassen - Kräuter
0,5 bis 1 ml Kräuterlikör in 100 ml Grundwein geben - Nelke
zwei Gewürznelken 3 Stunden in 100 ml Grundwein ziehen lassen - Pfeffer
zwei schwarze Pfefferkörner zerdrückt in 100 ml Grundwein ziehen lassen - grüne Paprika
ein 10x10 mm großes Stück frische Paprika 30 Minuten in 100 ml Grundwein ziehen lassen - Vanille
1 ml Vanilleextrakt in 100 ml Grundwein geben - Eichenholz
1 g Hobelspäne von Eichenholz 1 Stunde bei 60 °C im Backofen rösten und dann 3 Stunden in 100 ml Grundwein ziehen lassen - Kaffee
eine zerdrückte Kaffeebohne in 100 ml Grundwein ziehen lassen - Kakao
2 Messerspitzen Kakao in 100 ml Grundwein ziehen lassen
Wer versuchen möchte, die Aromen blind zu erkennen, sollte die fertigen Mischungen in neutrale Gefäße füllen und diese nummerieren (Schlüssel für die Auflösung notieren!) oder kann sie jeweils noch mit Lebensmittelfarbe einfärben.
Die Zunge trainieren
Beim Geschmackstraining geht es im Wesentlichen darum, die Geschmacksrichtungen süß und sauer zu erfahren.
Süßeempfinden
Die Basis für die folgenden Referenzen ist eine Zuckerlösung im Verhältnis von 50 g Zucker auf einen Liter Flüssigkeit. Als Flüssigkeit kann dabei ein Grundwein (s.o.) oder einfach Wasser verwendet werden.
Dann werden in nebeneinander aufgestellten Gläsern die folgenden Mischungen angelegt; dabei ist es am einfachsten, die Anteile jeweils mit Teelöffeln abzuzählen und direkt in das entsprechende Glas zu füllen:
neutral | 32 Anteile Flüssigkeit |
3 g/l | 2 Anteil Zuckerlösung auf 32 Anteile Flüssigkeit |
6 g/l | 4 Anteile Zuckerlösung auf 28 Anteile Flüssigkeit |
12 g/l | 8 Anteile Zuckerlösung auf 20 Anteile Flüssigkeit |
usw. | usw. |
Anschließend werden von einer dritten Person im Verborgenen zwei der Gläser ausgetauscht, und der Proband muss danach herausschmecken, welche beiden Gläser ausgetauscht wurden. Je nach individuellen Schwellenwerten kann man die Konzentrationen auch entsprechend variieren.
Säureempfinden
Hier ist die Basis für die folgenden Referenzen eine Säurelösung im Verhältnis von 10 g Zitronensäure auf einen Liter Flüssigkeit (Grundwein oder Wasser).
Dann werden wiederum in nebeneinander aufgestellten Gläsern die folgenden Mischungen angelegt:
neutral | 31 Anteile Flüssigkeit |
0,3 g/l | 1 Anteil Säurelösung auf 30 Anteile Flüssigkeit |
0,6 g/l | 2 Anteile Säurelösung auf 29 Anteile Flüssigkeit |
0,9 g/l | 3 Anteile Säurelösung auf 28 Anteile Flüssigkeit |
usw. | usw. |
Anschließend werden wieder von einer dritten Person im Verborgenen zwei der Gläser ausgetauscht, und der Proband muss danach herausschmecken, welche beiden Gläser ausgetauscht wurden. Auch hier kann man nach individuellen Schwellenwerten die Konzentrationen entsprechend variieren.
Wechselwirkungen zwischen Süße und Säure
Die nächsthöhere Stufe des sensorischen Trainings besteht darin zu erfahren, wie Süße und Säure sich im Geschmacksempfinden gegenseitig beeinflussen, und zu lernen, beide Geschmacksrichtungen in der Wahrnehmung voneinander zu trennen.
Dafür wird eine Reihe von Referenzlösungen aufgebaut, in der Säure und Süße gleichzeitig auftreten:
Zucker (g/l) | Säure (g/l) | Anteile Zuckerlösung | Anteile Säurelösung | Anteile neutrale Flüssigkeit |
---|---|---|---|---|
3 | 0 | 2 | 0 | 30 |
3 | 0,9 | 2 | 3 | 27 |
6 | 0 | 4 | ß | 28 |
6 | 0,6 | 4 | 2 | 26 |
6 | 0,6 | 4 | 3 | 25 |
12 | 0,3 | 8 | 1 | 23 |
12 | 0,9 | 8 | 3 | 21 |
Es gilt nun, diese Proben korrekt nach Süßegrad oder Säuregrad zu ordnen. (Die Werte in der Tabelle können dabei auch beliebig variiert werden.)