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„Friedrich Hölderlin“, Schwarzriesling, „Wilhelm Hauff“, Spätburgunder oder „Eduard Mörike“, Samtrot, so etwa kann es auf der Weinkarte stehen, im Keller “Zum Viertelesschlotzer” in Lauffen am Neckar. Und wer hier einen dieser Dichter bestellt, bekommt ein Glas Kabinett oder Spätlese, alles Weine der Genossenschaft “Lauffener Weingärtner”. Wenn es dann sogar ein “Katzenbeißer” ist, dann kommt er von der allerbesten Lage der Region, von den gut 500 Hektar Rebflächen oberhalb des Bahnhofs in Lauffen, entlang der Zaber. Ein zum Teil recht steiles Gelände, bekannt für Rotweine der Rebsorten Schwarzriesling, Trollinger, Samtrot und Lemberger.

Steillagen von Lauffen% hoch über der Zaber% einem Nebenfluss des Neckars.

Nun sehe ich viele Nasen, die sich rümpfen: Schwarzriesling, Trollinger oder gar Lemberger! Puh! In der hehren Weinwelt steigen diese Weine nur selten aufs Podest. Dort thronen Weinfürsten wie der Pinot noir, der Cabernet Sauvignon, der Merlot oder – vor allem in Deutschland – der Riesling. Weine haben es mitunter fast so schwer wie Dichter, um zu Ruhm und Ehre zu kommen. Hölderlin, am Fuß der Rebberge in Lauffen geboren, war zwar zu Lebzeiten unter Literaten nicht ganz unbekannt. Doch er galt als romantischer Melancholiker und bloßer Nachahmer des Dichterfürsten Schiller. Erst viele Jahrzehnte nach seiner geistigen Umnachtung und seinem Tod wurden Hölderlins Oden, Elegien und Hymnen als Höhepunkt deutscher Romantik eingestuft. In seinem Werk „Brot und Wein“ lässt er eine Bacchus-Christus-Gestalt erstehen: „…und wozu Dichter in dürftiger Zeit? Aber sie sind, sagst du, wie des Weingotts heilige Priester, welche von Lande zu Land zogen in heiliger Nacht“.

Denkmal am Geburtsort Hölderlins% ganz in der Nähe der Rebberge.

Ein paar Meter vom Haus entfernt, wo Hölderlin 1770 geboren wurde, steht in einem Verkehrskreisel eine moderne Skulptur: Hölderlin ist darin zwei Mal dargestellt, je am Ende eines Federkiels, links als Kleinkind, rechts als junger Dichter, dazwischen Schiller und Goethe, nackt als siamesische Zwillinge, die nur einen Unterleib haben. Was mich beeindruckt, ist weniger die Skulptur als der Weinberg, der im Hintergrund zu erkennen ist. „Seliges Land! Kein Hügel in dir wächst ohne den Weinstock", steht auf dem Hölderlin-Denkmal. Tatsächlich laden die Terrassenweinberge oberhalb des Flüsschens Zaber ein, darüber nachzudenken, was Wein dem Menschen bedeuten kann; warum Dichter immer wieder die Reben und Rebberge preisen, als Symbol des Lebens, der Heimat, der Natur. Da hat es keine Bedeutung, dass im Rebberg, der wie ein riesiges Amphitheater angelegt ist, Reben wachsen, die den weltweiten Erfolg (bis heute) nicht geschafft haben. Trollinger, Schwarzriesling, Lemberger, und wie sie alle heißen.

Dichterskulptur in einem Verkehrskreisel. Im Hintergrund die Rebberge unweit vom Geburtshaus des Dichters.

Jetzt wäre es an der Zeit, wenigstens einen dieser Weine zu verkosten, allen sich rümpfenden Nasen zum Trotz. Wenn man mit dem Auto unterwegs ist, liegt eine ausführliche Weinprobe nicht drin. Denn noch muss ich zumindest Spuren von Mörike und Hauff aufspüren, dies bin ich den „geschlotzten Viertele“ schuldig. Auf dem Weg zur Kirche in Cleversulzbach, wo Mörike Pfarrer war, habe ich aber im katholischen Winzerdorf Königheim Halt gemacht. Die wunderschöne Barockkirche St. Martin hat mich angelockt. An der Hauptstraße bin ich stillgestanden. Bei einem Weingut, fast wie im Bilderbuch: Weingut Siegfried Schmidt. So bin ich halt in Tauberfranken gelandet, wo der Bocksbeutel zuhause ist, obwohl das Weingebiet zu Baden-Württemberg gehört.

Weingut Siegfried Schmidt. Mitten im Weindorf Königheim.

Nun können sich die Nasen wohl noch mehr rümpfen. Wo bin ich gelandet? In einem - der großen deutschen Weinwelt - kaum bekannten Weingut, der letztjährige Schwarzriesling, soeben abgefüllt. Und es musste sein!

Die einzige Wein-Trophäe, die ich diesmal mitgenommen habe, ist dieser Schwarzriesling. Symbol für eine Fahrt auf der Spurensuche nach süddeutschen Dichtern. Dass mich Wein auf dieser Reise trotzdem begleitet hat, Tag für Tag, dafür sorgten Hölderlin, Mörike, Hauff mit ihren Werken und den hinterlassenen Orten ihres Lebens und Wirkens.

"Diese Landweine aus dem Taubertal schmecken nach Land und Erde und Gehölz, sie sind tief und rein wie ein Glockenton," soll Kurt Tucholsky notiert haben. Jedenfalls behauptet dies die Touristenwerbung.

Barockkirche Sankt Martin in Königheim.

Abseits der großen Weine mit großem Namen habe ich den samtigen Abgang, die feine Würze nach frischen Mandeln, die dezenten Fruchtnoten und natürlich den obligaten roten Beeren genossen. Weit und breit kein Holz, dafür Wein: eben Landwein. Eigentlich braucht es die vielen Kunstgriffe nicht, mit denen heute Wein immer wieder künstlich beladen wird.

Trotz Tucholsky und Schwarzriesling bin ich schließlich doch noch bei Mörike in Cleversulzbach angekommen. Ein Blick hinauf zum alten Turmhahn (der längst ein neuer ist, der alte ruht im Schiller-Nationalmuseum in Marbach): „Kommt tragt ihn mir gleich vor ins Haus, trinkt ein kühl Glas Wein mit aus.“

Der Turmhahn auf der Kirche im Mörike-Dorf Cleversulzbach.

So wurde der alte, ausgediente Turmhahn im Pfarrhaus von Mörike aufgenommen und in einem Gedicht besungen. Am 74. Geburtstag eines befreundeten Nachbarn findet Mörike in der Rebe ein Sinnbild für das Leben: „…zum geliebten Weinberg strebe jeden Frühling er aufs neu, bis er selbst als edle Rebe von dem Herrn verpflanzet sei!“

Eigentlich gehört das Dorf längst zur Gemeinde Neuenstadt am Kocher im Landkreis Heilbronn. Und die Trauben ab dem Föhrenberg, dem Weingebiet in Cleversulzbach, werden heute in der Eberstädter Genossenschaft ausgebaut. Das Weindorf Cleversulzbach ist zum Mörikedorf mutiert. Von den drei Dichtern, denen in Lauffen ein Wein gewidmet ist, fehlt noch der frühverstorbene Wilhelm Hauff. Eigentlich hat es Hauff mehr mit den Wäldern zu tun denn mit Reben. Sein „Wirtshaus im Spessart“, hat es vor allem durch den Film mit Liselotte Pulver bisher zum größtem Ruhm gebracht.

Wasserschloss zu Mespelbrunn% Schauplatz im Film „Das Wirtshaus im Spessart“.

Im Wasserschloss zu Mespelbrunn entkommt der vermeintliche Räuberhauptmann, als Schwan verkleidet, aus dem Turm, wohin er geflüchtet ist. Die Moritat findet natürlich ein glückliches Ende. Hat Wilhelm Hauff wirklich nichts mit Wein zu tun? Oder doch? Er hat nach dem Besuch des berühmten Bremer Ratskellers, wo noch heute der älteste Fasswein Deutschlands lagert, auch eine Novelle zum Wein geschrieben: „Phantasien im Bremer Ratskeller – ein Herbstgeschenk für Freunde des Weines“. So führt der Weg – mindestens in Gedanken – von Süddeutschland in den Norden, wo sich in Hauffs Erzählung phantastische Spukbilder entwickeln, hervorgerufen durch Alkoholgenuss. Im unterirdischen Ratskeller von Bremen werden die Geister unterschiedlicher Gestalten lebendig: die zwölf Apostel genau so wie der Gott Bacchus, Gestalten christlicher und klassischer Mythologien. So haben mich drei deutsche Dichter aus der Zeit der Romantik auf meiner eigenen Weinstraße begleitet. Darum „schlotze“ ich heute Abend mit großem Vergnügen ein „Viertele“ Schwarzriesling aus Württemberg, begleitet von den guten Wünschen längst verstorbener Dichter.

Herzlich

Ihr/Euer

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