Unter meinen „bevorzugten“ Weinhändlern gibt es einen, der es immer wieder versteht, meine Aufmerksamkeit zu gewinnen. Ich kenne ihn zwar nicht persönlich, war noch nie in seinem Geschäft, erhalte nur – zwei, drei Mal im Jahr – Werbepost von ihm. Da flattert mir das Gegenteil einer raffinierten Grafik auf Glanzprospekten entgegen. Es sind gewöhnliche A-4-Bogen – meist gräuliches Umweltpapier – mit verwirrend vielen Informationen, schlecht eingescannten Bildern und dickstrichigen Pfeilen.
Werbesendung eines Weinhändlers für das eher tiefere Preissegment |
Gewöhnlich wandert solche Post ungelesen in den Papierkorb. Nicht aber diese Werbung, denn sie ist immer wieder für eine Überraschung gut. So habe ich schon vor Jahren einen Bordeaux entdeckt, einen sogenannten Alltagswein im Preissegment um 10 Euro, der seither in meinem Keller lagert, von wo ich ihn oft hole, bei größeren Anlässen gerne aufstelle, ab und zu in meine Degustationen einbaue und auch gerne empfehle: Parenchère, aus Ligueux, im äußersten Osten des Bordelais. Ich gebe zu, damals hat mich nicht die Qualität des Weins beeindruckt (ich kannte den Wein überhaupt nicht), sondern die „gute Geschichte“, die der Weinhändler zu erzählen wusste. Nämlich wie er den Besitzer von Parenchère an der riesigen „Vinexpo“ in Bordeaux kennengelernt hat und sich daraus eine Freundschaft entwickeln konnte. Eine rührende Geschichte. Da habe ich einfach einmal 12 Flaschen bestellt und – was bei Spontankäufen eine Seltenheit ist – und einen sehr guten, damals noch weitgehend unbekannten Wein erhalten. Seither schaue ich mir die Post dieses Weinhändlers an.
Château de Parenchère - ein vorzüglicher Bordeaux für den Alltag |
Jetzt aber hat mich der Weinhändler wieder einmal erwischt mit einer Geschichte rund um einen besonders günstigen „Prosecco“. Da steht unter anderem: „Sorry, aber wir müssen ganz ehrlich zugeben, dass unser letztes Angebot für einen feinen Prosecco aus Italien eher ein Misserfolg war!“ Welcher Händler gibt schon zu, dass sein Produkt keine Beachtung findet? Doch es kommt noch ungewohnter: …“so haben wir dann etwa 20 gute Chlöpfmost-Kunden (Chlöpfmost = despektierlicher schweizerdeutscher Ausdruck für Schaumweine. pz) angerufen und uns erkundigt, warum unsere Prosecco-Offerte auf taube Ohren gestoßen ist. Die Antwort hat uns fast umgehauen: Zu günstig !!!???“
Werbung für einen gewöhnlichen Prosecco aus dem Veneto |
Warum ich dies alles erzähle? Ganz einfach, weil es typisch ist, wie man mich – den abgebrühten Bordeaux-Liebhaber und Weinsammler – dazu bringt, ein mir unbekanntes Produkt zu kaufen. Es sind wohl zwei Dinge dafür ausschlaggebend: 1. Das Vertrauen. Ich habe einmal eine gute Erfahrung gemacht. Also hoffe ich insgeheim, diese werde sich wiederholen. 2. Der Wein wird nicht nur angepriesen. Er wird mit einer „Geschichte“ verknüpft, hier mit der Geschichte des Misserfolgs. Und schon ist das Interesse geweckt. Eigentlich wäre dies ja eine Warnung, die Hände davon zu lassen. Aber nein, das Gegenteil ist eingetreten. Die Flaschen liegen da, gekauft!
Ein günstiger oder eben „billiger“ Prosecco% wie es eben viele gibt |
Als ich die erste Flasche Prosecco öffnen wollte, ist mir ein recht unkonventioneller Flaschenverschluss aufgefallen. Anstatt des üblichen Drahtes und der üblichen Stanniol- oder Plastikhaube eine locker gebundene Schnur um Flaschenhals und Korken. Noch nie gesehen.
Schnur-Verschluss des Prosecco |