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Ja, der Sommer ist für ein paar Tage zurückgekehrt. Wir nutzen die wohlige Wärme, um im Garten den alten, schiefen Holzgrill in Betrieb zu nehmen. Auf den Tisch kommt eine Flasche „La Tour du Pin Figeac”, 1997. Darauf klebt noch ein oranges Preisschildchen: „Denner 25.90” (17.80 €). Denner ist ein schweizerischer Superdiscounter, der ab und zu auch gute Weine zu guten Preisen anbietet. „Was, ich habe einen ‚La Tour du Pin Figeac’ im Keller, von einem Château, das ich kaum kenne,” wundere ich mich. Mein Interesse ist geweckt!

Sommerabend vor dem Haus

Ich hole den Computer, öffne meine Kellerdatei. Tatsächlich: am 27. November 1999, vor bald sieben Jahren, habe ich drei Flaschen gekauft, im Discounter in Wetzikon. Eine Flasche ist bereits getrunken. Mit wem? Am 30. Januar 2005, an der "Generalversammlung des Bordeaux-Club: Thema: 1997.” Ich kann mich nicht an den Wein erinnern. Als Gastgeber habe ich auch keine Notizen gemacht. Also ist dies heute Abend mein erster „La Tour du Pin Figeac”, den ich bewusst konsumiere.

Originaletikett von "Tour du Pin Figeac"
Was ich sonst nie tue, geschieht ohne dass ich es bemerke: „Auge: etwas matte, aber tiefe Farbe, keine Spur von Orangetönen. Nase: beerenfruchtig, etwas Kräuter, Lakritze... Gaumen: wenig Säure, weich, zu schlanker Körper, mittlerer Abgang”. Während des Trinkens ordne ich sonst einem Wein nie Eigenschaften zu, schon gar nicht in Form von Notizen. Dies geschieht immer später, häufig am nächsten Tag, frei aus der Erinnerung. Das Werten und Bewerten soll nicht den Genuss stören und auf die Ebene sachlicher Fakten reduzieren.

Aber, was kann ich zum Château sagen? Es liegt in Saint-Emilion, zwischen dem berühmten „Figeac” und dem noch berühmteren „Cheval blanc”. Mehr weiß ich nicht. Also greife ich zu dem fast alles wissenden Féret: „Bordeaux et ses Vins”. Da gibt es zwei Weingüter mit dem genau gleichen Namen: Das kleinere gehört Jean-Michel Moueix, aus der Bordeaux-Familie, die auch „Pétrus” besitzt.

Das andere, etwas größere Châteaux - 11 Hektaren - gehört der Familie Giraud-Béllivier. Um diesen Wein also handelt es sich. Auf der Suche nach einer Wertung entdecke ich bei Parker einen Irrtum. In seinem Bordeaux-Führer beschreibt er nur das Moueix-Gut, illustriert es aber mit der Etikette von Giraud-Béllivier. Auch Parker ist halt nicht perfekt!

Verwechslung im "Parker Bordeaux"

Da ich schon am Nachschlagen bin, interessieren mich die Preise. Habe ich damals gut oder schlecht eingekauft? Doch da ist das Durcheinander und die Verwechslung der beiden Weingüter noch größer. Der Moueix-Wein kostet um die 35 €, der Giraud-Wein etwa um 20 €. In den meisten Fällen wird gar nicht angegeben, um welchen der beiden Weine es sich handelt. Man ersieht dies oft nur am Preis.

Nachdenklich schüttle ich den Kopf: habe auch ich damals die beiden Weingüter verwechselt und beim Discounter gar nicht so wohlfeil gekauft, wie ich glaubte? Es ist zu vermuten! Auch ich bin halt nicht perfekt.

Domain du Mas Rous 1993
Meine Frau hat andere Sorgen: „Morgen sind wir bei ‚Meiers’ eingeladen. Was bringen wir? Wieder einen Wein? Können wir denn schon wieder eine Flasche Bordeaux bringen? Ich gehe morgen ins Blumengeschäft! An einem schönen Bouquet haben sie sicher Freude.” Ich denke an den Aufwand und beharre auf Wein - Bordeaux, nur in den Keller gehen.... Wir finden einen Kompromiss: „Doisy-Védrines”, 1999, einen Sauternes haben wir noch nie gebracht.

Eigentlich ist er noch viel zu jung, gerade an der Schwelle zur ersten Genussreife. Er könnte gut und gerne noch zwanzig Jahre reifen. Wir kichern, wenn wir an die Einladung denken: Unsere Freunde wollen es immer so gut machen, sie kochen ausgezeichnet, tun sich aber schwer, uns einen Wein vorzusetzen. Was wird es diesmal sein?

Abgestufter Grand Cru Classé
Da klingelt das Telefon: Am Apparat Max, mein Weinfreund aus Bielefeld. Unsere kleine Pensionisten-Reise steht an. Wohin fahren wir? Wann soll es losgehen? Drei Rentner sind gar nicht so einfach auf ein Programm zu verpflichten. Doch wir einigen uns auf die Mosel - zwei drei Tage vor dem großen Treffen in Bonn. So haben wir nur einmal die Anfahrt. Wir plaudern noch über Wein und Kultur, über Alltag und besondere Ereignisse. Aus der Flasche „Tour du Pin Figeac” lässt sich nichts mehr winden. Vorsorglich habe ich vorher eine zweite Flasche bereitgestellt: Diesmal etwas aus dem „Sammelsurium”, einem Regal, das all die nichtregistrierten Weine enthält.

Dort also, wo ab und zu auch etwas allzu lange liegen bleibt. Tatsächlich, da liegt ein 1993er aus Roussillon, wo die Sonne 325 Tage im Jahr scheint: „Domaine du Mas Rous”. Sollte eigentlich längst getrunken sein. Beste Reife - schreibt der Languedoc-Spezialist Reichmuth - bis 1999. Und sieben Jahre darnach? Tatsächlich, längst nicht mehr jenes brillante Rubinrot, jene feinen Töne von Honig und Harz, von Kirschen und einem Hauch Vanille. Nein, in diesem Alter eher ein harmloser, wenn auch nicht unfeiner Wein.

Inzwischen hat sich meine Frau davongeschlichen. Ich höre aus dem TV-Zimmer leise Dialoge: „Wohl wieder diese Sachsenklinik!”

Noch kurze Zeit genieße ich den warmen Sommerabend. Dann räume ich die Gläser weg. Morgen werde ich in mein Weintagbuch schreiben: „Drei Stunden im Garten gearbeitet” Leider kann man von dieser Arbeit nicht viel sehen, ich kann mich also nicht auf Lorbeeren ausruhen. Dafür verbringen wir einen schönen, warmer Sommerabend. Über Wein haben wir natürlich nicht gesprochen!


Herzlich

Ihr/Euer

Peter (Züllig)


NB
Bei ‚Meiers’ gab es am andern Tag eine „Domina” im Boxbeutel; einen Wein, von dem ich im Forum einst geschrieben habe: „Verlorene Liebesmühe!”

NB
O weh! Jetzt sehe ich gerade, dass die beiden ”La Tour Pin Figeac” (bei der alle 10 Jahre stattfindenden Neubewertung) ”abgestuft” wurden und keine ”Grand Cru classé” mehr sind. Ja beide, der Moueix und der Giraud-Bélivier!

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