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Eigentlich war ich sicher: Friedrich Schiller wurde Mitte des 18. Jahrhunderts im württembergischen Städtchen Marbach geboren; der Wein mit gleichem Namen hingegen stammt aus Chur, dem Hauptort des Bergkantons Graubünden. Ich weiss dies genau. Den Dichter kenne ich, weil ich mich in der Schule mit seiner „Glocke” herumschlagen musste: nicht „Old Shatterhand” spielen, auswendig lernen: „…und drinnen waltet die züchtige Hausfrau, die Mutter der Kinder - und herrschet weise, im häuslichen Kreise - und lehret die Mädchen und wehret den Knaben….” Dies ist mir bis heute geblieben, damals war es ein Alptraum.

 

 

Marbach - Geburtsort von Friedrich Schiller

Bedeutend besser konnte ich mich - Jahrzehnte später - mit dem „Schiller aus Chur” anfreunden , einem ganz speziellen Wein aus Trauben, die ich im „Waisenhaus-Wingert” oder im „Lochert” in Chur Jahr für Jahr miternte.

Schiller, den Wein, den gibt es aber nicht nur in Chur, sondern auch dort, wo Schiller, der Dichter, geboren wurde. In Württemberg. Im Forum von Wein-Plus wurde ich schon vor einiger Zeit belehrt, dass das mit der Exklusivität von Chur ein Irrtum sei. Württemberg beanspruche genauso das Recht, den Schiller-Wein als Spezialität zu hegen und pflegen, nicht nur den Trollinger. Schiller, ein roséfarbener Wein, den man aus einem Gemisch von weißen und roten Trauben herstellt, die noch vor der Maische vermengt und die aus der selben Parzelle (Weinberg) geerntet werden.

 

 

 

 

Ernst Dautel präsentiert seine Kollektion


Als mich kürzlich zwei bekannte Winzer im württembergischen Bönnigheim und Fellbach ihre „württembergische Spezialität” mit Namen Schiller degustieren ließen, da musste ich klein beigeben. Auch in Württemberg gibt es den Schiller, nicht nur den Dichter, auch den Wein. Das schweizerische Chur hat da keine Chance. Ihm bleibt als weltweite Exklusivität nur noch der weiße Completer, gewonnen aus der ältesten Rebsorte Graubündens, auch „Malanser” genannt. Eigentlich stammt auch sie nicht aus Chur, sondern aus Malans, einer Gemeinde rund 17 Kilometer rheinabwärts. Die Traube des Completers wurde nämlich im Jahr 926 in Malans zum ersten Mal urkundlich erwähnt. Dort wird sie auch heute noch angebaut und zu einem speziellen Weisswein verarbeitet, zu einem leicht nussigen Süsswein, der an Quitten und Orangenblüten erinnert und eine ganz spezielle, ja eigenartige Säure aufweist. Wie (fast) alles Exklusive, wird diese autochthone Rebe inzwischen auch in den Kantonen Zürich und im Tessin angebaut, insgesamt aber nicht viel mehr als 2 Hektaren in der ganzen Schweiz, davon ca. 1,7 im Kanton Graubünden.

 

 

 

 

Waisenhaus-Wingert in Chur

Den Namen des Weins hingegen darf Chur, das heute noch Bischofssitz ist, für sich in Anspruch nehmen. Die Chorherren des Churer Stifts sollen  - wenn die Überlieferung stimmt - diesen edlen Tropfen jeweils nach dem Abendgebet, dem Completorium, genossen haben. So wurde daraus der Completer.

Doch der Name „Schiller” - für einen Wein - ist so exklusiv auch wieder nicht. Die im Weingebiet von Württemberg naheliegende hübsche Verbindung zum Dichter Friedrich Schiller ist nicht belegt und unwahrscheinlich. Der Name wird viel eher - wie man mich belehrt hat - vom althochdeutschen Wort schihlen abgeleitet, das sowohl „schielen”, als auch „in mehreren Farben schillern” bedeutet. Jede Illusion wurde mir damit genommen. „Wohl perlet im Glase der purpurne Wein, wohl glänzen die Augen der Gäste, es zeigt sich der Sänger, er tritt herein, zu dem Guten bringt er das Beste, denn ohne die Leier im himmlischen Saal, ist die Freude gemein auch beim Nektarmahl.”

 

 

 

 

Schiller auf der Schillerhöhe in Marbach

Was ich so gerne Friedrich Schiller, dem Autor dieser Verse, zugedacht hätte, ist einfach ein lachsrot schillernder Wein, der in Österreich im „Schilcher” einen weiteren Verwandten hat. „Schiller” ist eben ein „Rotling” (wie prosaisch!), der nicht nur in der Schweiz und in Württemberg, inzwischen auch in Baden, in Sachsen und was weiss ich noch wo gekeltert wird.

Oenologisch betrachtet ist dies wohl ziemlich korrekt, für meine Weinträume aber ebenso ernüchternd: Zahlen, Vorschriften, Anforderungen, Definitionen begleiten eben jeden Wein, auch den „Schiller”. Er muss, gemäß schweizerischer Weinverordnung, „aus blauen und weissen Trauben der AOC-Klasse bestehen, die aus derselben Parzelle stammen und gemeinsam verarbeitet werden.” Weit poetischer bringt es ein Weinhaus in seiner Werbung auf den Punkt; „Zusammen gepflanzt - zusammen gewachsen -zusammen gereift -zusammen geerntet -zusammen gekeltert - zusammen gegoren -zusammen getrunken, dann ist es der echte Schiller-Wein”.

 

 

 

 

Weinlese im „Lochertgut” - der Winzer kredenzt  „Schiller”% der hier geerntet wird


Dies beflügelt schon eher meine Phantasie. Zwei Flaschen stehen auf dem Tisch. Es ist sommerlich warm, ich habe soeben meinen Garten gepflegt, schwitzend, körperlich müde, und ich träume von einem frischen, fruchtigen Tropfen. Meine Wahl: zwei Schiller-Weine, der eine aus Chur, der andere aus Württemberg. Beide sind das, was man gemeinhin „süffig” nennt, leicht adstringierend, mit schöner Beeren-Nase. Der Deutsche beeriger als der Schweizer: Quitten, Himbeeren, Erdbeeren. Aber auch viel, viel süsser. Die fehlende Säure macht ihn „lampig”, auch etwas beliebig. Doch der feine Duft meines Gartens scheint in die flüchtigen Aromen des Weins eingekehrt zu sein. Der Schweizer ist kräftiger, muskulöser, 14 Prozent Alkohol-Volumen, warm im Abgang, im Vergleich zu Rosés aber saftiger, mit einem intensiven Holundergelee-Aroma, deutlich weniger Restsüße als der Württemberger. Er kann sich auch im Gaumen behaupten, steht weit über der Aromatik eines leichten Roten, vor allem, weil er seine Eigenständigkeit bewahrt.

 

 

 

 

Zwei Mal Schiller. Links aus Chur% rechts aus Württemberg

Mit einem Mal verliert der Name an Bedeutung und Herkunftskram wird unwichtig. Auch der „Schiller” im Glas kann ein Fürst sein, ein Weinfürst, stolz, spendabel, weder üppig noch streng, aber dem Genuss zugetan. Meine Weinfreunde rümpfen die Nase: eben nur ein Rosé, den brauchen wir nicht! Weiss oder rot soll er sein, nicht rötlich. Der Ruf des kleinen Fürsten verfällt, sein Reich ist klein, schmal, in der Weinwelt unbedeutend. Ich aber höre seine rein klingenden, schmeichelnden Töne, Botschaften der Natur. Nicht aufgedunsen wie so mancher Rote, nicht zugeschliffen wie viele Weiße. Eigentlich ein Zufallsprodukt, aus einer Zeit, als im Weinberg noch häufig rote und weiße Trauben zusammen aufgezogen und zusammen gekeltert wurden. Fürsten sind eben noch keine Könige oder Kaiser. Doch sie sind weit näher bei ihrem Volk.

Herzlich
Ihr/Euer
Peter (Züllig)

 

 

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