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Es war rasch einmal klar, wer die echten Prinzessinnen waren. Sie haben alle klingende Namen, stammen von königlichen Höfen: Corton-Charlemagne, Figeac, Beaucastel, Branaire-Ducru, Montrose, Latour, Yquem. Dazu gesellt sich ihre lang gereifte Würde: geboren 1943, 1955, 1959, 1962, 1967, 1970, 1986... Gehegt und gepflegt, unter besten Bedingungen, aufgewachsen und erzogen an den edlen Höfen.

Was hat da - mitten in dieser illustren Prominenz - der Nachwuchs aus dem bäuerlichen Languedoc zu suchen? Er trägt zwar einen schönen Namen: „Peyre Rose”, doch er kommt ganz aus dem Süden Frankreichs, wo heute immer noch mehrheitlich „vin de table” für die „Massen” produziert wird.

 

Degustation der „Revue du Vin de France” mit Prinzessinnen und einem „Aschenbrödel”

Doch die Rose ist jung, fast noch im Kindesalter, kaum acht Jahre zählt sie und buhlt bereits um die Gunst einer erlesenen Schar von Weinenthusiasten. Wenn dies nur „gut geht”!

Die Rede ist von einer „Brautschau”, genannt: „Grande Dégustation” der „Revue du Vin de France”, bei der unter dem Motto „50 ans de Grands Vins” 12 ganz unterschiedliche Weine zu verkosten sind. Weine - aus dem Bordelais, aus dem Burgund, von der Rhone, der Loire, aus dem Elsass und eben - der Languedoc.

Der älteste Wein ist ein Kriegsjahrgang, der auch bei Auktionen nur noch ganz selten auftaucht; den ich - zum Beispiel - bisher noch nie getrunken habe. Château Latour, 1943, Pauillac: zweifellos der „Star” des Abends. Mehr als 60 Jahre lang in der Flasche und noch „dieses Leben, diese feinen Nuancen in den Aromen, diese Kraft und Präsenz”. Unglaublich!

Dann: Château Montrose, 1962, Saint-Estèphe. Die Freude beginnt schon beim Hinsehen: tiefschwarzes Auge, kaum Brauntöne, wunderschöne Reflexe, vif und agil. Was das Auge verspricht, bestätigen die Nase und vor allem der Gaumen: kräftig, fast noch fett und doch spielerisch leicht, frisch. All das mit über 40 Jahren! Besser - so meint der Chefdegustator der „Revue du Vin de France”, Raoul Salama, kann ein gereifter Cabernet Sauvignon nicht sein. Und ich muss ihm Recht geben.

 

Programm: 50 Jahre der großen Wein

Mitten in diese „Prominenz” hinein platzt die junge Dame aus der Languedoc. Jahrgang 1998. Sie ist nicht einmal das Kind besonders alter Reben - diese wurden erst zwischen 1983 und 1988 gepflanzt. Das Weingut hat zwar einen guten Namen, tanzt aber noch nicht auf den großen Bällen. Weinkenner sind ihm schon begegnet, beklagen aber häufig den - für Languedoc - doch recht hohen Preis und seine etwas rustikale Art. Herkunft: die Appellation „Coteaux du Languedoc”, die größte, vielfältigste und unspezifischste Appellation der Gegend. Die Domaine „Peyre Rose” liegt auf dem „Plateau de Peyrals”, nordöstlich von Pézenas, etwa 200 m.ü.M., wo zwar die Sonne brennt, doch auch die Winde (Mistral, Tranmontagne) heftig blasen und die Nächte kühl werden.

Die Cuvée „Clos Syrah Léone” ist eines der beiden „Lieblingskinder” von Marlène Soria, der Winzerin auf dem noch jungen Weingut (die andere wird „Clos de Cistes”, genannt, gedeiht also auf schieferhaltigem Boden). „Syrah Léone” ist keine ausgeklügelte Mischung von Traubensorten, sondern ein „gewöhnlicher” Syrah, ergänzt mit etwa 5 Prozent „gewöhnlichem” Mourvèdre (zwei Traubensorten, die traditionell ins Languedoc gehören). Sie wird nicht im Barrique ausgebaut, reift vielmehr vier Jahre im Gärtank, dann erst wird sie abgefüllt und in verhältnismäßig kleinen Mengen auf den Markt gebracht.

 

Das „Aschenbrödel” Domaine Peyre Rose% präsentiert von der Winzerin Marlène Soria

 


In Saint-Emilion würde man wohl schon von einem „Garagenwein” sprechen. Bei der Verkostung in der illustren Runde kann das „Kind aus dem Süden” nicht nur mithalten, es buhlt bereits um die Königinnenwürde mit all ihren
entwickelten Reizen. Für das Auge: tiefes, schon fast schwarzes Granatrot. Für die Nase: ein leiser Hauch von kräftigen roten Beeren, Tabak, Lorbeer und Kirschen. Für den Gaumen: anfänglich etwas mineralisch, dann immer würziger, sehr konzentriert, saftig, eingewoben in sanfte, markante Tannine. Für den Genuss: ein langer Abgang in Samt und Seide, weich, umgeben von orientalischen Gewürzen und Tabaknoten.

 

Für all jene, die der jugendlichen Prinzessin noch nie begegnet sind (auch ich habe sie zum erstenmal persönlich getroffen) entspricht diese Beschreibung (meinen Kurznotizen entnommen) einer Charakterisierung, wie sie für manchen ausgezeichneten Syrah-Wein zutrifft.

Viel wichtiger als die isolierte Beschreibung ist das Umfeld: sind die andern Prinzessinnen, unter die sich das Aschenbrödel unauffällig gemischt hat. Nach ihr tritt „Figeac” auf, Jahrgang 1986, Saint-Emilion: der Wein hat Ansätze zu einem gereiften Bordeaux, ist aber insgesamt eine Enttäuschung. Dann „De Beaucastel”, Châteauxneuf-du-Pape, 1978. Etwas brav, allzu gleichförmig, fast körperlos, doch auch hier wieder dieser typische Lorbeerton. Keine Enttäuschung: eher „na ja”.

Nochmals von der Rhone: Maison Jaboulet Aîné, „La Chapelle”, 1970. Viel körperreicher als sein Vorgänger, warme Gewürze, delikat im Bukett. Doch die Erinnerung an das Aschenbrödel lebt weiter. Also härtere Konkurrenz auffahren! „Branaire-Ducru”, Saint-Julien, 1959, fast schon 50 Jahre gereift! Viel spritziger, präsenter, lebendiger als der schon etwas fragile Figeac. Trotzdem: eine Verliebtheit stellt sich nicht ein.

 

Nach dem Ereignis: 120 halbleere Gläser mit exklusivsten Weinen

Also noch „härteres” Geschütz: „Montrose”, Saint-Estèphe, 1962. Schwarze Schokolade, leicht seifig, Alterswürze. Lässt sich sicher nicht mit einem Jungsporn vergleichen, altersgeprägtes Caramel in einer kräftigen
Struktur eingebettet, dies kann begeistern! Es begeistert mich auch, und trotzdem: Woran liegt es, dass ich die „Rose” nicht vergessen kann, vielleicht an den Schuhen des Aschenbrödels?

Also ein letzter Versuch mit einem Premier-Cru, jetzt aus Pauillac, „Latour ”, 1943. Unglaublich frisch, tiefe Duftnoten, weiche Struktur, unglaublich nuancierte Nase... Zweifellos die Königin!

Da kann das Aschenbrödel doch noch nicht mithalten, auch wenn ich einen Abend lang immer wieder mit ihm geflirtet und getanzt habe.

Reife, Alter, Renommee, Erfahrung, Würde, Einmaligkeit stehen dem gegenüber, was ich als moderne Schönheit bezeichnen möchte. Ein Beweis, dass eine „große Degustation” auch mit nicht ganz „großen Weinen” doch zum einmaligen, unvergesslichen Erlebnis werden kann.

Herzlich

Ihr/Euer

Peter (Züllig)

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