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Eigentlich bin ich stolz auf meinen Freund Beat, der die Entwicklung des „Weinlands“ China schon früh vorausgesehen hat. Er organisierte vor vier Jahren – mit Hilfe der chinesischen Botschaft – eine der ersten exklusiven Weinreisen von Weinfreunden in das „Land der Mitte“. Es war keine Geschäftsreise, denn wir wollten nichts verkaufen, auch keinen Wein. Wir wollten uns einfach zeigen lassen, wie China jetzt langsam, aber mit viel Energie und Kraft in die weltweite Weinszene einsteigt. Wir wurden empfangen von Önologen, Managern und Behörden. Seither bin ich überzeugt: Die Chinesen kommen!

Gespräch mit der für den Weinbau verantwortlichen Behörde in der Nordost-Provinz Hebei (Foto: P. Züllig)

Chinas Provinz Hebei bietet klimatisch ähnliche Bedingungen wie das französische Bordelais oder Kalifornien. Hier ließ der österreichische Kristallfigurenhersteller Gernot Langes-Swarovski auf knapp 200 Hektar Reben anbauen, ein Hotel und ein Kongresshaus für Weinkultur errichten, Schulungen im Weinbau betreiben, ja, sogar eine Manufaktur für Barrique-Fässer erbauen. Dies war vor zehn Jahren noch eine Pionierleistung. Heute gibt es  mindestens zehn große „Weinbaufabriken“ und Handelsfirmen, aber auch Hunderte von Kleinunternehmen, die sich um das Weinwohl Chinas kümmern. China ist in wenigen Jahren aufgestiegen zu einem international beachteten Weinland. „Noch nie habe ich bisher einen guten chinesischen Wein getrunken“, schrieb damals ein Forumsteilnehmer als Reaktion auf die Kolumne zu meiner Reise nach China. Eigentlich wurde ich damals eher belächelt. Heute lacht kaum ein Weinfreund mehr. Chinesische Weine sind zwar bis heute noch keine „Spitzenweine“, doch die besten Weine aus Europa, vor allem aus Frankreich, werden von China buchstäblich „aufgekauft“!

Wein% ein Statussymbol für reiche Chinesen und ihre guten Geschäfte (Foto: P. Züllig)

Wein ist in China zum Statussymbol aufgestiegen. Als Inbegriff der „höchsten Weinkultur“ gilt das Weingut Château Lafite Rothschild mit seinem Premier Cru. Dies war schon immer ein teurer Wein, der aber noch 1995 für etwa 200 Euro zu kaufen war. Jetzt ist er praktisch nicht mehr erhältlich, es sei denn, man ist sehr schnell bei der Subskription, hat Glück und ist bereit, mindestens 1.200 Euro pro Flasche zu bezahlen. Heute kostet bereits der Zweitwein von Lafite Rothschild, Carruades de Lafite, etwa 200 Euro, soviel wie früher der Erstwein. Jeder Bordeauxliebhaber oder -sammler kennt die Folgen: Die Weine aus bekannten Châteaux im Bordelais sind so teuer geworden, dass einem das Sammeln und das Trinken vergeht. Bordeaux ist zum exklusiven Luxusgut mutiert. Und die Entwicklung geht weiter: Inzwischen kaufen reiche Chinesen und chinesische Handelsfirmen Weingüter im Bordelais. Noch sind es nicht die ganz Großen, eher kleinere oder mittlere Châteaux, sozusagen die 3. und 4. Reihe: Château Lagarosse zum Beispiel, ein Weingut in der Appellation Entre-Deux-Mers, Château Viaud in Lalande-Pomerol oder Château Laulan Ducos im Médoc. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis eines oder mehrere der berühmtesten Châteaux in Bordeaux in chinesischen Besitz übergehen.

Domaine Experimental Viti-Vinicole Franco-Chinois (Foto: P. Züllig)

Immer mehr Bodeaux-Weine verreisen nach China. Inzwischen hat China die europäischen Länder Deutschland, Belgien und Großbritannien – bisher die wichtigsten Märkte für Bordeaux-Weine – überrundet. In einem einzigen Jahr (2009) haben China und Hong Kong zusammen mehr als 251.000 Hektoliter Wein aus Bordeaux importiert, für insgesamt 333 Millionen Euro. Stolze Zahlen! Wer da an ein lukratives Einweggeschäft glaubt, der wird sich täuschen. Im Gegenzug kommen Chinesen in die alten Weinländer, als Käufer von Weingütern, aber auch als Verkäufer von Weinen. Der chinesische Wein hat inzwischen eine Qualität erreicht, die sich im weltweiten Weinhandel sogar durchsetzen kann, auch in Europa. „Made in China“ wird es eines Tages nicht nur auf Billigprodukten heißen, „Made in China“ wird auch auf vielen Weinetiketten stehen.

Der größte staatliche Weinbetrieb „Great Wall" (Foto: P. Züllig)

Zum staatlichen Handelsunternehmen, das Château Viaud gekauft hat, gehört auch die vor 30 Jahren gegründete chinesische Weinmarke „Great Wall“, die mit allen Mitteln versucht, vom Image des Massenprodukts loszukommen und schon längst auch Qualitätsweine auf den Markt bringt. Wir haben vor vier Jahren bereits gestaunt, was die riesige Weinfabrik produzieren kann: auch hervorragende Weine, zu Preisen von bis zu 400 Euro die Flasche. Es wäre naiv anzunehmen, dass das Handelsunternehmen nicht auch versuchen würde, den europäischen Markt zu erobern. Das Potenzial – nämlich gute Weine – ist durchaus vorhanden (aber bisher sind sie eben noch kaum auf dem Markt.).

Degustationsrunde mit den besten chinesischen Weinen in Changyu (Weinmuseum) (Foto: P. Züllig)

Vorläufig begnügt sich die Weinszene damit, über die Käufe von Weingütern im Bordelais zu staunen. In einem Weinblog lese ich: „Den Great Wall durfte ich mir auch schon diverse Male gönnen... mag sein, dass es den auch trinkbar gibt, bislang hatte ich nur die Version ‚ungenießbar’ erwischt! ... Ob die Chinesen nun ein paar amerikanische oder australische Massenerzeuger schlucken oder sich ein paar Repräsentations-Châteaux kaufen, who cares? ... Glaub es oder nicht, ich hab schon Schlimmeres getrunken als Great Wall.“ In dieser Aussage in einem Weinforum offenbart sich die Haltung vieler Weinfreunde und -kenner. Man nimmt eine Entwicklung erst dann  zur Kenntnis, wenn sie uns überrollt. In Bordeaux hat sie es bereits getan, mit den abgedrifteten Preisen. Für das Billigsegment beim Wein ist China noch für sich selbst ein „Entwicklungsland“, und für seine Luxusmarken gibt es in Europa bisher noch keinen Markt. Dieser Markt aber wird eingeleitet und aufgebaut: angefangen bei den vielen chinesischen Restaurants, wo oft erstaunlich gute chinesische Weine aufgetischt werden, bis hin zu den Regalen der chinesischen Lebensmittelläden, in denen Kunden mit chinesischer Abstammung einkaufen.

Wein hat in China Tradition – doch diese Tradition ging verloren. Nun wird das Weingeschäft neu aufgebaut. (Foto: P. Züllig)

Ja, die Chinesen kommen: sowohl die chinesischen Produzenten, die in Europa – vorwiegend im Bordelais – Weingüter erstehen, als auch die chinesischen Weine. Auf einer Degustation haben wir vor zwei Jahren Spitzenweine aus Bordeaux mit jenen aus China verglichen. Die chinesischen Weine haben wir damals direkt aus China mitgenommen. Resultat? Bordeaux mit seiner alten Weintradition hat letztlich wohl (noch) gesiegt, doch der Unterschied in der entsprechenden Qualitätsstufe war überraschend klein. Noch sind solche Verkostungen eine Seltenheit, ein exklusives Vergnügen. Doch die Zusammenarbeit der Unternehmen, die bei jedem Kauf eines europäischen Weinguts beschworen wird, bringt nicht nur Geld, sondern auch Weine aus China. Ehrlich gesagt, ich freue mich darauf. Warum sollen nach den Amerikanern, Afrikanern, Australiern nicht auch die Chinesen zu uns kommen?

Herzlich

Ihr/Euer

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