„33 Weine wurden verkostet, von denen gerade einmal drei genießbar waren.” So das Resümee der ersten Gebietswein-Verkostung im Vinschgau im Jahr 1976. Das ist heute endgültig Vergangenheit. Man findet heute im kleinsten Anbaugebiet Südtirols kaum mehr einen schlechten Wein, vielmehr ein überdurchschnittlich hohes Niveau mit einigen herausragenden Spitzenprodukten.'
Die Pioniere
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Qualitätswein-Pioniere im Vinschgau: Thea Tappeiner-Schuster & Oswald Schuster% Foto: Hans Tappeiner
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Noch Anfang des letzten Jahrhunderts
betrug die
Vinschgauer Weinbergsfläche circa 200 Hektar und damit fast drei mal so viel wie jetzt. Weil der
Wein nur zur Selbstversorgung der zwar durstigen, aber wenig anspruchsvollen Bauernfamilien diente, war die Qualität längere Zeit bescheiden. „Mit genügend
Wasser verdünnt war das saure Zeug für die Einheimischen gut genug. Verkaufen konnte man es nicht”, so Oswald
Schuster, der auf seinem Befehlhof in Vetzan bei Schlanders als erster im
Vinschgau seinen
Wein in
Flaschen abfüllte. „Damit Geld ins Haus kam, brauchte man etwas anderes. So kam man auf Obst, denn wo die
Rebe wächst, da wächst das Obst noch viel besser.”
Andererseits sind die Lagen, in denen im Vinschgau Früchte angepflanzt werden, sehr steil und schwierig zu bewirtschaften, so dass sich mit zunehmender billigerer Konkurrenz aus den leichter zu bearbeitenden flachen Monokulturen im Tal das Obst auch nicht mehr verkaufen ließ. Schuster und sein Kollege Hubert Pohl vom Köfelgut in Kastellbell zogen daraus die Konsequenz, wieder vor allem auf Wein zu setzen - allerdings diesmal auf gute Qualitäten. Das war anfangs gar nicht so leicht. Was sollte man überhaupt anpflanzen? Die klassischen heimischen Sorten waren zwar robust, ergaben aber auch eher raue, rustikale Tropfen, mit denen man qualitativ wenig anfangen konnte. Erfahrungen mit anderen Sorten gab es in den hohen Lagen des Vinschgau nicht. Oswald Schuster und Hubert Pohl mussten also ausprobieren. Naheliegend waren Sorten, die ein eher nördliches Klima bevorzugen: Riesling, Müller-Thurgau, Kerner und Weißburgunder bei den Weißen, sowie Blauburgunder und Zweigelt beim Rotwein. Hubert Pohl probierte auch noch Grauburgunder aus, Oswald Schuster die heimische Rebsorte Fraueler. Ihre Geduld und Zähigkeit hat sich ausgezahlt. Die Weine, die sie jetzt anbieten, zeichnen sich durch Sauberkeit, Feinheit, markanten Sortencharakter und die für den Vinschgau typische Frische und Mineralität aus.
Interessante Perspektiven
Frische, Mineralität und ausgeprägter Sortencharakter bei moderater Gradation werden mehr und mehr geschätzt. Gleichzeitig jedoch wird es mit der Klimaveränderung immer schwieriger, Weine mit diesen Eigenschaften in klassischen Anbaugebieten zu erzeugen. Hoch liegende Gebiete wie der Vinschgau werden deshalb zunehmend interessanter. „Die Trauben für unsere Blauburgunder werden wir in Zukunft vor allem aus dem Vinschgau beziehen”, so Stephan Kapfinger, Kellermeister der Meraner Kellerei. „Hier haben wir kein Problem mit der physiologischen Reife und die Weine haben selten mehr als 13% Alkohol. Außerdem gibt es im Vinschgau aufgrund des trockenen Klimas und der guten Durchlüftung durch den immer präsenten Wind kaum Probleme mit Pilzkrankheiten.”
Dies schätzt auch
Baron Sigmund von Kripp, der auf der
Stachlburg in Partschins seit 1998 seine
Weinberge und Obstgärten
biologisch bewirtschaftet. „Heuer haben wir aufgrund der ungewöhnlich häufigen Niederschläge im Frühsommer zum ersten mal nennenswerten Peronospera-Befall. Aber viele Probleme, mit denen man weiter unten jedes Jahr zu kämpfen hat, kennen wir hier oben gar nicht.” Auch er setzt vor allem auf
Blauburgunder und konnte mit diesem in
Italien auch schon große Erfolge erzielen. Sein 2004er wurde bei den jährlich in
Südtirol stattfindenden Nationalen Blauburgundertagen zum besten
Blauburgunder Italiens gekürt.
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Beim
Rotwein dürfte diese
Rebsorte sicherlich die interessanteste im
Vinschgau sein. Beim Weißen ist es der Riesling. Ihm hat der
Vinschgau auch die Aufmerksamkeit der italienischen
Weinführer zu verdanken, die für Rieslinge aus den
Weinbergen um Naturns und Kastellbell gerne einmal ihre höchsten
Auszeichnungen springen lassen.
Die "Stars"
Die Vorzeige-Produzenten sind im
Vinschgau zur Zeit
Martin Aurich (
Weingut Unterortl) und Franz Pratzner (
Falkenstein). Beide setzen sie vor allem auf den Riesling. Stars in Anführungszeichen sind sie vor allem deshalb, weil sie sich - zum Glück - nicht als solche fühlen und die Qualität ihrer Produkte realistisch einzuschätzen vermögen. „Der
Riesling ist hier in
Italien ein Nischenprodukt. Außer bei uns hier im
Vinschgau und im
Eisacktal gibt es südlich der Alpen keine wirklich interessanten
Anbaugebiete für diese Rebsorte. Das bringt uns bei italienischen Weinführern natürlich eine gewisse Aufmerksamkeit, die wir in
Deutschland und
Österreich aufgrund der dortigen Konkurrenz wohl schwerlich erzielen würden,” so Franz Pratzner. „Verstecken müssen wir uns vor den Rieslingen nördlich der Alpen allerdings auch nicht.” Da hat er durchaus recht. Auch bei den Verkostungen für den Wein-Plus-Weinführer zeigte sich, dass die Rieslinge dieser beiden Produzenten alle Eigenschaften besitzen, die diese
Rebsorte zur „Königin unter den Weißweinen” gemacht hat.
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Bekannte Gesichter in der Vinschgauer Weinwelt: Martin Aurich% Franz Pratzner und Reinhold Messner% Foto: Roland Brunner
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Trotz ihrer Erfolge treten
Martin Aurich und Franz Pratzner nicht überheblich gegenüber ihren Winzerkollegen auf. Im Gegenteil: es herrscht unter allen
Winzern im
Vinschgau ein sehr kollegiales, freundschaftliches Verhältnis. Man wird in ganz
Südtirol kaum einen
Winzer finden, der schlecht über seine Kollegen redet. Aber im
Vinschgau ist das
Verhältnis der
Erzeuger untereinander von einer ganz besonderen Herzlichkeit geprägt. Fast alle Traubenproduzenten - nicht nur die zehn selbst vermarktenden Betriebe - sind im
Vinschgauer Weinbauverein (
www.vinschgauer-weinbau.com) organisiert. Dieser 1981 gegründete Verband berät die
Vinschgauer Weinbauern und organisiert Fachtagungen sowie die jährlich stattfindende
Vinschgauer Gebietsweinkost, bei der man alle Gewächse des Anbaugebiets
verkosten kann. „Und”, so
Martin Pohl, Sohn des Pioniers Hubert Pohl, „es wird, neben der ernsthaften, fachlich kompetenten Arbeit, viel gelacht und manches nicht ganz so ernst genommen” - wie eben die Prämierungen. Diese entspannte, unkomplizierte Atmosphäre kann man bei allen Winzerbesuchen hier erleben. Während anderswo oft verbissener Ehrgeiz herrscht, der letztlich doch viel zu häufig nur zu überambitionierten Weinkarikaturen führt, begegnet man im
Vinschgau entspannter Gelassenheit, sowie Neugierde und Freude an der eigenen Arbeit.
Rieslingtage Naturns
Einmal im Jahr - in der ersten November-Woche- gibt es allerdings ein sehr ehrgeiziges und ausgesprochen ambitioniertes Projekt im Vinschgau. „Was hier jedes Jahr von einigen Weinverrückten in fast ausschließlich ehrenamtlicher Arbeit auf die
Beine gestellt wird, das wird sonst nirgendwo geboten. Nicht im
Rheingau, nicht an der
Mosel, nicht in der
Wachau und in keinem anderen der berühmten Riesling-Anbaugebiete,” so Stuart Pigott, Riesling-Experte und Stammgast bei den Rieslingtagen Naturns. Über 100 Rieslinge, darunter die besten der Welt aus allen bekannten
Anbaugebieten (F.X. Pichler,
Heymann-Löwenstein, Peter-Jakob Kühn, Zind Humbrecht u.v.a.m.) sowie Exoten aus Ländern wie
Luxemburg und sogar aus den
Niederlanden können für nur 25 Eintritt probiert werden.
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Schloß Naturns% Foto: Josef Linser
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Und natürlich kann man die italienischen Riesling-Gewächse
verkosten, die sich in großer Anzahl tapfer der internationalen Konkurrenz stellen, gegen die sie letztlich nur selten Chance haben. Aber es geht den Veranstaltern bei den Rieslingtagen nicht um einen Wettbewerb, sondern vor allem darum, die Vielfalt und Einzigartigkeit dieser
Rebsorte aufzuzeigen. Deshalb gibt es nicht nur die
rein italienische Rieslingprobe, sondern auch ein ausführliches Rahmenprogramm mit einer
Vertikalverkostung berühmter internationaler Rieslinge. Heuer stehen zehn
Jahrgänge des
Riesling "Cuvee Henriette" vom
Weingut Frederic Mochel aus dem
Elsass auf dem Programm. Außerdem werden ein 6-gängiges Riesling-Gala-Diner offeriert (leider immer schon ein halbes Jahr vorher ausgebucht) sowie Kellereibesichtigungen der besten
Vinschgauer Rieslingproduzenten. Heuer finden die Rieslingtage vom 01. Bis zum 9. November - teils zeitgleich mit dem Meraner
Weinfestival - statt. (
www.rieslingtage.com)
Hochprozentige Vielfalt: Vinschgauer Brände
Der
Vinschgau ist ein
Paradies für Liebhaber hochprozentiger Getränke, seien es Trester- oder Obstdestillate. Es gibt hier eine
Fülle und ein Qualitätsniveau, das man woanders in dieser Konzentration selten findet.
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Gebrannt wird alles% was geeignet ist. Angebot von Martin Aurich - Weingut Unterortl% Foto Andreas Zipperle
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Kaum ein
Weinproduzent verzichtet darauf aus seinen Trestern
Schnaps zu brennen. „Das hat drei Gründe”, so
Martin Pohl. „Erstens haben wir bestes Ausgangsmaterial, zweitens müssen wir alle unsere
Pressrückstände nachweislich zur
Destillation bringen. Und da es im
Vinschgau selbst keine größere Brennerei gibt, war es früher einfach zu umständlich, während der
Ernte den
Trester weite
Strecken zur Brennerei zu fahren. Da war das Selberbrennen weniger aufwendig. Drittens macht uns das
Brennen genauso wie die
Weinproduktion einfach große Freude.” Das schmeckt man an den Resultaten. Und weil die
Vinschgauer Weinproduzenten ohne Ausnahme auch Äpfel und anderes Obst anbauen, gibt es neben
Grappa auch alles, was im
Vinschgau wächst, als hochprozentiges Getränk: Marillen, Birnen, Äpfel, Zwetschgen, Holunder, Quitten, Kornellkirschen und Edelkastanien.
Wertvolle Grundlagen: Hochwertige Lebensmittel
Wie überall in
Italien wird auch in
Südtirol Wein fast ausschließlich zum Essen genossen. Da findet man im
Vinschgau das Beste gleich vor Ort.
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Rudolf Eberhöfer% Hofkäserei Gandhof% Foto Roland Brunner
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Das für den
Weinbau günstige
Klima (trocken, hohe Temperaturschwankungen zwischen Tag und Nacht sowie Sommer und Winter und ein stetiger, erfrischender Wind) ist auch förderlich für die Produktion von hochwertigem Speck und geschmackvollem Obst. Auf den Almen in den Seitentälern grasen Rinder, Schafe und Ziegen, welche die Milch für würzigen
Käse liefern. Immer mehr davon stammt inzwischen aus kontrolliert biologischer Produktion. Womit wir beim in der Überschrift erwähnten Yeti wären. Den gibt es natürlich nicht im Vinschgau. Aber Reinhold Messner, der sich wohl am intensivsten von Allen mit dem Schneemenschen beschäftigt hat, war im
Vinschgau sehr aktiv, um die hier ansässige Landwirtschaft (wieder) zu beleben. 1983 erwarb er am Juvaler Berg bei Kastellbell (wo übrigens auch der Drei-Gläser-Riesling von
Martin Aurich produziert wird), einen Bergbauernhof, auf dem seine Pächter beweisen, dass diese sehr ökologische Wirtschaftsform durchaus rentabel betrieben werden kann. Auch der Vinschger Bauernladen wurde von ihm mit begründet. Hier, am Fuße des Juvaler Bergs, erhält man alles, was der
Vinschgau an hochwertigen landwirtschaftlichen Produkten zu bieten hat. Vieles davon in Bio-Qualität. Und weil das Projekt auf genossenschaftlicher Basis, also ohne Zwischenhandel organisiert ist, gibt es die angebotenen Produkte zu ausgesprochen moderaten Preisen.
Vinschger Bauernladen. Hauptstraße 78, Juval; I-39025 Naturns/Naturno; (0039)-0473-667723.
Die von Wein-Plus empfohlenen Vinschgauer Produzenten und ihre Weine:
Weingut Unterortl - Familie Aurich Falkenstein - Franz Pratzner Köfelgut - Martin Pohl Befehlhof - Oswald Schuster Meraner Kellerei Erzeuger-Adressen für Speck, Käse, Obst (alle biologisch zertifiziert)
Speck:
Familie Hofer aus Partschins, Niedereben. Tel: +39 0473 968208
www.niedereben.itKäse: Psairer Bergkäserei Sankt
Martin in Passeier; Tel: +39 0473 650139
www.psairerbergkaeserei.comGandhof Gand im MartelltalTel: +39 0473 744596
www.gandhof.comÄpfel:Vinschgauer Produzenten
www.vip.coop Weitere Nützliche Adressen für einen kulinarischen Vinschgau-BesuchRoter Hahn. Vermittelt Urlaub auf dem Bauernhof/Weingut und informiert über Produzenten mit hochwertigen, typischen Produkten.
www.roterhahn.it
Tourismusverband Meraner Land; Gampenstraße 95, I-39012 Meran/Merano (0039)-0473-200443;
www.meranerland.com
Tourismusverband Vinschgau; Kapuzinerstraße 10, I-39028 Schlanders/Silandro; (0039)-0473-620480; www.vinschgau.suedtirol.com
(Hinweis: bei den italienischen Telefonummern ist immer die komplette Vorwahl mit der Null zu wählen)