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Die Kolumne ist im „Kasten”, da entdecke ich, dass diese ausgerechnet an Weihnachten, als letzte in diesem Jahr erscheinen wird. Bin ich nicht „meinen lieben LeserInnen” ein ganz herzliches, festtägliches „Prost” schuldig? Doch, aber womit anstossen? Natürlich mit einem „Festtagswein”!

Auf der Suche nach dem „richtigen” Festtagswein

Was ist das, ein Festtagswein? Gemäss den Werbebriefen, die mich, den Weinliebhaber, seit gut einem Monat mit Angeboten überschwemmen, ist der Festtagswein einer, „der allen Freude bereitet”. Allen Freude bereitet? Gibt es diesen Wein überhaupt und wie ist er zu ermitteln? Etwa durch Parkerpunkte?

Ich gerate ins Sinnieren: mein Festtagswein hat sich immer wieder verändert, je nach Lebensabschnitt. So war es der Châteauneuf-du-Pape, der nur an Festtagen bei meinen sonst nicht-wein-trinkenden Eltern auf den Tisch kam und den ich als Dreikäsehoch nur mit den Augen geniessen durfte. Dann, im Alter des pubertierenden Jugendlichen der obersten Gymnasial-Klassen, war es ein säuerlich-abgestandner Fasswein, den Bruder Kellermeister im Internat hervorzauberte, jedem Zögling ein Glas. Und in der Zeit, da das Rasieren zum alltäglichen Ritual wurde, entdeckte ich die Weinberge „ennet em See”, von der Leutsch, ein einheimischer „Beerliwein”, eher leicht, fruchtig, samtig, rubinrot…

An Festtagen kam deshalb immer der mir im Augenblick am besten mundende Wein zum Zug, gleichsam als Lebenszeitzeuge. Dieses Prinzip bewährte sich: Im Festtagswein die Krönung meines augenblicklichen Weingeschmacks zu vollziehen. Dies ging in all den Jahren so weiter… Es kam die Studentenzeit, eher auf Rebellion und Abgrenzung ausgerichtet: Paris, Sartre, „Boule-Mich”, Gauloise, noch besser Gitanes ….. Da musste es natürlich ein Arbeiterwein sein, den man auch im Bistro bekam: ein deftiger, rauher Geselle, der meist aus dem Süden Frankreichs oder aus Algerien stammte.

 

 

Erinnerung an meine Kindheit - ein Châteauneuf-du-Pape auf dem Tisch


Dann der Eintritt ins Berufsleben. Da gab es bei allen nur denkbaren Gelegenheiten den Apero-Wein: weiss, entweder ein tockener, leicht prickelnder Chasselas oder ein dünner Rotwein, Landadel, fast immer aus der Gegend, wo der Empfang, die Vernissage oder das Treffen stattfand.

Eigener Haushalt - eigene Wohnung - eigene Familie: sofort musste ein Weinkeller her. In den viel zu warmen Gemeinschaftskeller (unterteilt mit einem Lattengerüst) wanderte das, was ich als guten Wein kannte: Von meinen Bergtouren her den echten Veltliner, aus dem Berufsleben den Burgunder, aus dem Alltag in den Schweizer Restaurants den Côte du Rhone, vom Fürst von Liechtenstein empfohlen den Grünen Veltliner, von einem befreundeten Ehepaar (sie war Pfälzerin) mitgebracht den halbtrockenen Riesling…. Immer an Festtagen kam davon etwas auf den Tisch, an „gewöhnlichen Tagen” genügte - wenn überhaupt - ein Beaujolais.

Mit Erstaunen stellte ich allmählich fest, dass meine Frau Wein überhaupt nicht mag - bis dahin war mir dies verborgen geblieben. So gab es eben zuhause Wein fast nur noch an Festtagen, zum Anstossen. Die Mehrheit meiner eingekellerten Flaschen ist - mangels Festtagen - allmählich ungeniessbar geworden.

 

 

Darf es ein Languedoc% ein Herrschäftler oder muss es ein Pétus sein?


Eintritt in den Verein kochender Journalisten, mein erster kulinarischer Höhenflug. Erstmals Bekanntschaft mit grossen Namen, mit Weingütern, mit Weinstilen… Nicht mehr einkellern, sondern vor Festtagen beim Fachhändler beziehen: Amarone della Valpolicella, DOC ai colli - les Murailles, Aigle - Château Labégorce, Margaux - Côte de Nuits-Villages, Maison Joulié - Chianti Classico, Gignavecchia Riserva….

Zum ersten Mal durfte ein Festtagswein auch dreißig, vierzig Franken kosten. Ein Ausflug mit der Kochgruppe endete im Tessin beim Merlot. Fortan war der Merlot- für einige Zeit - mein Festtagswein, besonders jener von den ersten Selbstkelterern im Tessin: Stucky, Kaufmann, Klausner, Huber….

In einer Gruppe von Weinliebhabern, die günstigen und guten Wein aus aller Welt fassweise kauften und so den Mitgliedern abgaben, lernte ich gute Billigweine aus aller Welt kennen: Griechen, Oesterreicher, Franzosen, Algerier….. Ich füllte nun selber Wein ab und war besonders stolz auf meinen exklusiven Brouilly, der als Star etwa fünfmal so viel kostete wie die anderen abgefüllten Weine. Er avancierte natürlich sogleich zum Festtagswein.

Dann kam die grosse Wende: meine neue Lebenspartnerin war bordeaux-verliebt. Wohl deshalb endete eine unserer Reisen - rein zufällig - im Bordelais, auf dem Parkplatz von Gruaud Larose. Als man uns dort nicht einlassen wollte, fanden wir einen offenen Weinkeller im Château Beychevelle (Saint-Julien). Dort erstand ich meinen ersten „teuren” Bordeaux, Jahrgang 1986, hoffnungslos überbezahlt. Dies war der Anfang einer „grossen Leidenschaft”, die sich mit den Jahren schon fast zur Kennerschaft, jedenfalls zur Sammelleidenschaft ausweitete. Für Jahre erfreute uns ein Bordeaux, nicht selten ein Beychevelle, an Festtagen. Ich glaubte, nun meinen Festtagswein gefunden zu haben.

Wir verlegten - noch vor der Pensionierung - einen guten Teil unseres Wohnsitzes nach Südfrankreich, in die Languedoc, und entdeckten dort den südfranzösischen Wein. Weil wir auch viele Festtage dort verbringen, greifen wir bei dieser Gelegenheit nach einem guten Languedoc: Domain du Mas Jullien, Clos Centeilles, Domain Saint-Pancrace, Domain du Grand Crès….

Sind wir aber am Ziel unserer Festtags-Wein-Suche angekommen?: Weit gefehlt. Seit ein paar Jahren verbringen wir drei Wochen bei der Weinlese in der Bündner Herrschaft. Der „Wimmellohn” ist ein Festtagswein aus dem Blauburgunder-Gebiet. Nun sind wir endgültig verunsichert. Wer schafft es jetzt auf den Festtagstisch? Ein Mouton Rothschild, ein Evangile, ein Angélus…. Jahrgang 1982, 1990 oder 1996 oder ein Herrschäftler aus dem Hause von Tscharner?

 

 

Welcher Festtagswein gehört zu diesem feinen Hauptgang?290


Was ist also ein Festtagswein? Für mich ist es jener Wein, der Zeitzeuge ist: Zeuge meiner jeweiliger Lebensabschnitte. Ein Wein, der - gleichsam in einer Flasche konzentriert - all die schönen Augenblicke, die Freuden eines Lebensabschnitts zum Ausdruck bringen kann.

Den „Festtagswein” gibt es also, aber er ist so bunt schillernd, dass ich ihn nicht präziser beschreiben kann. Es sei denn mit einem herzlichen „zum Wohl” und dem Anstossen mit allen „meinen lieben LeserInnen”, von denen jede/r seinen eigenen Festtagswein im Glas hat.

Prost!

Ihr/Euer
Peter (Züllig)

 

 

 

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