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Latour à Pomerol 1981Getrunken habe ich den Wein auf Grund einer Facebook-Diskussion. Es ging da um eine Flasche L’Evangile 1981, von einem Weinfreund mit dem kurzen, prägnanten Wort charakterisiert: „enttäuscht“. Natürlich ging da die Diskussion los: „ich hatte vor 10 Tagen auch einen 81er, war leider auch kein Genuss.“ Und schon war man beim Bordeaux-Jahrgang 1981 angelangt, der bereits damals umstritten war: „Für jene bedauerlich schlecht informierten Menschen, die 1981 einen klassischen Jahrgang nennen, bedeutet dieser Begriff lediglich, dass es sich um einen typisch guten Bordeaux-Jahrgang mit mittelgewichtigen, gut ausbalancierten, anmutigen Weinen handelt. Trotz eines runden Duzend ausgezeichneter Weine ist 1981 in Wirklichkeit jedoch nur ein guter Jahrgang, der von den meisten jüngeren Jahrgängen qualitativ übertroffen wurde,“ schrieb Parker vor zehn Jahren.(2004). Heute gilt der Jahrgang – auch auf Grund der Entwicklung der Weine – als eher schwach: „81 dürfte in Bx bis auf ganz wenige Ausnahmen längst in die ewigen Jagdgründe eingegangen sein. Es war einfach kein langlebiges Jahr“. Und ein Fazit: „Ich begreife wohl nie, warum man 'heute' BDX-Jahrgänge wie z.B.1981 kaufen kann“.

Solche Diskussionen sind spannend, zeigen sie doch, wie unterschiedlich alte Bordeaux bewertet werden und/oder was man von alten Weinen erwartet. Ich begreife, dass man von einem Evangile 81 enttäuscht sein kann, wird der Wein doch noch heute um 100 Euro (und mehr) gehandelt. Da darf man mit gutem Recht etwas erwarten was mit Genuss zu tun hat. Darf man dies? Sicher, wenn man überlegt, wofür man (real oder theoretisch) hundert Euro ausgibt. Es gibt aber noch einen andern Aspekt: jenen des Reifens, Werdens, Veränderns, Vergehens. Auch Weine – zumindest die, welche man lagern kann – durchlaufen so etwas wie „Lebensphasen“. Altweintrinker interessieren vor allem diese Phasen, die verschiedenen Stadien eines Weins, aber auch wie einst Wein gemacht wurde. In den 70er- und anfangs der 80er-Jahre war nicht nur die Philosophie im Rebbau und in der Vinifizierung (auch Bordelais) ganz anders als heute, auch die Möglichkeiten der Technik haben sich verändert. So ist ein 81er nicht einfach ein 81er eines mehr oder weniger berühmten Châteaus, er ist auch ein Zeitdokument, das – ist der Wein noch nicht „tot“ – unglaublich spannend und auch genussvoll sein kann. Vor allem dann, wenn man sich Zeit nimmt, in den Wein hinein zuhören, Eigenschaften, Aromen, Harmonien entdeckt, die man bisher kaum wahrgenommen oder beachtet hat.DSCN4543

Aus diesem Grund habe ich den Latour à Pomerol 1981 gestern getrunken, mehr noch, mit ihm den Abend verbracht. Latour à Pomerol ist kein Evangile, gut zwei Klassen tiefer (wenn es im Pomerol Klassifizierungen gäbe) oder in Form des heutigem Handelspreises ausgedrückt, 100 zu 40 Euro. Der Wein, also der viel kleinere Pomerol, war nicht eine Sensation, kein grossartiger Wein, im Muster des heutigen Weinstils oder –konsums. Also gar nicht „geil“, vielmehr spannend, besinnlich, interessant ein guter oder passabler Altwein eben. Er war weder tot noch sonst wie beschädigt (Fehlton, oxidiert, überlagert etc.), er war einfach alt. Die Frage ist: Was heisst dies, was ist aus dem Wein geworden? In der Farbe noch mit erstaunlich viel blau-bordeauxrot, wenig Ziegeltöne, leicht bräunliche Ränder. In der Nase zuerst etwas dumpf, dann tief, immer tiefer, als ginge man in einen Wald hinein, mit Gebüsch, Bäumen, aber auch Lichtungen. Ich habe den Wein dekantiert (wie ich alle Weine - auch die alten - dekantiere). Im Laufe des Abends hat er sich geöffnet, hat Aromen frei gegeben, die mich in gewissen Phasen entzückt haben, es war ein leises, aber schönes Panoptikum von Aromen, wie ich sie nur in Altweinen finden und erleben kann. Der Wein – verglichen mit heutigen Bordeaux – war sicher dünn, eher mager (als Gegenteil von fett) und – auf den ersten Schluck – langweilig, belanglos. Doch dann entwickelte sich – allmählich – etwas, das zum Genuss (im üblichen Sinn des Wortes) führen kann, in diesem Fall geführt hat, etwas, das mir eine Entdeckungsreise bescherte, in die Welt der alten Weine. Sicher, ich habe schon viele bessere Weine getrunken, auch alte, viel ältere. Warum aber müssen wir immer vergleichen, relativieren? Ich habe den Abend mit einem 81er verbracht, der sich 33 Jahre entwickeln konnte und alt geworden ist (mit den Jungen nicht mehr mithalten kann), dafür aber etwas zu bieten hat, was nur das Alter bieten kann: das Durchleben vieler Jahre an Veränderung und Entwicklung, das Resultat von Gelebthaben, auch wenn es „nur“ ein Weinleben war und das, was daraus geworden ist, habe ich aufgesogen als echter Gewinn und Genuss.

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