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Acqui Terme ist eine bezaubernde historische Stadt in der Provinz Alessandria im italienischen Piemont. Gerade Weingenießern bietet sie mehr als ihre berühmten Thermalquellen, die für Gesundheit und Wohlergehen sorgen. In der Umgebung wird ein Wein angebaut, der außergewöhnlichen - und ungewohnten - Genuss verspricht. Sein Name: BBrachetto d’Acqui).

Die Provinz von Alessandria ist sehr großflächig und umfasst fünf unterschiedliche Weinbaugebiete: Acquese, Ovadese, Gaviese, Tortonese und Casalese. Die Namen leiten sich von den jeweiligen Städten ab, die im östlichsten Teil der Hügel von Südpiemont liegen, das von den Langhe bis in den Raum Tortona reicht. Alessandria produziert eine beachtliche Anzahl an variantenreichen und hochwertigen Weinen und stellt damit ein bedeutendes Gebiet für weinbauliche Vielfalt dar. Über den Timorasso aus dem Tortonese haben wir bereits berichtet. Heute beschäftigen wir uns mit dem Brachetto aus dem Acquese.

Eine Rebsorte macht Karriere

Außerhalb eines DOC-Gebietes darf der Name Brachetto nicht verwendet werden. Dafür hat die kleine, aber potente Lobby des Brachetto d’Acqui gesorgt. Das ist ungewöhnlich. Wenn nicht sogar ein einzigartiger Fall, denn Brachetto ist kein geographischer Name, sondern der einer Rebsorte und dementsprechend - nach allgemeiner Rechtsauffassung - nicht „patentfähig”. Käme jemand auf die Idee, die Kartellbehörden anzurufen, wären wohl unerfreuliche Querelen zu erwarten, die dem Namen dieses roten aromatischen Weins mit dem DOCG-Prädikat eher schaden als nützen dürften. Also löst man es „alla italiana”: Leben und leben lassen.

Vom Namen zur Qualität

 

Brachetto-Traube (Foto Massimiliano Navarria% Archiv Alexala)

„Wer den Namen Brachetto nutzen darf ist hier ein schier unerschöpfliches Thema”, weiß Maurizio Gily, Agronom und Slow-Food-Berater aus dem Piemont. Dabei war die Verwirrung anfangs noch größer. Mindestens vier verschiedene Sorten an unterschiedlichen Orten machten die Rebsortenkundler aus, die alle Brachetto genannt wurden. Da eine Vermarktung unter solchen Umständen kaum erfolgreich sein kann, entschieden die Winzer sich, nur noch dem besten der Brachetti, der zudem die größte wirtschaftliche Bedeutung hatte, den Namen zuzuteilen: dem Brachetto d’Acqui. Wer den nicht weniger interessanten Brachetto del Roero produzierte, wurde außen vor gelassen und musste seinen Namen ändern. Etliche Winzer stiegen in der Folge auf die Produktion von Tafelweinen um, die sie mit spitzbübischen Fantasienamen wie Birbet - piemontesisch für Schlingel, Schelm - belegen.

Einen weiteren Sturm im Weinglas löste die Ähnlichkeit des Namens zwischen dem Brachetto d’Acqui, der sich durch DOCG-restriktivere Produktionsvorschriften auszeichnet, und dem Piemonte Brachetto aus, der in DOC-Qualität mit weiterer Auslegung und weniger Restriktionen hergestellt wird. Am Ende wurde das System der Qualitätspyramide kodiert. Ein Versuch jüngeren Datums, die beiden Bezeichnungen unter dem Namen Brachetto d’Acqui zu vereinen, ist gescheitert. Das war voraussehbar angesichts der Tatsache, dass es fast nie gelingt, ein Produktionsgebiet mit einer angesehenen Herkunftsbezeichnung zu erweitern. Weder in Italien noch in Frankreich zeigt sich ein Winzer, der in dem Produktionsgebiet anbaut, bereit, den Kuchen zu teilen oder wie es italienisch so schön heißt: allungare il brodo - die Suppe zu verlängern.

 

Das typische Glas für den Brachetto als Sekt oder Perlwein (Foto Konsortium Brachetto d'Acqui)

Nun wollen einige Produzenten die Typologien „Passito” und „Secco” wenigstens in der DOC Piemonte unterbringen, aber es scheint, dass die Mehrheit der Industriellen nicht damit einverstanden ist. Dafür sprechen allerdings drei Argumente. Zum Einen sind sowohl die trockene als auch die Passito-Version Produkte mit einer älteren Tradition als die der süßen Spumante- und Frizzante-Versionen. Darüberhinaus bieten die Secco- und Passito-Versionen noch viel Potenzial, sich zu exzellenten Weinen zu entwickeln, auch wenn sie dazu dem Frizzante-Markt einige Trauben abtrotzen müssten. „Sicher würden sie aber so die bereits existierende DOC aufwerten”, ist Domenico Botto, passionierter Winzer aus der Acquese, der bereits in dritter Generation die Cantina Sant’Ubaldo betreibt, überzeugt. Nicht zuletzt sind es „Bauern-Weine”, die dann von allen gemacht werden könnten. Zwar wäre ein erheblich höherer Arbeitsaufwand erforderlich, insbesondere beim Passito, aber Investitionen in die Technologie blieben überschaubar - im Gegensatz zu den perlenden Versionen. Die trockene und die Passito-Version erfordern Trauben von hoher Qualität und damit besonders sorgfältige Arbeit im Weinberg, die beim „industriellen” Brachetto weniger wichtig, wenn auch niemals unnötig ist. Unabhängig von der weiteren Entwicklung sei den Weinliebhabern und Gourmets dieser Welt gesagt: Der echte Brachetto ist der mit dem „tappo raso”, also dem glatten Korken; im Gegensatz zum populäreren, anämischen und kurzlebigeren Spumante.

Vielfalt ist Trumpf

 

"Bric e Brac" - Brachetto secco von Sant'Ubaldo (Foto Katrin Walter)

Aber auch die süßen Brachetto finden ihr Publikum. Eine ganze Reihe seriöser Produzenten bereiten ihren Kunden sehr viel Freude mit dem, was in der Sektschale perlt. Angenehm, spritzig, schäumend, fröhlich und duftend entsteht der Brachetto d’Acqui aus der gleichnamigen aromatischen Rebsorte. Das Geheimnis seiner Fruchtigkeit liegt im Gärverfahren in Edelstahltanks bei kontrollierter Temperatur, das die primären Aromen bewahrt. Die Fermentation wird nicht vollständig ausgeführt, sondern bei einem Alkoholgehalt von 5 bis 6 Volumenprozent unterbrochen, um ein angenehmes Verhältnis zwischen Säure und Restzucker zu erhalten. Denn DOCG darf er sich nur nennen, wenn er mindestens 11,5 Volumenprozent Gesamtalkohol und davon 5 Volumenprozent vergoren ausweist.

Die Einsatzmöglichkeiten des Brachetto d’Acqui sind vielfältig. Als Sekt, gut gekühlt, eignet er sich in einigen Fällen als Aperitif zu würzigen Häppchen. Erfrischende und durstlöschende Longdrinks entstehen in der Kombination mit Fruchtsäften. Auch in der süßen Küche findet er Verwendung. Mit nicht zu saurem Obst harmoniert er bestens und kann immer wieder überraschen, wenn es gelingt, seinen Erdbeer- und Himbeergeschmack hervorzuheben. Er passt sogar zu getrockneten Früchten und Nüssen. Traditionell gehört der Wein zu Desserts am Ende eines Menüs oder am Nachmittag zur pasticceria secca (trockene Konditorwaren) oder Backwaren wie Panettone und Mürbeteigkuchen.

Zwischen Legenden und Genuss

Der Brachetto hat eine wechselvolle Geschichte hinter sich. Wie ein Komet taucht er mehrmals in den Jahrhunderten auf. Als antike Delikatesse zeigt er sich bereits in der Epoche des Römischen Reiches, als einige Schriftsteller die Gewohnheiten der Gallia Cisalpina beschreiben und von dem süßen und aromatischen „Vinum acquense” sprechen, dem Wein aus der Gegend von Acqui, hoch geschätzt von den Patriziern. Dabei dürfte es sich um die Passito-Version handeln, der sie erstaunlich aphrodisierende Kräfte zusprachen. Julius Cäsar und später auch Marcus Antonius schenkten Kleopatra einige Schläuche. Die Kaiserin ließ den Wein von ihren Liebhabern schlürfen, um die gewünschte Glut zu entfachen. So jedenfalls sagt es die Legende.

Ob jener „Vinum acquense” tatsächlich als Urvater des modernen Brachetto anzusehen ist, darf insofern bezweifelt werden, als in den folgenden 1800 Jahren keine weiteren Spuren in historischen Zeugnissen zu finden sind.

Eine Renaissance im 19. Jahrhundert war nicht von langer Dauer, wurden doch die ultratrockenen Weißweine kurz darauf modern. Der Brachetto endete in Cuvées mit anderen Rotweinen und war vor seiner Anerkennung als DOC im Jahre 1969 der klassische rustikale rote Sekt, der am Ende der Mahlzeit zu Ciambelle (Kekskringeln) nach Hausfrauenart serviert wurde. Seit seiner DOCG-Weihe wird er vor allem prickelnd und schäumend angeboten: Hellrubin bis Rosé, mit einem Duft nach Rosen, Veilchen, Geranien, Pfirsichblüten, Himbeeren, Erdbeeren und Moschus.

In den darauffolgenden Jahren etablierte sich der Brachetto als typischer Frauenwein. „Im Bürgertum auf dem piemonteser Land gehört es zum guten Ton, den Damen an schwülen sonntäglichen Sommernachmittagen den wenig alkoholischen Wein zu servieren”, erzählt Winzer Botto.

Spritzig innen und außen

 

Der Brunnen "Edicola della Fontana della Bollente" mit Thermalwasser in Zentrum von Acqui Terme(Foto Michael Zerban% COD Düsseldorf)

Acqui Terme, eine Stadt mit mehr als 20.000 Einwohnern im Süden der Provinz Alessandria, war stets Ort der Sinnenfreude und eignet sich daher als Namensgeber der DOCG: Schon für die Römer waren die „acquae statiellae” ein sprudelndes Vergnügen von außen, so wie der spritzige Brachetto von innen. Eine Tradition, die es zu bewahren lohnt. So wird 1992 das Konsortium zum Schutz des Brachetto d’Acqui mit 16 Produzenten, 17 Kooperativen und 28 Abfüllbetrieben in Acqui Terme gegründet. Vier Jahre später erhält der Wein den DOCG-Status und damit einen höheren kommerziellen Wert. Heute zählen 26 Gemeinden in den Provinzen Alessandria und Asti zum Produktionsgebiet. Auf etwa 1.300 Hektar produzieren 900 Weinbauern 6 Millionen Flaschen Brachetto pro Jahr in zwei Versionen; häufiger mit glattem Korken, moussierend, frizzante sowie als Sekt im Tankgärverfahren mit Pilzkorken. Daneben wird auf dem Territorium um Acqui und Asti, auch das „Gebiet der Aromatischen” genannt, ein bedeutender Anteil der leichten Süßweine Italiens produziert: Moscato d’Asti, Moscato d’Asti Spumante, Brachetto d’Acqui, Brachetto d’Acqui Spumante, Piemonte DOC Brachetto, Piemonte DOC Brachetto Spumante.


--- keine Vorschriften vorhanden
*1 generell darf auf dem Etikett eines Vino da Tavola (VdT) angegeben sein: die Nummer der Partie, die Bezeichnung „Vino da Tavola”, der Inhalt in hl, l, cl oder ml, die Daten des Abfüllers, der Ort der Abfüllung, der Ort der Weinbereitung, wenn anders als der der Abfüllung, der Alkoholgehalt und sollte dem Wein künstlich Kohlensäure zugesetzt sein, so muss auch dies auf dem Etikett angegeben werden.


Geschmäcker ändern sich

Die DOCG-Anerkennung lässt die Winzer nicht im Stillstand verharren. Sie entwickeln den Brachetto weiter, indem sie die Traube auch wieder trocken keltern. Dann empfiehlt es sich, ihn erst ab zwei bis drei Jahren Flaschenreife zu genießen. Der anfänglich säurebetonte Geselle mit starken Aromatik und Duft nach Walderdbeeren, Mandelblüten und Holunder entwickelt Aromen von Holundergelee, schwarzen Johannisbeeren, kleinen dunklen Früchten in Alkohol, Muskatnuss und wildem Oregano; die Tannine werden samtig.

Die Produktionsmengen dieser trockenen Brachetti sind sehr gering. Pro Weingut werden kaum mehr als 500 bis 2.500 Flaschen jährlich produziert. Da wird es schwer, ihn auf dem Markt zu finden. Man muss schon nach Acqui Terme kommen, dieser wunderbaren Stadt, die so reich an Geschichte und heilsamem Wasser ist, jenem, das bis heute in der Edicola della Fontana della Bollente sprudelt, dem Heilwasserbrunnen im historischen Zentrum der Stadt.

 

Die Brachetto-Weine im Wein-Plus Weinführer

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