wein.plus
ACHTUNG
Sie nutzen einen veralteten Browser und einige Bereiche arbeiten nicht wie erwartet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser.

Anmelden Mitglied werden

“Auch im Bereich Weinbau und Önologie führt die aktuelle Entwicklung in der Ausbildungs- und Hochschullandschaft zunehmend zu einer Akademisierung der Berufsausbildung”, urteilt Professor Dr. Otmar Löhnertz, Vizepräsident Lehre an der Hochschule Geisenheim. Diese bietet “ein umfangreiches anwendungsorientiertes Studienprogramm, um dieser Nachfrage gerecht zu werden”, so Löhnertz. Um den besonderen praxisbezogenen Charakter des Studiums umzusetzen, sei – neben der für Fachhochschulen notwendigen Hochschulzugangsberechtigung – vor dem Studium ein mindestens halbjährliches Praktikum zu absolvieren. “In der Realität verfügen die Studierenden oftmals über eine deutlich längere Praxiserfahrung bzw. über eine abgeschlossene Lehre”, berichtet der Professor. Darüber hinaus bestehe die Möglichkeit eines dualen Einstiegs in das Studium. “Hierfür ist kein besonderer Vertrag zwischen der Hochschule und dem Ausbildungsbetrieb erforderlich. Keiner der Studiengänge unterliegt einer Zulassungsbeschränkung. Durch die in der Vergangenheit aufgebauten Kapazitäten – personell und räumlich – kann die Hochschule einer steigenden Zahl an Studierenden die Zulassung garantieren.”

Prof. Dr. Otmar Löhnertz (Foto: Hochschule Geisenheim)
Die Hochschule Geisenheim bietet in diesem Umfeld die Bachelor-Studiengänge Weinbau/Oenologie, Internationale Weinwirtschaft, International Wine Business (in englischer Sprache) sowie Getränketechnologie an. “In diesen nicht zulassungsbeschränkten – als Bachelor of Science akkreditierten – Studiengängen beginnen in jedem Jahr etwa 200 bis 230 Studierende”, sagt Löhnertz. “Das besondere Profil im Studiengang Weinbau/Oenologie liegt in der praxisorientierten Ausrichtung der Ausbildung in den Bereichen Weinbau (Pflanzenbau und Anbautechnik, Bodenkunde, Phytomedizin) und Önologie (Verfahrenstechnik, Technologie der Wein- und Schaumweinbereitung, Sensorik) sowie Betriebswirtschaft und Marketing.” Durch eine Vielzahl an Praktika während des Studiums könne das theoretische Wissen beispielsweise in modernen Laborräumen oder im hochschuleigenen Weingut direkt umgesetzt werden.

Studieren im internationalen Kontext

Im Studiengang Internationale Weinwirtschaft – “einem weinökonomischen Studiengang”, wie Löhnertz präzisiert – werden sowohl profunde Grundlagenkenntnisse als auch allgemeine Fachkenntnisse auf den Gebieten Weinbau, Önologie sowie Wirtschaftswissenschaften vermittelt. Bei der Spezialisierung werden Schwerpunkte in den Sektoren Internationale Weinwirtschaft, Marketing und Management sowie Controlling gelegt. “In diesem Studiengang ist ein Auslandsaufenthalt während des Studiums obligatorisch”, verdeutlicht Löhnertz. “Seit dem aktuellen Wintersemester bietet die Hochschule Geisenheim diesen Studiengang als International Wine Business auch vollständig in englischer Sprache für einen nicht-deutschsprachigen Bewerberkreis an. Parallel ermöglicht dieser neue Studiengang unseren Studierenden in den deutschsprachigen Studiengängen den Erwerb exzellenter Englischkenntnisse, da die Vorlesungen keiner Begrenzung unterliegen”, erklärt der Professor.

Im Studiengang Getränketechnologie werden Vorlesungen, Seminare und Praktika im Bereich Fruchtsaft, Bier, Spirituosen, Wein und Sekt angeboten. Im Rahmen von Projekten wird das theoretische Wissen sowohl im Pilotmaßstab als auch in halbkommerziellem Umfang in die Praxis umgesetzt. “Die Studierenden produzieren im Getränketechnikum Fruchtsaft und fruchtsafthaltige Getränke, Destillate, Schaumwein und nicht zuletzt Bier. Dabei wird die selbständige unternehmerische Denkweise gefördert. Ziel ist es, verkehrsfähige Produkte herzustellen einschließlich der Abfüllung und Deklaration nach aktuellem Lebensmittelrecht”, so Löhnertz. Durch dieses breite Angebot können sich einerseits die Studierenden in den einzelnen Studiengängen spezialisieren, andererseits kann das studiengangspezifische Angebot auch von den Studierenden anderer Fachrichtungen gewählt werden. “Die Hochschule ist daher in der Lage, das breite Spektrum an erforderlichen Kenntnissen und notwendigem Wissen zu vermitteln”, führt der Professor aus. “Von den rund 130 in der Lehre tätigen Personen gehören 33 zur Gruppe der Professoren und Professorinnen; darüber hinaus sind etwa 30 Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen in Geisenheim tätig. Mit einer größeren Zahl externer Lehrbeauftragter stellt die Hochschule Geisenheim ein aktuelles, praxisorientiertes Studium sicher. Dazu zählt auch ein umfangreiches Sprachenangebot. Alles in allem ermöglicht diese breite Basis an Lehrenden den rund 1.250 Studierenden am Standort Geisenheim (einschließlich Gartenbau und Landschaftsarchitektur) individuelle Betreuungsbedingungen.”

Hochschulgebäude in Geisenheim (Foto: Hochschule Geisenheim)

Löhnertz weist noch auf weitere Standortvorteile hin: “Die Hochschule Geisenheim ist durch die lange Tradition der Ausbildung in Geisenheim und aufgrund der Verbindung mit der stark forschungsorientierten ehemaligen Forschungsanstalt weltweit sehr stark vernetzt. Dies garantiert den Studierenden den Zugang zu internationalen Ausbildungs- und Forschungseinrichtungen und natürlich weltweit in Praxisbetriebe aller Kategorien. Vertraglich ist mit den Technikerschulen Bad Kreuznach, Veitshöchheim und Weinsberg der Übergang über die Anerkennung von bis zu zwei Semestern geregelt, um die Durchlässigkeit in der Ausbildung zu fördern.”

Zur Weiterqualifikation bietet die Hochschule Geisenheim mehrere forschungsbasierte Masterstudiengänge in Kooperation mit anderen Universitäten an. In den Masterstudiengängen Oenologie, Weinwirtschaft und Getränketechnologie – in Zusammenarbeit mit der Justus-Liebig-Universität Gießen – ist eine entsprechende Spezialisierung möglich. Der Masterstudiengang “Weinbau, Oenologie und Weinwirtschaft” – in Zusammenarbeit mit der Universität für Bodenkultur in Wien – vermittelt ein breites, fächerübergreifendes theoretisches und praktisches Wissen sowie Fähigkeiten auf den Gebieten Weinbaus, Önologie und Weinwirtschaft, wie Löhnertz erläutert. Eine Spezialisierung ist auch hier möglich. “Von den vier Semestern in diesem Masterprogramm werden jeweils zwei Semester in Geisenheim und an der Partnerhochschule durchgeführt. Seit 2009 ist die Hochschule am internationalen Studiengang ‘Vinifera Euro Master’ maßgeblich beteiligt. In diesem englischsprachigen Masterstudiengang kann nach einem gemeinsamen Studienjahr in Montpellier das zweite Studienjahr in einer der Partnereinrichtungen durchgeführt werden.”

Zusätzlich zu diesen bisherigen Aktivitäten hat die Hochschule Geisenheim Löhnertz zufolge ein Institut für Weiterbildung gegründet und baut gegenwärtig zusammen mit dem eigenen Alumni-Verband (VEG-Geisenheim Alumni Association) ein umfangreiches, modulhaft strukturiertes Weiterbildungsprogramm auf.

Innovative Angebote für den Fachkräfte-Nachwuchs

Professor Dr. Michael Brysch-Herzberg von der Hochschule Heilbronn stellt fest, dass sich die Ausbildungskapazitäten im Bereich Wein in den vergangenen Jahren stark erweitert haben. Als wichtigste Hochschulen nennt er Geisenheim, Heilbronn und Neustadt an der Weinstraße, wobei er differenziert: Geisenheim und Neustadt seien stärker auf Weinbau und Önologie, also die Weinproduktion konzentriert, in Heilbronn liege der Fokus mehr auf BWL und Marketing: “Wir sind Vollblut-Betriebswirte”, sagt der Professor, der selbst allerdings Experte für Wein-Mikrobiologie ist.

Prof. Dr. Michael Brysch-Herzberg (Foto: Hochschule Heilbronn)
Brysch-Herzberg sieht die Konkurrenzsituation zwischen den einschlägigen Hochschulen positiv. “Die Vielfalt der Angebote ist gut, eine Monopolstellung ist immer schwierig”, so der Abteilungsleiter des Studiengangs Weinbetriebswirtschaft. Der Wettbewerb fördere die Weiterentwicklung der Studiengänge an allen Fakultäten, und das sei wichtig. In Heilbronn wurde beispielsweise zum Wintersemester 2014/2015 neben dem bestehenden Studienschwerpunkt Weinhandelsmanagement ein neuer Schwerpunkt Produktionsmanagement eingeführt, so dass die Studierenden im Hauptstudium nun zwischen den beiden Vertiefungsrichtungen wählen können.

Ab dem 1. Juli 2015 wird es Brysch-Herzberg zufolge an der württembergischen Hochschule zusätzlich ein duales Konzept geben, das Weinbetriebswirtschaftsstudium und Winzerlehre zeitlich und organisatorisch miteinander verbindet. Für dieses “ausbildungsintegrierende Modell” seien im Regelfall knapp sechs Jahre zu veranschlagen (statt getrennt sieben Studiensemester plus zwei Lehrjahre), und die Absolventen hätten danach sowohl den Winzer- als auch den Bachelor-Abschluss.

Dualer Studiengang vereint Wissenschaft und Praxis

Vorreiter bei der Kombination von Studium und Lehre ist der Weincampus Neustadt an der Weinstraße. “Durch die Veränderungen in der Weinwirtschaft steigen die Anforderungen an die Unternehmen der Branche”, sagt Studiengangsleiter Professor Dr. Marc Dreßler. “Der Markt wird globaler, viele Betriebe wachsen, die Technologisierung schreitet voran und die Kundenveränderungen sind massiv. Das bedingt neue Herausforderungen, beispielsweise in der strategischen Positionierung, im Personalmanagement, in der önologischen Produktgenerierung und in der weinbaulichen Professionalisierung. Der Markt wird schwieriger und entsprechend muss sich auch die Ausbildung im Weinbereich immer weiterentwickeln und passende, attraktive Angebote schaffen.”

Prof. Dr. Marc Dreßler (Foto: Weincampus Neustadt)
Bereits 2009 wurde am Weincampus der duale Studiengang Weinbau und Oenologie gegründet und bietet Nachwuchskräften seitdem die Möglichkeit, innerhalb von vier Jahren gleichzeitig ein Bachelor-Studium und eine Winzerlehre zu absolvieren. Der hierbei umgesetzte integrative Ansatz, bei dem Hochschulinhalte und Berufspraxis miteinander verknüpft und verzahnt werden, ist bislang einzigartig, wie Dreßler betont. Bei der Umsetzung des dualen Ausbildungsgangs arbeitet der Weincampus mit rund 300 Weinbaubetrieben zusammen, die über alle deutschen Anbaugebiete verteilt sind. Die akademische Wissensvermittlung übernehmen Professorinnen und Professoren der drei Hochschulen Ludwigshafen, Kaiserslautern und Bingen und renommierte Gastdozenten. Ein wichtiger Kooperationspartner ist hierbei das Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum (DLR) Rheinpfalz, das über Lehre und Forschung voll eingebunden ist. Die Ausbildungszeit in Neustadt ist dabei um ein Jahr kürzer als bei einem getrennten Durchlaufen von Lehre und Studium.

“Wir arbeiten in einer handwerklich verankerten Branche”, erklärt Dreßler. “Die Weingüter brauchen Leute, die nicht nur theoretisch wissen, was jemand tun muss, sondern auf der Basis eigener Erfahrung sofort mit anfassen können. Das ist unsere Lieferpflicht als Ausbildungsinstitution.” Gleichzeitig sieht der Management-Fachmann - selbst Professor für Betriebswirtschaftslehre der Hochschule Ludwigshafen mit Einsatz am Weincampus – Schulungsbedarf beispielsweise im Umgang von Weinerzeugern mit dem Handel, besonders etwa bei Verhandlungen mit Supermarktketten: “Da steht der Winzer meist professionellen Category Managern gegenüber und braucht eine passende Positionierung, Fähigkeit zum Multikanal-Management und Preisstrategien, wenn das Geschäft für ihn wirklich sinnvoll und lukrativ sein soll.” Vor diesem Hintergrund, verrät Dreßler, werde der Weincampus Neustadt “zeitnah” auch einen gezielten Master-Studiengang anbieten.

Dass sich die Studienangebote weiterentwickeln, sei notwendig und auch gegeben. Die Hochschule Geisenheim nennt Dreßler das “führende Ausbildungsinstitut” und würdigt das stetig erweiterte Angebot im Rheingau. Die Studieninhalte in Geisenheim ebenso wie in Heilbronn und Neustadt seien vielfältig und auf höchstem Niveau: “Jeder, der in der Weinwirtschaft eine besondere Position anstrebt, findet etwas Passendes.” Insofern sei auch immer noch “Luft für gezielte Angebote” wie den geplanten Master-Studiengang in Neustadt. “Auch die Politik fordert Weiterentwicklung von uns”, meint Dreßler. “Wir wollen den erfahrenen Praktikern im Beruf Möglichkeiten bieten, sich über studiumsbasierte Angebote weiterzubilden und zu professionalisieren. Der neue geplante Master sorgt damit auch für die gewünschte Durchlässigkeit im Bildungssystem.”

Zu Teil 1 der Artikelserie: Wissensdurst fördert Professionalisierung

Zu Teil 2 der Artikelserie: Weinkompetenz im Gastgewerbe

Mehr verwandte Stories

Alle anzeigen
Mehr
Mehr
Mehr
Mehr
Mehr
Mehr
Mehr
Mehr
Mehr
Mehr

Veranstaltungen in Ihrer Nähe

PREMIUM PARTNER