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Wie das Leben doch so spielt! Die letzte Kolumne ist noch nicht ins Netz gestellt, da stehe ich an Saale und Unstrut und halte Ausschau nach dem, was ich an einem ganz gewöhnlichen Tag, im Schweizer Dorf Bubikon entdeckt, erlebt und in meiner letzten Kolumne beschrieben habe: „meine erste Begegnung mit dem Blauen Portugieser” aus dem kleinsten deutschen Weingebiet.

 

Die Rudelsburg im Morgennebel

Auf dem Ferienpfad in den Harz - wo es endgültig vorbei ist, mit dem deutschen Rebbau - schlagen wir unser Zelt in Bad Kösen auf, so, dass am frühen Morgen vor uns die Rudelsburg aus dem Nebel auftaucht. „Dort Saaleck, hier die Rudelsburg, und unten tief im Tale, da rauschet zwischen Felsen durch die alte liebe Saale; und Berge hier und Berge dort zur Rechten und zur Linken, die Rudelsburg, das ist ein Ort zum Schwärmen und zum Trinken”. Noch heute ist dies das Erkennungslied der studentischen Corps, die einst auf der Rudelsburg den ältesten Dachverband der deutschen Studentenverbindungen gegründet haben
(Das Lied ist zu hören auf: http://www.uni-stuttgart.de/hilaritas/LIEDER/TEXTE/dortsaal.html )

Am Südhang der Burg sollen einst Reben gestanden haben, doch davon ist nichts mehr zu sehen. Verschämt wird jetzt auch die letzte Strophe des berühmten Studentenlieds (1863) weggelassen: „Was brauchen wir die Rudelsburg, was brauchen wir die Saale? Wir haben doch Alt Heidelberg, im schönen Neckartale - und Berge hier und Berge dort zur Rechten und zur Linken, Alt Heidelberg, das ist ein Ort zum sich scheußlich zu betrinken”. Auf alten Stichen der studentischen Geselligkeit prosten sich die „Burschen” des 19. Jahrhunderts auch nicht mit Weingläsern zu, sondern stoßen mit Bierkrügen an. Das Schwärmen und Trinken kann sich also kaum auf den Wein bezogen haben.

 

Rebberg an der Weinstraße Saale-Unstrut

Doch mein Interesse ist geweckt: Zwischen Bad Kösen und dem ehemaligen Zisterzienserkloster „Sanctae Mariae ad Portam” - heute „Schulpforta” - entdecke ich erstmals die Rebberge an der Weinstrasse von Saale-Unstrut. Ich bin also doch im Weinland angekommen. „Herzog Carl Wilhelm Ferdinand von Braunschweig” (1735-1806) hat mich zwar bereits am Vorabend, auf der Flasche des halbtrockenen Spätburgunders vom Landesweingut Kloster Pforta begrüßt. Gekauft habe ich diesen Wein nur, weil er unweit des historischen Schlachtfelds von Hassenhausen angebaut wird, dort wo einst Napoleon das preußische Heer entscheidend geschlagen hat.

 

Kirchenfenster in Schulpforta mit Rebmotiven

Wein, Kultur, Geschichte und berühmte Persönlichkeiten: ich bin an Saale/Unstrut gelandet! Die Zisterzienser (zumindest ihr Geist und ihre Pionierarbeit im Weinbau) holen mich ein. Ich denke an das Burgund, an das Kloster Eberbach (Rheingau), wohin mich meine deutschen Weinfreunde geführt haben, oder an das Stift Heiligenkreuz in Österreich. Auf einer Informations-Tafel über den Weinbau von Schulpforta entdecke ich die zisterziensische Lebensweisheit: „Schenkst Du Guten ein, schaust Du Gott im Wein”. Gott ist mir bisher im Wein aus Saale/Unstrut allerdings nicht begegnet. Aber jetzt will ich es wissen: In der Vinothek von Schulpforta kaufe ich zwei Weine, einen Pfortenser Köppelberg Portugieser QbA und einen Blauen Zweigelt, Saalhäuser, QbA.

 

Carl Wilhelm Ferdinant von Braunschweig - umgekommen in der Schlacht von Jena und Auerstedt (1806)

Der Portugieser ist wirklich ganz anders, als jener Wein, den ich kürzlich zum Zucchetti-Gratin mit Gorgonzola getrunken habe - nämlich eher samtig, leicht oder „...einfach gestrickt, leicht artifizielle Rotkirschfrucht, wenig Substanz, geglättetes, passendes Tannin, passabler bis ordentlicher Abgang.”, wie ihn der Weinführer von Wein-Plus beschreibt.

Jetzt also habe ich ihn gefunden, jenen Portugieser, der so oder ähnlich charakterisiert wird. Also nicht diesen Kraftprotz, den ich vor ein paar Wochen getrunken habe.

Was mich aber viel mehr an Schulpforta fasziniert als der Wein, das ist die hier herrschende Bildungskultur. Seit der Auflösung der klösterlichen Gemeinschaft (1540) dient die große Anlage als Bildungsstätte einer geistigen Elite, geprägt von der Ideologie der jeweils Herrschenden und dem Zeitgeist. So wollte es schon der Gründer der Schule, Herzog Heinrich V. von Sachsen. Im Internat wurden einst auch Nietzsche, Klopstock und Fichte „erzogen”.

 

Wiederbegegnung mit dem Portugieser von Saale-Unstrut im Rebgebiet

Selbst die Nationalsozialisten haben hier 16 Jahre lang eine Erziehungsanstalt (NAPOLA) eingerichteten, bis sie dann von den Machthabern der DDR abgelöst wurden, die daraus eine Bildungsstätte sozialistischer Erziehung gemacht haben. Und auch jetzt, nach dem Ableben des „real-existierenden Sozialismus” ist Schulporta immer noch ein Schulinternat, wo inzwischen Buben und auch Mädchen zu wohl guten Kapitalisten (nehme ich nun mal an!) gebildet werden. Solch bildungspolitische Hartnäckigkeit, fasziniert mich, da auch ich einst 6 Jahre Internatsschule (zwar in der Schweiz) gut überstanden habe.

Nach dieser kurzen Begegnung mit Kultur und Wein von der Saale reisen wir weiter in den Harz. Fünf Tage später, an meinem Geburtstag, kommt der zweite im Kloster Pforta für 22.50 € gekaufte Wein auf den Tisch: Blauer Zweigelt 2003, QbA, trocken Saalhäuser: „gehaltvoll, Tabak- Vanillearomen - Silberner Preis 2. Landesweinprämierung 2005” Und? Was macht denn dieser „Österreicher”, da im Norden? Es ist ein intensiv rubinfarbiger, zartherber im Geschmack voll-kräftiger Wein, in Barrique ausgebaut - aber ein Festtagswein ist es nicht. Dazu fehlte ihm jene Kultur, Größe und Einmaligkeit, die ich in den Mauern der Rudelsburg und auch im Kloster Pforta zu spüren glaube. Doch Steine überdauern eben Jahrhunderte, jedoch selbst ein guter Wein kaum einen Abend.

Herzlich

Ihr/Euer

Peter (Züllig)

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