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Mein Weinfreund Max-Georg spricht immer von „Sprudelwasser”, wenn er Champagner meint. Damit hat er auch schon manches Missverständnis geschaffen. Ist Champagner wirklich „nur” ein teures „Sprudelwasser” oder eben doch Qualitätswein? Diese Frage beschäftigt mich schon lange.

      20 Millionen Flaschen Champagner in den Gewölben von Pommery

Also bin ich einer Einladung von Weinenthusiasten nach Reims gefolgt, mitten ins Herz der Champagne. Als Student der Kunstgeschichte war ich einst mehrmals in dieser Stadt. Doch damals habe ich weder die vielen Champagnerproduzenten mit klingendem Namen, noch die berühmten Reblagen der „Coteaux de la Montagne” wahrgenommen. Mein ganzes Augenmerk hat sich auf die Kultur gerichtet: auf die gotische Kathedrale „Notre-Dame” aus dem 12. Jahrhundert, auf das „Palais du Tau” mit dem sagenhaften Schatz vieler Jahrhunderte, auf die Basilika „Saint-Remi”, wo der Zwillingsbruder von Romulus (Gründer von Rom) begraben ist, oder auf die Bauten des einstigen Klosters „Saint-Remi” aus dem 17. und 18. Jahrhundert, wo jetzt historische Zeugnisse von vorgeschichtlicher Zeit bis hin zum zweiten Weltkrieg präsentiert werden.

Heute, vierzig Jahre später, sehe ich von all dem nichts. Die Zeit reicht nicht einmal für einen flüchtigen Blick in die weltberühmte Kathedrale. Doch auch die Rebberge, wo die Trauben für den Champagner wachsen, bleiben mir verborgen: Nebel, Nebel, Nebel...

116 Stufen zum 18 km umfassenden unterirdischen Keller
Dafür besuche ich drei berühmte Champagner-Häuser, um mich dem Geheimnis des Champagners doch etwas zu nähern. „Louis Roederer”, eines der wenigen großen Traditions-Unternehmen, das heute noch in Familienbesitz ist und nicht zu einem der Großkonzerne für Luxusgüter gehört, wie zum Beispiel „Pommery”, wo man über eine Treppe mit 116 Stufen in 30 Metern Tiefe 20 Millionen eingelagerte Flaschen erreicht und unterwegs durch die Katakomben einer unglaublichen Vielfalt von moderner und älterer Kunst begegnet. Nicht in Reims, in Aÿ ist die Domaine „Bollinger” zuhause, 1829 gegründet, wiederum einer der letzten weltberühmten Betriebe, die seit Jahrzehnten von der gleichen Familie geführt wird. Diese schon einmalige Tradition wird dokumentiert, indem uns der heutige Patron, Ghislain de Montgolfier, ein Ur-Ur-Enkel des Gründers, im Stil des engagierten Unternehmers persönlich begrüßt, ein Relikt aus der „Gründerzeit” an einem Ort, wo sonst möglichst geschliffene, meist aber beliebig austauschbare Manager stehen.

Zum ersten Mal habe ich den Eindruck, Champagner kann doch etwas mehr sein, als nur „Luxusgut” oder prickelndes „Sprudelwasser”, als Begleiter in hehren Augenblicken: Neujahr, Geburtstag, Hochzeit oder ganz einfach nur Pause eines Konzerts, einer Oper oder eines Theaters.

      Begrüßung von Ghislain de Montgolfier auf Schloss Bollinger

Noch immer bewege ich mich im Bereich der Cuvée ohne Jahrgang, von den Jahrgangs-Champagnern wage ich nicht zu sprechen. Allein schon der Preis verhindert eine etwas breitere Degustations-Erfahrung. Kostet doch ein „Bollinger” „Brut Grande Année 1999” stolze 85 Euro, ein „Brut RD 1996” fast das Doppelte, 140 Euro (Richtpreise). Pommery ist da etwas billiger, dafür weit weniger exklusiv: „Brut Cuvée Louise 1998” ist für 116 Euro zu haben, der Brut Crand Cru 1998 gar schon für 37 Euro. Und Roederer lässt sich preislich mit Bollinger vergleichen: Brut Cristal 1999, zum Beispiel, kostet 132 Euro....

Erst jetzt, wo ich im Weinführer die Richtpreise nachschlage, läuft es mir „kalt über den Rücken”. Dies erinnert mich an Bordeaux.

Zum Abschluss der Reims-Reise wird uns vor einem achtgängigen Menu ein „Cristal 1999” (Roederer) aus einer Jéroboam serviert. Prickelnd, frisch, edel, wunderschön auch in den Aromen, sich im Gaumen verändernd, entwickelnd. Ich habe es genossen! Habe ich aber diesen Tropfen wirklich so geachtet und genossen, wie einen Bordeaux aus der gleichen Preisklasse? Nein!

      Kunst im Keller von Pommery

Champagner bleibt für mich eine unbekannte Schönheit: Attraktiv, genussreich, edel und - bei einer etwas längeren Beschäftigung - durchaus so spannend nuanciert, wie ein großer Bordeaux.

Mit einem ersten, zaghaften Schritt habe ich mich aufgemacht, auf die Suche von guten Cuvées ohne Jahrgang. Umfassende Degustationen, wie sie meist vor den Festtagen in Weinzeitschriften auftauchen, waren mir dabei behilflich. Zu empfehlen: Henriot: Brut Souverain (26 €), in der „Revue du Vin de France” mit 17/20 Punkten benotet. Dann aber auch - trotz meiner Naivität bezüglich Champagner ausführlich getestet: Louis Roederer: Brut Premier, sehr frisch, mit viel Finesse und vor allem schöner Länge. Und Moët et ChandonBrut impérial”, aus dem weltweit wohl berühmtesten Haus der Champagner: eigenwillig im Charakter, nichts von „Sprudelwasser”, vielmehr elegant, im Abgang mit schon fast salzigen Noten... All diese Weine kosten um 30 Euro.

      Zur Degustation bereit

Doch was schreibe ich da, was zitiere ich - Amateur - aus meinen spontanen Notizen? Hochstapelei oder ein Versuch, aus „Sprudelwasser” einen differenzierten, französischen Spitzenwein werden zu lassen, der genau so nuanciert zu genießen und beschreiben ist, wie ein großer Bordeaux? Bis dahin ist es noch ein langer Weg. Ich werde üben, üben, üben..... Da sind mir die kommenden Festtage sehr willkommen. Prost!
 
Herzlich
Ihr/Euer
Peter (Züllig)
 
NB. Ich habe in Reims auch einen Bollinger „R.D” (récemment dégorgé) 1996 getrunken. Aber da hat es mir die Sprache verschlagen!

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