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Jeder Kolumnist läuft Gefahr, seine eigene Sicht und sein eigenes Erleben zum „Maßstab” der Welt zu erheben. Davor bin ich nicht gefeit. Vor allem, wenn es um meinen Lieblingswein, den Bordeaux, geht.

Peter besucht Pétus in Pomerol
Da robbe ich mich seit bald zwanzig Jahre durch die 100'000 Hektaren Rebberge der Gironde, vorbei an den mehr als 12'000 Weinproduzenten, die jährlich 6.5 Millionen Hektoliter Wein machen, durch die 57 unterschiedlichen Appellationen.... Und plötzlich soll dies alles vorbei sein, heißt es „Abschied nehmen vom Bordelais”.

Abschied? Warum? Hat man mir die „berühmteste Weingegend der Welt” genommen? Entzogen? Nein, viel, viel schlimmer: man hat mir die Freude, den Glauben, das Vertrauen und die Einsicht geraubt. Man hat mich also betrogen!

Natürlich sind es immer die andern, die betrügen. So ist es hier aber nicht. Ich habe mich selbst betrogen. Betrogen um Hunderte von Stunden, die ich investiert habe, um dem Mythos Bordeaux näher zu kommen. Umsonst! Der Mythos hat sich aufgelöst, er ist in den materiellen Werten, die sich im Keller angesammelt haben, erstickt.

Im Weinkeller von Château Pétrus: Degustation eines Weintraums
„Deine eigene Schuld”, sagen meine Freunde, oder:, „späte Einsicht!” Tatsächlich ist das hervorragende Bordeauxjahr 2005 kein Schicksalsjahr per se. Das Weingeschäft hat sich nicht plötzlich gewandelt. Es ist immer noch gleich, wie all die Jahre zuvor, vielleicht etwas brutaler, mag sein!

Nein, ich bin es, der sich verändert hat. Ich mag nicht mehr in dieser Liga spielen. Da geht es nicht mehr um Wein, um die Freuden eines unvergesslichen Genusses; um die Einmaligkeit eines Produkts, das von Menschen der Natur „abgerungen” wird. Da geht es nur noch um Geld, viel Geld, ganz viel Geld.

Ich ertappe mich bei der Frage, was hat denn mein Weinkeller für einen Wert? Wie kann ich mein Bordeaux-Wissen „vermarkten”? Wie viel, wann und wo muss ich investieren, um aus dem Wein-Börsengeschäft Gewinn zu schlagen? Wie komme ich beim Blindbuchen und den Termingeschäften (lies Subskriptionen) zum Erfolg?

Plötzlich begreife ich auch all jene, die sich unglaublich ärgern, weil ihnen ein schlechter Kork einen hohen Wert abgussreif vernichtet. Und ich frage mich - was ich bisher noch nie getan habe - lohnen sich die Investitionen, lohnt sich vor allem die immense Zeit, die ich in den „Mythos Bordeaux” investiert habe?

Auf der Pirsch durch St-Emilion

Ja, es braucht die nackten Spekulationspreise des „großen” Bordeaux-Jahres 2005, um Abschied nehmen zu können. Noch vor ein paar Jahren, im Super-Mythos-Jahr 2000, war ich nicht so weit: ich ließ mir das ausgezeichnete Bordeaux-Jahr und die Jahrtausendwende einiges kosten, im unerschütterlichen Glauben an den guten Wein und ihre Erzeuger im Bordelais.

Ich habe auch die vielen Bekanntschaften und Gespräche mit Top-Winzern geschätzt, ich war stolz darauf, mit Bernard Magrez diskutiert und mit Gérard Bécot diniert zu haben, im Hause Cathiard eingeladen und von Christian Moueix begrüßt worden zu sein..... Und immer glaubte ich dabei an den Mythos Wein.

Am Tor zum "Weinglück" Ausone

Meine besten Freunde haben mir längst gesagt: „Du spinnst”. Ich wollte es nicht hören und schon gar nicht glauben. Ich will es auch jetzt nicht hören und nicht glauben.

Da findet keine Bekehrung statt, keine Wandlung vom Saulus zum Paulus. Ich stehe zu meinem bisherigen Weinleben, zu meiner Weinvergangenheit. Doch, so wie sie bisher war, ist sie nicht mehr. Ich habe Abschied genommen: dankbar für die schönen Stunden, die hohen Genüsse, die einmalige Projektionsfläche für einen weltlichen Glauben.

Eine Flasche "Haut Brion" 2005 kostet um 400 Euro

Jetzt aber haben sich die unbarmherzigen Marktgesetze, die keinerlei Menschlichkeiten zeigen in mir breit gemacht. Sie haben sich in mein Wein-Denken eingeschlichen. Zuerst beiläufig, kaum bemerkbar. Hohe und höchste Preise waren für mich nie ein Thema, nur eine harte Grenze bei der Realisation von Wein-Träumen.

Ich habe plötzlich entdeckt, wie „Weinglück” vermarktet wird, an Gläubige
wie mich....

Und da habe ich eben Abschied genommen, denn sobald man als Weingenießer zu rechnen beginnt und feststellt, dass ein einziger Schluck „Weinglück” nun zehn und mehr Euro kostet soll, da beginnt sich Wein zu wandeln. Nicht wie in der Bibel zu einem höheren Gut, nein in schnödes Geld, in bloße Ware-Werte.

Ade schönes Bordelais, ich muss gehen. Wohin? Dorthin wo Wein noch Wein und nicht einfach eine Luxusware ist.

Herzlich

Ihr/Euer
Peter (Züllig)

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